Kirsten Eickhoff-Weber zu TOP 2 + 35: Für den Einklang von Ökologie, Ökonomie und sozialen Belangen
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 19. Juni 2015TOP 2 + 35: Regierungserklärung zur zukünftigen Förderung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums / Bericht zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (Drs. 18/3073)Kirsten Eickhoff-Weber:Für den Einklang von Ökologie, Ökonomie und sozialen BelangenEnde Mai wurde das schleswig-holsteinische Entwicklungsprogramm für die ländlichen Räume (ELER) von der EU-Kommission genehmigt. Ihnen, Herr Minister Dr. Habeck, und Ihrem Haus gilt dafür Dank und Anerkennung, das war eine Menge Arbeit!Schleswig-Holstein hat in der siebenjährigen Förderperiode für die Förderung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume insgesamt 620 Mio € zur Verfügung. 117 Mio € mehr als in den sieben Jahren zuvor. Das ist eine gute Nachricht.Ländliche RäumeDie ländlichen Räume Schleswig-Holsteins stehen vor vielschichtigen Herausforderungen. Das sind die demografische Entwicklung, die Sicherung der Grundversorgung, der dauerhafte Schutz natürlicher Lebensräume und die zukunftsfähige Entwicklung von Wirtschaft und Infrastruktur.Für die ländlichen Räume sind zentrale Orte mit einem Angebot für die Grundversorgung von besonderer Bedeutung. Aber es sollen auch soziale Orte sein, denn im Mittelpunkt einer zukunftsorientierten Entwicklung der ländlichen Räume müssen die Bedürfnisse der Menschen stehen, die hier leben, wohnen und arbeiten. Ihre Potenziale, ihren Ideenreichtum wollen wir fördern, und wir wollen ihrer Kreativität für die Gestaltung des Lebens in den ländlichen Räumen 2den nötigen Freiraum bieten. Das ist die richtige Richtung: Fördermittel müssen dahin, wo gute Konzepte aus der Region für die Region entwickelt und gelebt werden.Die SPD Landtagsfraktion hat ihre Vorstellungen und Ideen für die zukünftige Entwicklung der ländlichen Räume in einem Positionspapier dargestellt. Dieses Papier diskutieren wir in den kommenden Monaten mit den Akteuren im ländlichen Raum. Bereits unsere Auftaktveranstaltung hat gezeigt, dass die Ausrichtung der ELER-Förderung genau in die richtige Richtung geht.Ein besonderer Schwerpunkt ist der Bereich der Bildung. Wir wollen die Schule im Dorf lassen und wenn möglich unterschiedliche Angebote wie Kita, Schule, Volkshochschule, Weiterbildungsangebote in Häusern der Bildung zusammenfassen.Der Anschluss an eine leistungsfähige Breitbandversorgung ist dabei für das Leben und die Wirtschaft im ländlichen Raum ein ganz besonderer Faktor. Und es ist gut, dass hier die ELER- Förderungen und die Breitbandinitiative des Landes am gleichen Strang ziehen, um Wertschöpfung im ländlichen Raum zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen, neue Bildungsangebote zu konzipieren und die medizinische Versorgung zu stützen. Nur mit einer vernünftigen Lebens- und Arbeitsperspektive werden die Menschen in ihrer Heimat bleiben oder den ländlichen Raum neu für sich entdecken.Zu einer der großen Stärken der ländlichen Räume gehört ein besonderes Maß an bürgerlichem Engagement. In Schleswig-Holstein sind lebendige Aktiv-Regionen Ausdruck dieses Gemeinsinns. Mit einer integrierten Entwicklungsstrategie zu den Schwerpunkten Klimawandel und Energie, Bildung, Wachstum und Innovation sowie nachhaltige Daseinsvorsorge haben sich 22 Aktiv-Regionen erfolgreich beworben, eine mehr als in der letzten Förderperiode. Hier wird über Gemeindegrenzen hinweg gemeinsam gedacht und gehandelt.LandwirtschaftDer Schwerpunkt des ELER liegt im Bereich der Landwirtschaft. Hier soll eine nachhaltige, standortangepasste Landbewirtschaftung unter Berücksichtigung von Umwelt-, Tier- und Gesundheitsschutz, eine Stärkung der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betriebe und Vermarktungseinrichtungen gefördert werden. 3Die heutige Form der intensiven Landwirtschaft – ich meine intensiv im Gegensatz zu extensiver Landwirtschaft – hat in Teilen Auswirkungen, die die natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und Luft belasten. Strukturvielfalt und Biodiversität sind deutlich zurückgegangen. Und der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik kommt in seinem Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ zu dem Ergebnis, dass es im Bereich Tierschutz, aber auch im Umweltschutz erhebliche Defizite gibt. In Kombination mit einer veränderten Einstellung zur Mensch-Tier-Beziehung führe dies zu einer verringerten gesellschaftlichen Akzeptanz der Nutztierhaltung.Vor diesem Hintergrund ist es dann nur folgerichtig, dass umwelt- und klimaschutzbezogene Maßnahmen, Tierwohl und die Förderung einer nachhaltigen ressourcenschonenden Landwirtschaft die wesentlichen Bestandteile der ELER-Förderung sind. Da erfahren wir eine Neuausrichtung der Förderpolitik, und das ist gut so!Landwirtschaftspolitik geht für uns über den eigentlichen Produktionsbereich hinaus und ist ein wesentlicher Teil der Politik zur Entwicklung der ländlichen Räume. Ländliche Räume müssen auch attraktive Kulturlandschaft und lebendige Naturräume sein. Das geht nur mit einer verantwortungsbewussten Landwirtschaft.Machen wir uns nichts vor, das ist ein komplexes Geflecht von Wechselbeziehungen und gesellschaftlicher Erwartung. Gesellschaft und Landwirtschaft haben sich immer weiter voneinander entfernt. Soweit, dass viele Menschen gar keine Vorstellungen mehr davon haben, wie ihre Lebensmittel produziert werden. Auf der einen Seite werden idyllische Bilder ländlichen Lebens idealisiert und auf der anderen Seite erwartet der Verbraucher im Supermarkt niedrigste Lebensmittelpreise.Und doch, Verbraucher und Verbraucherinnen entwickeln zunehmend ein Bewusstsein für Ernährung, sie wollen wissen, wo die Lebensmittel herkommen, wie sie produziert werden und wie die Haltungs- und Schlachtbedingungen für die Tiere waren. Umfragen zeigen: Unsere Gesellschaft ist auch bereit, dafür mehr Geld auszugeben. Bio-Produkte und Produkte aus der Region sind ein wachsender Markt. Hier müssen wir unsere Landwirte weiter unterstützen, die einem immer größeren Preisdruck ausgesetzt sind. 4In der letzten Woche wurde an der CAU die Johann Heinrich von Thünen-Medaille verliehen. Der Festvortrag des Preisträgers hatte den Titel „Agrarökonomie im Wandel der Zeit“. Er stellt fest, dass nach einer Phase autistischer Ökonomie eine Relativierung der reinen Lehre der Produktionssteigerung kommen muss und bereits auf dem Weg ist. Und es ist dieser Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, den wir auch mit Fördermitteln begleiten und gestalten. Dabei bedeutet Nachhaltigkeit das Miteinander von Ökologie, Ökonomie und sozialen Belangen. Es geht um gesellschaftliche Förderung im Sinne des Gemeinwesens, es geht um die Anerkennung der Leistungen der Landwirtschaft, es geht um mehr biologische Vielfalt, Klimaschutz und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.Wir haben unsere Vorstellungen in einem Positionspapier zur Landwirtschaft zusammengefasst und zur Diskussion gestellt und führen darüber intensive Gespräche z.B. mit den Vertretern des Ökolandbaus und den Kreisbauernverbänden. Dabei bin mit engagierten, durchaus problembewussten Landwirten ins Gespräch gekommen. Wir sind uns einig, dass die Biodiversität in der Kulturlandschaft die gemeinsame Herausforderung ist, Wasserschutz, Düngeverordnung, Regelungen beim Pestizideinsatz – alles das ist nötig, um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Landwirtschaft zu erhalten bzw. wieder zu erhöhen. Das muss aber auch einhergehen mit Wirtschaftlichkeit und fairen Arbeitsbedingungen.Und das alles geht nur mit der Landwirtschaft. Die Gegebenheiten vor Ort – Dithmarschen ist nun mal anders als Lauenburg und Fehmarn anders als die Elbmarsch – müssen bei der Ausgestaltung von Vertragsnaturschutz, Ackerrandstreifen, Bienenweide und Eiweißprogramm Berücksichtigung finden.Wir wollen für Schleswig-Holstein eine nachhaltige, ressourcenschonende Landwirtschaft, die sich zukunftsfähig aufstellt. Dabei geht es nicht darum, konventionelle und ökologische Landwirtschaft gegeneinander zu stellen. Wir brauchen eine neue, gemeinsame Richtung, einen gemeinsamen Weg in eine nachhaltige Landwirtschaft. Dazu brauchen wir klare Leitplanken und zuverlässige politische Leitlinien. Regeln und Gesetze, die die gute fachliche Praxis begleiten und beschreiben.Vor Ort habe ich oft gehört, dass eine klare Anwendung und Umsetzung nicht überall gewährleistet ist. Die „schwarzen Schafe“, die mit ihrem unverantwortlichen Handeln den ganzen 5Berufsstand in Verruf bringen, müssen schneller erkannt und deutlicher zur Verantwortung gezogen werden. Daran müssen auch die Landwirte selbst ein aktives Interesse haben.Wir müssen dafür auch Innovation und Forschung zuverlässig sichern. Von besonderer Bedeutung sind hier die Europäischen Innovationspartnerschaften, die der Minister erfolgreich auf den Weg gebracht hat. Hier werden Produktivität und Nachhaltigkeit zusammen gedacht und zusammengebracht. Die Förderung der angewandten Wissenschaft, der Transfer von Forschungsergebnissen und Innovation sind die Impulse für eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft. Dies geht aber nur dann, wenn sie mit der Praxis, mit den Erfahrungen und Erfordernissen vor Ort am Stück gedacht werden!Im Schleswig-Holsteinischen Landesprogramm Ländlicher Raum ist das Agrarinvestitionsprogramm verankert. Die Förderung richtet sich an Betriebe, die Investitionen in eine besonders artgerechte Tierhaltung durchführen und besondere Anforderungen in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz erfüllen. Die unabhängige Beratung wird gestärkt und in Fortbildung investiert. So sollte Förderung auch in Zukunft ausgestaltet sein.ErnährungswirtschaftEng verbunden mit der Entwicklung der ländlichen Räume und einer nachhaltigen Landwirtschaft ist die Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein. Auch hier setzt die neue Förderperiode Akzente.Wir brauchen eine in den ländlichen Räumen eingebundene Landwirtschaft mit regionaler Veredlung und Weiterverarbeitung. Schon jetzt sind Produkte aus Schleswig-Holstein weltweit gefragt. Sie werden aber zu einem großen Teil als Rohware oder nur wenig verarbeitet exportiert. Daher ist es richtig, Fördermittel auch dazu zu verwenden, Wertschöpfungsketten noch stärker innerhalb des Landes zu etablieren. Wir brauchen Wirtschaftszweige und Unternehmen, die die bei uns produzierten Rohstoffe verarbeiten. Die Verarbeitung und Vermarktung einheimischer Agrarprodukte wird ab sofort wieder gefördert. Anerkannte Erzeugergemeinschaften und kleine und mittlere Unternehmen der Ernährungswirtschaft können Fördermittel beantragen. 6Für die SPD gehören ländliche Räume, Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft zusammen. Das muss für Schleswig-Holstein im Zusammenhang gedacht werden. Daher haben wir mit unserer Großen Anfrage Ernährungswirtschaft die Zahlen, Daten und Hintergründe zum Thema ermittelt und die zurzeit laufende Anhörung durch den Wirtschaftsausschuss bringt uns eine Menge neuer Erkenntnisse aus den unterschiedlichsten Bereichen. Sicher wird die Auswertung auch Berücksichtigung bei der Vergabe der Fördermittel in den kommenden Jahren finden.Ein besonderes Thema sind die Schlachtkapazitäten. In Schleswig-Holstein gibt es davon immer noch zu wenig. Die Herausforderung müssen wir an erster Stelle für die Tiere annehmen. Lange Transportzeiten müssen aufhören. Es ist ein gutes Zeichen, dass bei Schlachtbetrieben Kleinst- und Kleinunternehmen gefördert werden. Hier müssen wir besonders aufmerksam sein, denn der Strukturwandel unter den Schlachtunternehmen schreitet weiter voran.In vielen Gesprächen, die ich geführt habe, wurde deutlich, dass große Sorge besteht, dass Schleswig-Holstein noch tiefer in den Konzentrationsprozess der Fleisch verarbeitenden Industrie gerät. Diese Sorge teilen wir, denn bei solchen Konzentrationen sind die landwirtschaftlich produzierenden Betriebe klar im Nachteil.Wir wollen eine regional eingebundene, nachhaltig wirtschaftende, ressourcenschonende Landwirtschaft. Wir wollen eine zukunftsfähige Ernährungswirtschaft mit guter Arbeit und fairen Löhnen. Schleswig-Holstein muss mit Qualität in Verbindung gebracht werden. Vor allem auch für eine zukunftsfähige Entwicklung der ländlichen Räume brauchen wir eine nachhaltige Produktion, den Einklang von Ökologie, Ökonomie und sozialen Belangen. Das muss im echten Norden zusammengehören.Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html