Olaf Schulze zu TOP 21 + 45: Soziale Gerechtigkeit geht vor
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 21. Mai 2015TOP 21 + 45: Bürokratiebremse für die schleswig-holsteinische Wirtschaft / Entlastung von Bürgern, Mittelstand und Verwaltung bei Bürokratiekosten (Drs. 18/2897 und 18/2975)Olaf Schulze:Soziale Gerechtigkeit geht vorAbbau von Bürokratie, das hört sich erst einmal super an. Und einfache Rezepte – das ist die Spezialität der CDU, jedenfalls dann, wenn sie nicht in die Verlegenheit kommt, dies an der Realität messen lassen zu müssen. Gern erinnere ich in diesem Zusammenhang an die Bierdeckel-Steuererklärung.Nun soll es also eine „Eins rein – eins raus“-Regel für Gesetze werden. Wir glauben, dass es eine interessante Sache ist, die die Bundesregierung da plant: Mit ihrem Maßnahmenkatalog schafft sie ein Gesamtpaket, in dem die einzelnen Vorschläge aufeinander aufbauen. Da geht es um Regelungen auf Bundesebene, um Aufzeichnungspflichten, um Änderungen bei der Einkommensteuer, um Zentralisierung von Melde- und Informationspflichten.Ich muss Ihnen zu Ihrem reduzierten Vorschlag ganz ehrlich sagen: Wenn es darum geht, wie einfach oder schwierig Gesetze für die Wirtschaft sind, kommt es nicht darauf an, wie viele es gibt, sondern was drin steht. Und was das betrifft, hat die SPD zum Glück ganz andere Vorstellungen als CDU und FDP. 2Und da bin ich schon erstaunt, was in letzter Zeit alles als Bürokratie bezeichnet wird: Die Aufzeichnung der Arbeitszeiten nach dem neuen gesetzlichen Mindestlohn ist einer dieser Punkte. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, vielleicht ist Ihnen nicht aufgefallen, dass wir in Deutschland schon seit 1994 ein Arbeitszeitgesetz haben. Natürlich müssen die Arbeitszeiten aufgezeichnet werden, damit sie überprüfbar sind.Wer jetzt über Aufzeichnungspflichten klagt, brüstet sich damit, bisher unbekümmert und ungesetzlich die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel gesetzt zu haben. Denn um nichts anderes geht es bei den gesetzlichen Höchst-Arbeitszeiten. Da bin ich über manche Äußerungen schon sehr erstaunt, vor allem, weil das Arbeitszeitgesetz auch hier Möglichkeiten für Abweichungen vorsieht.Und seien wir mal ganz ehrlich: Woher kommen denn die detaillierten Stundenangaben auf Handwerkerrechnungen? Die denken sich die Betriebe doch bestimmt nicht aus. Da werden doch offenbar Aufzeichnungen geführt.Die SPD steht zum Mindestlohngesetz auf Bundesebene. Wir finden es richtig, dass in der öffentlichen Diskussion jetzt wieder eine Rolle spielt, dass es immer noch Betriebe gibt, die Löhne unter 8,50 Euro für ausreichend halten und für die Arbeitnehmerrechte lästige Bürokratie darstellen.Dies ist eine kleine Minderheit unter den Betrieben, aber so, wie sich manche Verbände und Parteien für diese Minderheit ins Zeug legen, könnte man denken, es geht um den innersten Kern deutscher Marktwirtschaft.Ähnliches beim Tariftreuegesetz. Die CDU wollte es zuletzt 2014 ganz aufheben, die FDP möchte es heute wieder einmal aufweichen. Die Vorschriften des Tariftreuegesetzes beinhalten Nachweise und Erklärungen, die von den Unternehmen zu erbringen sind, wenn sie an einer Ausschreibung teilnehmen.Ausdrücklich sieht das Tariftreue- und Vergabegesetz vor, dass diese Nachweise und Erklärungen auch im Rahmen einer Präqualifizierung erbracht werden können. Es ist eine Möglichkeit, den Aufwand dauerhaft zu reduzieren. Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass wir uns bei der Präqualifikation mehr Vereinheitlichungen wünschen. 3Die Nachweise, die erbracht werden müssen, sind kein Selbstzweck. Mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Schleswig-Holstein geht es um die Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping bei öffentlichen Aufträgen, um faire Arbeitsbedingungen und um die Stärkung schleswig-holsteinischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb.Die sozialen Standards, die das Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Schleswig-Holstein vorgibt, sind für uns essentiell. Für Sie mag es Bürokratie sein. Für uns gehört es zur sozialen Gerechtigkeit. Dieses ist nicht immer mit einfachen Rezepten zu machen und Bürokratieabbau hört sich ja gut an. Aber lassen Sie mich mit einem Zitat von Peer Steinbrück enden: „Alle klagen über Bürokratie. Aber wenn der Hund des Nachbarn in ihren Garten furzt, wollen die gleichen Leute eine Änderung des Emissionsschutzgesetzes.“