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19.03.15
12:13 Uhr
SPD

Bernd Heinemann zu TOP 3: Die Grundrechte kranker Menschen stärken und schützen

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 19. März 2015


TOP 3, Änderung des Psychisch-Kranken-Gesetzes und des Maßregelvollzugsgesetzes (Drucksache 18/1363, 18/2758 und 18/2839)



Bernd Heinemann:
Die Grundrechte kranker Menschen stärken und schützen


Immer wieder haben wir in der Vergangenheit erlebt, dass missliebige Kolleginnen und Kollegen, Familienmitglieder oder Nachbarn denunziert und plötzlich für verrückt erklärt wurden, um dann womöglich scheinbar freiwillig einer freiheitsbeschränkenden Behandlung unterzogen wurden, der einem „Wegschließen“ Unschuldiger oder eben nur subjektiv Kranker gleichkommt.
Die Würde des Menschen ist unantastbar und wir werden sie wahren; dies gilt umso mehr für Menschen, die krank sind und ohnehin schwere Lasten tragen. Ein Rechtsstaat und Zwangsbehandlung, wie geht das vor dem Hintergrund unserer Geschichte und unserer Verfassung also zusammen? Jeder Patient/ jede Patientin entscheidet selbst, welche Hilfe er oder sie annimmt und nutzt. Zur Menschenwürde gehört eben auch die Selbstbestimmung.
Wenn die Krankheit es ist, die diese Selbstbestimmung eben nicht zulässt, so ist die Entscheidung deutlich stärker und dauerhaft richterlich zu ersetzen und muss immer wieder überprüft werden.
Gerade wenn es aber um Behandlungen gegen den Willen der Patienten mit gravierenden Auswirkungen geht, wie die Gabe von Psychopharmaka oder operative Eingriffe, hilft schon der Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention, um zu erkennen, dass den durch Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof je getroffenen Entscheidungen ein enger Rahmen gesetzt wurde. 2



Der Mensch ist frei und entscheidet gemäß seiner Einsichtsfähigkeit selbst, was für ihn gut und richtig ist und es gilt in Zukunft noch stärker, ohne unzulässigen Druck die Zustimmung der Betroffenen zum Maßstab zu machen.
Wir Sozialdemokraten haben uns besonders intensiv mit dem Thema befasst, haben auf Veranstaltungen mit Betroffenen gesprochen, haben uns über Einzelfälle informiert, haben mit Fachleuten verschiedener Disziplinen und sogar Journalisten gesprochen und auch im Ausschuss viele Positionen abgewogen und verglichen.
Wir wollen die Grundrechte Kranker stärken und schützen und die Patientinnen und Patienten zeitnah und umfassend über ihre Rechte aufklären und den Behandelnden Klarheit und Sicherheit geben. Der richtige Weg geht über die Transparenz und die Wahrung des Grundrechtes und das bedeutet ankündigen, überwachen, dokumentieren und unabhängig überprüfen durch unabhängige Sachverständige, ggf. Kommissionen, und der Respekt vor Patientenverfügungen.
Wenn die Not am größten ist und die Einsichtsfähigkeit am geringsten, dann muss die fachliche Eignung der Entscheider in Zukunft deutlich mehr Gewicht bekommen, das ist auch der Intervention unserer höchsten Gerichte geschuldet.
Eine weitere wichtige Anpassung im parlamentarischen Verfahren ist die Erweiterung der Beurlaubung auf bis zu sieben Tage. Dies ist für eine tragfähige Wiedereingliederung hilfreich.
Jede Form von Zwang, besonders bei wesensverändernden Behandlungen, muss verhältnismäßig sein und erfolgversprechend im Sinne der Würde und Selbstbestimmung sein. Niemand von uns möchte im Laufe einer fremdgesteuerten Psychopharmaka-Behandlung zum willenlosen Psycho-Zombie werden, aber niemand kann ernsthaft einer Verelendung, Ausgrenzung und Entfernung vom selbstbestimmten Leben durch psychische Krankheit zusehen, wenn Betroffene hilflos dahintreiben.
Und wenn das Gesetz, an dem wir über ein Jahr mit großem Engagement herumgeschraubt haben, noch immer nicht ausreicht, müssen wir nachsteuern. Aber das, was die FDP, die in vielen Sitzungen im Parlament und im Fachausschuss nichts beiträgt und keine Ideen entwickelt, jetzt in der Schlussrunde ohne Stellungnahmen durch Fachkompetenz noch einbringt, ist schon erstaunlich. 3



Wenn es um Leben und Tod geht und eine richterliche Entscheidung zu einer Unterbringung im Rahmen einer freiheitsbegrenzenden Maßnahme geführt hat und eine Videoüberwachung aufgrund des lebensgefährdenden Potentials erforderlich macht, dann wollen Sie ausgerechnet den Schlafraum, in dem das größte Gefährdungspotential in langen, einsamen Nächten vorliegt, ausklammern, Ihr Ernst? Sie wollen den Richtervorbehalt, der ohnehin bei mangelnder Einsichtsfähigkeit für die psychische Behandlung und die Unterbringung gilt, noch einmal für jede Einzelmaßnahme ergänzen? Wie weit soll das gehen?
Das Gespräch mit Rechtsanwälten wollen Sie jetzt plötzlich von der krankheitsbedingten Beobachtung ausnehmen? Was ist mit einem sexuell gestörten einsichtsunfähigen Straftäter, der sich plötzlich seine Anwältin vorknöpft und niemand sieht das? Das kann nicht Ihr Ernst sein!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, nach über einem Jahr Schweigen kommen Sie jetzt plötzlich mit diesem unausgereiften Antrag daher. Das macht uns Sozialdemokraten schon mehr als stutzig, noch dazu in dieser kontraproduktiven und unausgereiften Form. Wollen Sie uns auf der Ziellinie nochmal testen? Wir werden diesen Antrag ablehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das Psychisch-Kranken-Gesetz und das Maßregelvollzugsgesetz ist mit dieser Gesetzesnovelle ein Stück menschlicher und schützender geworden, aber nicht unfehlbar. Das kann ein derartiges Gesetz nicht leisten. Jeder auch noch so wichtige Eingriff muss so schwer wie möglich gemacht werden, wenn es im Kern um die Würde des Menschen geht, aber nicht unmöglich, dazu ist das Leben selbst wiederum zu wichtig.