Wir sollten uns regelmäßig die Frage stellen, wie unabhängig wir wirklich sind
Presseinformation Kiel, den 22. Januar 2015Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 3 Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Vertrauens in die Unabhängigkeit der Mitglieder des Landtages Drs. 18/608, 18/2504 „Abgeordnete sind unabhängig und handeln unabhängig. Eine Gesamtbetrachtung von beruflichem Werdegang und biografischen Daten zeigt dem Wähler viel mehr, aus welch einer Lebenswirklichkeit jemand kommt“Gut, dass wir uns die Frage nach unserer Unabhängigkeit stellen. Die Unabhängigkeitder Entscheidungen, die hier im Landtag getroffen werden, ist nämlich das Maß für dasVertrauen, dass die Bürgerinnen und Bürger in uns setzen. Darum bildet dieUnabhängigkeit die Grundlage für unsere Entscheidungen. Und deswegen sollten wirregelmäßig die Frage stellen, wie unabhängig wir wirklich sind. Das ist nicht leicht.Gerade gegenüber den Kolleginnen und Kollegen sollten wir Konflikte weder 2verschweigen noch schönreden. An dieser Stelle plädiere ich für Ehrlichkeit undFairness. Schließlich sind wir keine Entscheidungsautomaten, sondern Abgeordneteaus Fleisch und Blut. Wir sind alle geprägt von unserem beruflichen, familiären undbiografischen Hintergrund. Ich bin zum Beispiel Nordfriese: in Nordfriesland geboren,aufgewachsen und ich wohne dort noch immer. Selbstverständlich setze ich mich alsAbgeordneter für diese Region und seine Menschen ein. Das überrascht sicherlichniemanden. Diese Art der Abhängigkeit wird nicht nur allgemein akzeptiert, sondernist nach meinem Dafürhalten eine Säule unserer Demokratie: Abgeordnete sollen ihreeigene Meinung gar nicht einem objektiv bestimmbaren Gemeinwohl unterordnen.Unsere Demokratie lebt ja gerade vom Interessenausgleich. Entscheidungen im Sinneeines umfassenden Gemeinwohls kommen erst dadurch zustande, indem im Landtagverschiedene Regionen und Interessen repräsentiert sind. Wir müssen mit gutenArgumenten überzeugen und Interessen in Einklang bringen. Abgeordnete müssenalso nicht völlig unabhängig bzw. neutral sein, sondern sich um einenInteressenausgleich bemühen bis sie zu einer guten und vernünftigen Entscheidunggelangen. Alles andere wäre eine völlig lebensfremde Vorstellung.Wozu wir allerdings alle verpflichtet sind, ist die Offenlegung dessen, was unsereEntscheidungen beeinflusst. Das Schlüsselwort heißt Transparenz. Sie ist derKüstenkoalition ein wichtiges Anliegen, weil es Außenstehenden dieNachvollziehbarkeit von Entscheidungen ermöglicht und uns selbst ein Mittel derEigenkontrolle an die Hand gibt. Der Koalitionsvertrag sieht darum vor, zurAusweisung der Nebenverdienste von Abgeordneten eine neue und bessere Regelungals die derzeitige zu schaffen. Wir orientieren uns dabei an der Gesetzeslage, die derBundestag verabschiedet hat. Diese geht weit hinaus Nebenverdienste vonAbgeordneten eine neue und bessere Regelung als die derzeitige zu schaffen. Wir 3orientieren uns dabei an der Gesetzeslage, die der Bundestag verabschiedet hat. Diesegeht weit hinaus über das, was gemeinhin als Stimmenkauf verstanden wird. Es gehtnicht nur um die offene Bestechung, sondern um die Offenlegung von Abhängigkeiten.Nebeneinkünfte und Nebentätigkeiten beeinflussen nämlich politischeEntscheidungen und Sichtweisen. Darum müssen wir äußerst kritisch mit ihnenumgehen. Das schlägt sich nieder in dem was wir im Koalitionsvertrag vereinbarthaben. Der SSW lehnt den vorliegenden Antrag aber nicht nur deswegen ab, sondernmacht auch zwei schwerwiegende Einwände gegen ihn geltend:Erstens. Die zeitliche Inanspruchnahme des Abgeordneten soll nach den Vorstellungender Piraten detailliert aufgezeigt werden. So eine Art Stundenzettel für Abgeordnete.Davon einmal abgesehen, dass dieses Vorhaben rein praktisch an die Grenzen stößt,weil es uns erhebliche bürokratische Belastung auferlegt, ist dieses Vorhaben auchsachlich nur gut gemeint, aber eben nicht optimal umgesetzt. Die Piratenvernachlässigen nämlich die Qualitätsdimension. Qualität ist in der Politik das allesentscheidende und die Qualitätsermittlung Erfolg in einer Demokratie durch Wahlen.Mancher mag sich von Jahresabschlussstatistiken blenden lassen. Aber dieWählergunst ist eben gerade unabhängig von der Zahl der Gesetzentwürfe, 5-Minuten-Beiträge und Kleinen Anfragen. Die Wählerinnen und Wähler orientieren sich nämlichan der Qualität parlamentarischen Initiativen. Genau die bildet ein Stundenzettelüberhaupt nicht ab. Was nützt ein in wochenlanger Fleißarbeit erarbeiteterGesetzentwurf, wenn er sinnfrei ist? Dann doch lieber eine Qualitätsorientierung, diedurch Wahlen entschieden wird.Zweitens. Die Cent-genaue Abrechnung von Einzeleinkünften und Gewinnentnahmen.Wenn wir im Parlament nur noch Beamte haben wollen, die nach einer verlorenenWahl eine Rückkehrgarantie auf ihren Arbeitsplatz haben, dann sollten wir tatsächlich 4alle wirtschaftlichen Tätigkeiten schonungslos offenlegen und damit unterbinden.Wenn wir aber der Vielfalt der Gesellschaft auch weiterhin den Zugang zum Parlamentermöglichen wollen, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass die wirtschaftlichenBande bis zu einem gewissen Grad bestehen bleiben können. Das gilt zum Beispiel fürden Geschäftsführer eines Unternehmens oder eine Anwältin. Ich habe durchausVerständnis dafür, dass manche Kolleginnen und Kollegen auch weiterhinNebentätigkeiten aufrechterhalten, die ihnen eine Rückkehr in den Beruf ermöglichen.Das hat auch etwas mit innerer Unabhängigkeit zu tun. Wer allerdings alleGewinnentnahmen und dessen Entwicklung offenlegen muss, spielt der Konkurrenz indie Hände. Die weiß dann zum Beispiel genau, wann es Probleme im Betrieb gibt.Damit erlangt nicht nur der Abgeordnete einen handfesten wirtschaftlichen Nachteil,sondern damit werden auch noch die Arbeitsplätze in diesem Unternehmen gefährdet.Das wollen wir nicht. Die Stufenregelung, die der Bundestag vorgelegt hat, ist inmeinen Augen ein guter Kompromiss, weil es die Nebeneinkünfte offenlegt, ohne diegenaue Höhe vorzugeben.Wir werden die Unabhängigkeit der Abgeordneten in Zukunft sicherlich noch einmaldebattieren. Für uns gilt der Grundsatz, dass Abgeordnete sich eben gerade nicht vonvermeintlichen Abhängigkeiten in ihren Entscheidungen leiten lassen – sie sindunabhängig und handeln unabhängig. Vielmehr zeigt eine Gesamtbetrachtung vonberuflichem Werdegang und biografischen Daten dem Wähler viel mehr, aus welcheiner Lebenswirklichkeit jemand kommt. Die Offenlegung von Geburtsdatum,Herkunft, beruflichen Werdegang und ehrenamtlichem Engagement, zeigt viel eher,was möglicherweise handlungsleitend für einen Abgeordneten ist als dieVeröffentlichung von Einkommensdaten.