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18.06.15
15:44 Uhr
SPD

Jürgen Weber zu TOP 10: Der Sport wird sich bei den Herausforderungen bewähren

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 18. Juni 2015



TOP 10: Große Anfrage Dem demografischen Wandel effektiv begegnen - Die Sportentwicklung in Schleswig-Holstein vorantreiben und die Vereine fit für die Zukunft machen (Drs. 18/3030)



Jürgen Weber:
Der Sport wird sich bei den Herausforderungen bewähren


„Dem demografischen Wandel effektiv begegnen“ lautet die Überschrift der Großen Anfrage der CDU. Wie wir den Wandel positiv gestalten, ist in der Tat auch für den Sport eine wichtige Herausforderung. Dazu eine Vorbemerkung:
1. Lösungen hinsichtlich unserer Sportvereine müssen in erster Linie durch den autonomen Sport und seine Gremien erarbeitet werden. 2. Planung, Entwicklung und Strukturentscheidungen durch die Kommunen (denen in der Regel die Sportanlagen gehören) sind das zweite wichtige Standbein. 3. Rahmensetzungen und Unterstützung bei übergeordneten gesellschaftlichen Aufgaben erfolgen durch das Land z.B. - Integration - Inklusion - Schule und Sport - Gewaltprävention - gesundheitspolitische Impulse - besondere Förderung von Leistungssport und Schule - Sonderprogramme zum Erhalt und zur Um- bzw. Neugestaltung von Sportstätten 2



Die Daten zur demografischen Entwicklung in unserem Land kennen wir (also Alter, Migration, Bevölkerungszahl, regionale Unterschiede, etc). Den Wandel in der Sportnachfrage und der Entwicklung von Arten und Orten des Sports ( Erweiterung des Sportartenspektrums, stärkere Individualisierung, neue Anbieter auf dem Sportmarkt, geringer werdende Bindung an Vereine, geringere Bindung an klassische Sportstätten uvm) kennen wir auch seit längerem.
Die Antwort auf die Große Anfrage bietet uns:
a) Eine Zusammenfassung der bekannten Konzepte und Papiere des Landessportverbandes (LSV), b) eine Zusammenfassung der Maßnahmen der Landesregierung zur Förderung des Sports, c) die Erkenntnis, dass die Entwicklung im Sport genauso dynamisch und begrenzt planbar ist wie in allen anderen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen auch.
Damit ist auch klar: Auf eine Reihe von Kernfragen, die sich aus der demografischen Entwicklung ergeben, gibt es bereits tragfähige Antworten aus dem Sport: Die stärkere Ausrichtung auf die Anforderungen einer älter werdenden Gesellschaft nach Gesundheitssport und Fitnessangeboten ist ein Beispiel dafür. Das „Netzwerk Daseinsvorsorge“ und das Aktionsprogramm des Bundes mit der Modellregion Schleswig-Flensburg geben wichtige Handreichungen.
Es bleiben aber natürlich offene Fragen, die der gemeinsamen Anstrengung bedürfen. Einige kurze Anmerkungen dazu im Rahmen der knappen Zeit heute, die m.E. im Ausschuss vertieft besprochen werden können und müssen:
1. Die Zahlen der Mitgliederentwicklung nach Alter, Geschlecht und Sportart sind überaus instruktiv: Ein erster Blick zeigt die unterschiedliche Entwicklung der Sportarten und die unterschiedliche Entwicklung in den Altersgruppen. Um einen Aspekt herauszugreifen: Es fällt auf, dass in den „Massensportarten“ Turnen, Fußball und Handball die Mitgliederzahlen bei den Kinder bis 14 Jahren erheblich einbrechen, in allen anderen Altersgruppen aber eher konstant sind, bei den 20-25 jährigen sogar deutlich zunehmen. 2. Zur kommunalen Sportentwicklungsplanung liegen nur 15 Antworten und Ergebnisse vor (ist das die tatsächliche Sportentwicklungsplanung?). Das sind deutlich zu wenige für 3



konkrete übergreifende Aussagen. Das zeigt, dass offenbar im Zentrum der Zuständigkeit für die Entwicklung des Sports noch erheblicher Bedarf an Kenntnis und Struktur besteht. 3. Der Sport, gerade der organisierte Sport, bewegt sich mitten in unserer Gesellschaft, ist wesentlicher Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens und unserer Kultur. Deswegen kann es nicht verwundern, dass Entwicklungen, die wir in anderen Bereichen beobachten, auch für den Sport zutreffen: - eine (nicht dramatisch) sinkende Zahl von kontinuierlichen Mitgliedschaften, dafür mehr Nachfrage nach zeitlich befristeten Kursen ( z.B. bei Gesundheits- und Fitnesskursen). Es werden zunehmend Kurse gebucht, statt feste Mitgliedschaften einzugehen. Das kennen wir ja aus der Politik (weniger Parteimitgliedschaft, mehr Beteiligung an kurzfristigen, am eigenen Interesse orientierten Aktivitäten) Und so, wie das auf der einen Seite ja nicht Entpolitisierung bedeutet, sondern neue Herausforderungen stellt, so ist es im Sport nicht anders: Weniger Mitglieder in Vereinen heißt ja nicht, dass weniger Sport getrieben wird. 4. In Schleswig-Holstein gilt der Vorbildcharakter des autonomen Sports uneingeschränkt. Dazu gehört, dass der Sport selbst, hier an der Spitze der LSV, seit vielen Jahren wesentliches zur Strukturentwicklung im organisierten Sport leistet. Der „Sportpolitische Orientierungsrahmen 2008-2012“ ff. und der aktuelle SPORA 2016 stehen dafür, sind ja bekannt und werden in der Antwort auf die Große Anfrage noch mal zusammenfassend angeführt. Allerdings hört er auf zu funktionieren bei unkontrollierbarer Macht- und Geldagglomeration wie der FiFa und führt auch zur Überschätzung eigener Möglichkeiten, wie lange Zeit bei der Bekämpfung des Dopings. 5. Interessant ist die Frage nach vermeintlichen Forderungen, künftig den Förderschwerpunkt auf die Entwicklung moderner Vereinsstrukturen zu legen. Es überrascht nicht, dass der LSV erklärt, ihm seien solche Forderungen nicht bekannt. Ich könnte auch nichts Gegenteiliges behaupten. Die Frage stellt sich aber schon, wie - die Trends zu neuen Sportarten, - die Herausforderungen von Integration von Migrantinnen und Migranten, - die vielfältigen Aufgeben von Kooperationen mit Kindergärten, Schulen, Krankenkassen etc., - Sonderaufgaben von Gewaltprävention, Inklusion, Weiterbildung etc. 4



künftig in den gewachsenen Vereinsstrukturen erledigt werden können, ohne diese über Bord zu werfen. Und das auch noch, wenn durch sinkende Mitgliederzahlen die finanzielle Basis schrumpft, vielleicht auch die Zahl der ehrenamtlich Aktiven nicht mit den Aufgaben mitwächst oder gar abnimmt.
Hauptamtlichkeit ist nur in größeren Vereinen möglich. Und auch dort meist in sehr begrenztem Umfang, wenn nicht aus wirtschaftlicher Tätigkeit oder durch Sponsoren zusätzliche Quellen erschlossen werden. Eine Antwort darauf kann sicherlich in verstärkten Kooperationen der Vereine liegen. Auch organisatorisch über Spielgemeinschaften und ähnliches hinaus. Hier und da kommt es sogar zu Fusionen. Aber das ist mental für viele mindestens vermutlich genauso so schwierig wie beim Thema Gebietskörperschaften. Stärkere Kooperation ist sicher notwendig, um öffentliche Mittel stärker wirken zu lassen. Aber diese Diskussion muss der Sport zuerst einmal selbst führen und kann nicht von außen, gar aus der Politik gedrängt werden. Die Frage, wie dazu Anreize geschaffen werden können, ist sicher auch ein denkbares Thema einer kommunalen Sportentwicklungsarbeit. 6. Die Herausforderungen durch kommerzielle Anbieter werden wachsen. Trends, moderne Ausstattung, Schaffung von Nachfrage durch Medien, Sportartikelhersteller etc.: Der organisierte Sport kann und muss nicht mithalten mit Spezialangeboten für solvente Sportinteressenten. Er hat aber die Stärke, die fachliche Kompetenz und die nötige Vernetzung und Kooperationsbereitschaft, um mit eigenständigen Angeboten auch im Segment von dem, was etwas unpräzise Trendsport genannt wird, erfolgreich sein zu können. 7. Im Jahr .2009 wurde das Projekt „Kids in die Clubs“ in Kiel ins Leben gerufen. Kindern und Jugendlichen aus finanzschwachen Kieler Familien wurde die freie Mitgliedschaft in einem Sportverein ermöglicht. Heute wird die Vereinsmitgliedschaft aus dem Bildungspaket des Bundes finanziert. Dabei läuft des Projekt „Kids in die Clubs“ weiter: Dank der Mittel der Sponsoren und Spender stehen nun Gelder für Sportbekleidung und Sportausstattung in den Vereinen zur Verfügung. Sport, Politik und Wirtschaft müssen 5



alles tun, damit Menschen, vor allem Kinder nicht aus finanziellen, aus sozialen Gründen ausgeschlossen bleiben vom Vereinssport. 8. Der Landessportverband und seine Mitgliedsorganisationen haben den politischen Auftrag, der sich aus der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention ergibt, als Chance wahrgenommen. Auf einer Regionalkonferenz der Sportjugend umschrieb Hans- Jakob Tiessen, Präsident des Landessportverbandes, in seinem Grußwort das so: „Die Sensibilisierung aller Beteiligten auf allen Ebenen für die Arbeit insbesondere mit Menschen mit Behinderungen erscheint als eine zentrale Aufgabe. Es gilt, gemeinsam Lösungsansätze für den Sport zu finden und der Bedeutung der Inklusion und der damit notwendigen Vernetzung einen besonderen Ausdruck zu verleihen.“ Alle wissen, dass es nicht um die perfekte Lösung gehen muss, sondern auch darum, mit einfachsten Mitteln das Sporttreiben als ersten Schritt zu ermöglichen, dass ein aktives Handeln auf Augenhöhe, beginnend mit Institutionen und Organisationen auf kommunaler Ebene, für die Akteure der Vereine und Verbände einen ersten elementaren Schritt darstellt. 9. Sport und Umwelt – neue Dimension durch die Olympia-Bewerbung. Nachhaltigkeit als Teil der neuen Agenda des IOC. 10. Interessant ist der Hinweis, dass es auf kommunaler Ebene kaum noch eigene Sportausschüsse gibt. Ist der Sport in den Gremien von Selbstverwaltung (und Parlament) hinreichend gut positioniert? „Sportliche Aktivitäten werden nicht nur in Sportanlagen…ausgeübt, sondern zunehmend im öffentlichen Raum: in der freien Natur, auf Straßen oder Plätzen. Somit ist die gesamte Kommune langfristig als ein Sportraum zu sehen.“ (Antwort auf die Große Anfrage, S.7) Brauchen wir also bald eine Sportverträglichkeitsprüfung ?
Der demografische Wandel stellt den Sport vor keine leichteren Aufgaben als alle anderen gesellschaftlichen Bereiche und den der Daseinsvorsorge. Ich habe keine Sorge, dass sich der Sport bei diesen Herausforderungen bewähren wird. Dort, wo gesellschaftliche, finanzielle und strukturelle Unterstützung erforderlich ist, ist die Politik gefragt – Kommunen, Land und Bund, jeder in seiner Zuständigkeit.
Dass das Zusammenwirken der politischen Ebenen auch noch verbessert werden kann, stimmt fast immer. Hier auch. 6



Dauerhafte Patentlösungen gibt es nicht. Aber sicher genug Stoff für eine weitere Beratung im Ausschuss.



Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html