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17.06.15
12:02 Uhr
Piratenpartei

Wolfgang Dudda zu TOP 1 (Aktuelle Stunde zum Friesenhof): Das Sozialministerium hat mittelbar an den Grundrechtsverletzungen im Friesenhof mitgewirkt #6Piraten

Pressestatement Mario Tants Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 04 31 - 988 1603 Fax: 04 31 - 988 1602 mario.tants@piratenfraktion-sh.de



Kiel, 17. Juni 2015
Wolfgang Dudda zu TOP 1 (Aktuelle Stunde zum Friesenhof): Das Sozialministerium hat mittelbar an den Grundrechtsverletzungen im Friesenhof mitgewirkt
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Frau Ministerin Alheit, Sie werden auf der Internetseite Ihres Ministeriums mit dem Satz "Mein Ziel ist es, Kinder und Jugendliche in Einrichtungen insgesamt besser zu schützen.“ zitiert. Um genau das zu tun, müssen Ihr Haus nicht einmal verlassen. Man kann auch sagen: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Schlechte liegt so nah?
Das zu Ihrem gehörende Landesjugendamt hat doch noch im April diesen Jahres einen Vertrag mit dem Friesenhof geschlossen, nicht wahr? Dieser Vertrag „legalisiert“ üble, der Schwarzen Pädagogik zuzurechnende Praktiken des Friesenhofes. Der Friesenhof hat sich mal eben pfiffig durch Ihr Haus seine „Bootcamp-Methoden“ absichern lassen, in dem er sich diese Praktiken in seinen Vertrag mit dem Landesjugendamt hineinschreiben ließ.
Zwei Beispiele aus diesem Vertrag möchte ich hier anführen. Ich beginne mit dem Paragraphen 3, der da lautet:"Persönliche Gegenstände, die ausschließlich emotionalen Interessen der Bewohnerinnen dienen und deren Besitz unter Berücksichtigung der persönlichen Geschichte der jeweiligen Bewohnerin keine Gefährdung ihres Wohl oder Beeinträchtigung ihrer Erziehung bedeutet, werden den Bewohnerinnen nicht abgenommen."


Piratenfraktion im Pressestelle: http://www.piratenfraktion-sh.de Schleswig-Holsteinischen Landtag Tel.: 0431 – 988 1603 fraktion@piratenfraktion-sh.de Düsternbrooker Weg 70 Twitter: @fraktionSH 24105 Kiel Tel.: 0431 – 988 1337

Seite 1 / 3 Dieser Passus ist die Legalisierung von Willkür. Er berechtigt dazu, den Bewohnerinnen alle persönlichen Gegenstände wegzunehmen. Die Dehnbarkeit von „emotionalen Interessen dienen“ und „keine Beeinträchtigung ihrer Erziehung“ ist juristisch betrachtet außerhalb jeder eigentlich nötigen Bestimmtheit. In der Praxis berechtigt diese Passage die Mitarbeiter des Friesenhofes dazu, den Bewohnerinnen alles außer dem Teddybär aus Kindertagen wegzunehmen.
Dies ist nicht nur pädagogisch äußerst fragwürdig. Das ist brutal und missachtet Grundrechte!
Mitarbeiter Ihres Hauses, Frau Ministerin Alheit, haben genau das allerdings für so sinnvoll gehalten, dass sie es in dem Vertrag festschreiben ließen.
Viel übler ist jedoch das, was wir im Paragraphen 5 des Vertrages finden. Hier heißt es: "Mit Zustimmung der Personensorgeberechtigten und des leistungszuständigen Jugendamtes wird den Bewohnerinnen ein Kontakt mit Dritten in den ersten acht Wochen nach ihrer Aufnahme in eine Camp-Einrichtung grundsätzlich untersagt. Hiervon ausgenommen sind telefonische und (unkontrollierte) schriftliche Kontakte der Bewohnerinnen zu dem jeweils leistungszuständigen Jugendamt und dem Land."
Eine ähnlich organisierte, von staatlichen Stellen gewollte totale Kontaktsperre ist mir nur in Verbindung mit dem Umgang mit den in Stuttgart-Stammheim einsitzenden Terroristen in Erinnerung!
Die „Zustimmenden“, also der Vormund und/oder das zuständige Jugendamt erteilen ihren Segen zu dieser Kontaktsperre doch erst nach entsprechendem Bericht des Friesenhofes. Was die „Zustimmenden“ von der Welt der betroffenen Bewohnerin wussten, bestimmt doch der Friesenhof. Und was ist eigentlich mit dem Begriff „Land“ gemeint? Wir hier im Landtag? Die Behörden des Landes? Deutschland?
Machen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, doch einmal für wenige Augenblicke die Augen zu und versetzen sich in die Lage einer Bewohnerin des Friesenhofes. Stellen Sie sich dann vor, wie Ihr ganzes bisheriges Leben systematisch ausgelöscht wird und Sie darüber mit niemand anderem reden können als denen, die für genau dieses Auslöschen verantwortlich sind. Wie hilflos und ausgeliefert fühlen Sie sich dabei?



Piratenfraktion im Pressestelle: http://www.piratenfraktion-sh.de Schleswig-Holsteinischen Landtag Tel.: 0431 – 988 1603 fraktion@piratenfraktion-sh.de Düsternbrooker Weg 70 Twitter: @fraktionSH 24105 Kiel Tel.: 0431 – 988 1337


Seite 2 / 3 Und selbst wenn diese „ersten acht Wochen“ vorüber sind, kann die Kontaktsperre ausweislich der nachfolgenden Paragraphen dieses Vertrages fortgesetzt werden. Demnach kann sich eine Bewohnerin nur in Gegenwart eines Mitarbeiters des Friesenhofes telefonisch irgendwo beschweren. Im Hinblick auf den bekannt gewordenen Verdachts des sexuellen Missbrauchs dort ist dieser Vergleich zulässig: Das ist so, als wenn das Opfer einer sexuellen Gewalttat telefonisch in Gegenwart des Täters bei der Polizei Anzeige erstattet.
Das alles ermöglicht also ausgerechnet ein zwischen dem Landesjugendamt und dem Betreiber Friesenhof geschlossener Vertrag und Sie, Frau Ministerin Alheit, sagen selbst "Mein Ziel ist es, Kinder und Jugendliche in Einrichtungen insgesamt besser zu schützen.“?
Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben mit dem Artikel 19 die mögliche Einschränkung von Grundrechten präzise geregelt und dies so, dass genau solche Dinge wie in dem von mir hier zitierten Vertrag nicht passieren sollen. Ausdrücklich verweist der Artikel 19 in seinem 4. Absatz auf Artikel 10, in dem das Post- und Fernmeldegeheimnis geregelt ist.
Mit den Köpfen in Ihrem Haus, Frau Ministerin, die für solche Verträge verantwortlich zeichnen, lassen sich die Schritte, die seitens des Landes zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in stationären Jugendhilfeeinrichtungen gegangen werden müssen, bestimmt nicht gehen.
Neben dem Satz „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Schlechte liegt so nah“ gebe ich Ihnen die Frage „Warum tanzen die Mäuse auf dem Tisch, obwohl die Katze im Haus ist?“ mit auf den Weg.
Ansprechpartner: Wolfgang Dudda, MdL, Tel: +49 431 988 1637



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