Wolfgang Kubicki zu TOP 13, 14 und 19 (Ablehnung jeder Form des Extremismus): Es geht um die Verteidigung unserer Freiheit
FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1
Presseinformation Es gilt das gesprochene Wort!
Sperrfrist Redebeginn Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Christopher Vogt, MdL Nr. 013 / 2015 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Kiel, Mittwoch, 21. Januar 2015
Innen / Extremismus
www.fdp-fraktion-sh.de Wolfgang Kubicki: Es geht um die Verteidigung unserer Freiheit In seiner Rede zu TOP 13, 14 und 19 (Ablehnung jeder Form des Extre- mismus) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Ku- bicki:
„Der 7. Januar 2015 steht leider in einer traurigen Reihe mit Daten wie der 11. September 2001, der 11. März 2004 oder der 7. Juli 2005. An jedem dieser Tage wurden von islamistischen Extremisten blutige Angriffe auf die Freiheit der westlichen Gesellschaften verübt.
Die Terrorakte von New York, Madrid, London – und jetzt Paris – waren bru- tale Attacken auf unsere grundlegenden gesellschaftlichen Errungenschaf- ten. Es waren somit auch Angriffe - auf unsere Freiheit zu wählen, - auf die Freiheit der Kultur, Wissenschaft und Forschung, - auf die Freiheit der Presse, - auf die Freiheit des individuellen Lebensentwurfes, und ja: - es waren auch Angriffe auf die von uns gelebte Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Denn das Frauenbild, dass die islamistischen Terroristen der Taliban oder des ‚Islamischen Staates‘ im Kopf haben, wenn sie ihre gesellschaftlichen Vorstellungen herbeibomben wollen, hat nicht einmal im Entferntesten et- was mit Gleichberechtigung zu tun. Es ist vielmehr ein Weltbild der Unter- drückung, und unsere freie Gesellschaft ist das genaue Gegenbild dessen, was die Terroristen für richtig halten.
Die Angriffe von New York, Madrid, London und jetzt Paris sollten also ge- nau den freiheitlichen Geist treffen, den wir tagtäglich leben und der uns ausmacht. Es waren Anschläge auf unsere Vergangenheit, unsere Gegen- wart und auf unsere Zukunft. Es waren Anschläge auf uns alle. Dagegen müssen wir uns wehren, es ist unsere demokratische Pflicht.
Die Frage, um die es hier geht, ist nur: Wie wehren wir uns richtig?
Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 2
Die politisch Verantwortlichen in Deutschland, aber auch in anderen vom Terror betroffenen Staaten haben in der Vergangenheit viele, immer wieder schwierige Entscheidungen treffen müssen. In nicht wenigen Fällen sind diese Entscheidungen falsch gewesen oder haben am Ende für den demo- kratischen Rechtsstaat mehr Schaden angerichtet als dass sie Nutzen ge- bracht haben.
Es wurden zur Vermeidung von Terrorakten Grundrechte außer Kraft ge- setzt. Es wurde überlegt, bei Flugzeugentführungen unschuldige Menschen zu opfern, um mehr unschuldige Menschenleben zu schützen. Und der jüngste CIA-Bericht brachte es zutage: Es wurde sogar im Namen der Frei- heit grausam gefoltert und getötet.
Wir haben schmerzhaft lernen müssen, dass der demokratische und frei- heitliche Rechtsstaat zu weit gehen kann, wenn es darum geht, seine Frei- heit mit allen Mitteln zu schützen. Und wir mussten feststellen, dass der Versuch, unsere Freiheit mit allen Mitteln zu schützen, auch dazu führen kann, dass wir am Ende viel zu viel Freiheit einbüßen mussten. Die Angst vor einer abstrakten Gefahr hat viele falsche und sogar verfassungswidrige politische Entscheidungen erleichtert und begünstigt.
Vor diesem Hintergrund stehen wir alle jetzt – nach den Pariser Anschlägen – an einem wichtigen Scheidepunkt: Wir müssen in den kommenden Mona- ten beweisen, dass wir weder dem Terrorismus noch der Angst vor dem Terrorismus einen Fuß breit weichen.
Unsere Antwort auf die Terrorattacken darf also nicht Repression oder Be- schränkung lauten. Sie darf ebenso wenig Zurückweichen oder freiheitlicher Relativismus heißen. Unsere Grundwerte müssen wir in beide Richtungen selbstbewusst und furchtlos verteidigen.
In diesem Zusammenhang ist es ganz offensichtlich, dass politische Forde- rungen, die im Lichte des Pariser Terroraktes erhoben worden sind, wenig hilfreich sind.
Ich sage es ganz deutlich: Wenn die Bundeskanzlerin die erstbeste Chance ergreift, um mithilfe des Bundesinnenministers die Einführung der Vorrats- datenspeicherung zu fordern, dann ist das in meinen Augen unverantwort- lich. Denn obwohl es die Beschlusslage des Koalitionsvertrages ist, muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Pariser Angriffe für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert.
Und es irritiert nicht nur die Art und Weise, wie in dieser Situation die Ver- unsicherung der Menschen aufgegriffen werden soll, diese Forderung ist auch sachlich zutiefst falsch. Denn die Vorratsdatenspeicherung, die es in Frankreich seit 2006 gibt, hat die Anschläge eben nicht verhindert. Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, dass die Verschärfung von Gesetzen nur ei- ne größere Scheinsicherheit bringt.
Um dem Terrorismus das Wasser abzugraben, brauchen wir nicht immer mehr und immer schärfere Gesetze. Wir brauchen mehr Personal bei den Sicherheitsbehörden, um die Daten, auf die wir jetzt schon ohne Vorratsda- tenspeicherung zugreifen können, besser, effizienter und schneller auswer- ten zu können. Wenn wir diejenigen 1.600 Kräfte, die jetzt für die Überprü- fung des Mindestlohns eingestellt werden, für die Terrorismusbekämpfung einsetzen würden, wären wir einen großen Schritt weiter. Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 3
Unsere Erfahrungen mit dieser Form des Terrorismus haben es gezeigt: Es lag meistens nicht daran, dass wir zu wenig geheimdienstliche Informatio- nen über anstehende Terroranschläge hatten. Es lag – wie in Frankreich auch – daran, dass wir zu wenig Personal hatten, das diese Daten einzu- ordnen wusste.
Wer also – jetzt, in dieser Situation – einer größeren und hemmungsloseren Datenerhebung das Wort redet, hat entweder keine Ahnung oder verkauft die Menschen ganz bewusst für dumm. Mit anlassloser Vorratsdatenspei- cherung verteidigt man nicht die Freiheit, mit anlassloser Vorratsdatenspei- cherung schränkt man sie ein. Denn eine Gesellschaft, in der alle Kommu- nikationsdaten gespeichert werden, verändert ihr Kommunikationsverhalten.
Wenn wir über die Verteidigung der Freiheit sprechen, dürfen wir nicht ver- gessen, dass wir als Demokraten die Freiheit Andersdenkender in jeder Si- tuation bewahren müssen, gleichgültig, ob wir die politische Zielrichtung richtig finden oder nicht. Wenn also in Dresden Zehntausende friedlich auf die Straßen gehen, weil sie eine bestimmte Angst treibt, dann hilft es nicht, wenn diese Menschen für diese Ängste undifferenziert beschimpft werden. Und diese Ängste sind auch dann nicht mehr als ‚Randphänomen’ zu be- zeichnen, wenn sich in Umfragen mehr als die Hälfte der Befragten mehr oder weniger zu diesen Ängsten bekennt.
Wir als Demokraten stehen deshalb auch bei ‚Pegida’ in der Pflicht, nicht auszugrenzen, sondern den Rattenfängern und Extremisten mit Argumen- ten das Wasser abzugraben. Mögen die Befürchtungen der Menschen noch so weltfremd oder hysterisch sein: Extremisten sind der überwiegende Teil dieser Menschen nicht.
Wer versucht, diese Menschen mit verbalen Prügeln zur Ordnung zu rufen, wird bald merken müssen, dass sich die Frustration andere Bahnen suchen wird. Es ist also ein demokratisches Gebot, dass wir die Befürchtungen auf- nehmen. Denn eine Verkapselung des Problems wird früher oder später da- zu führen, dass die Eruptionen für unser demokratisches Gefüge stärker ausfallen als uns lieb sein kann.
Deshalb hilft es überhaupt nichts, in dieser Frage eine politische Kampflinie zu ziehen. Die Ängste gründen vielleicht nur auf einem diffusen Gefühl. Ängste sind es trotzdem.
Vor diesem Hintergrund bin ich dem Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er sich in einem Interview gegenüber dpa Mitte Dezember sehr abgewogen und differenziert zu den Demonstrationen geäußert hat, die unter der Be- zeichnung ‚Pegida‘ jeden Montag in Dresden stattfinden. Hierfür danke ich Ihnen ausdrücklich, Herr Ministerpräsident!
Die Absage für die jüngste Pegida-Demonstration und die Gegendemonst- ration wird möglicherweise noch politische Folgen haben. Der fatale Ein- druck drängt sich auf, dass es sich um ein politisch motiviertes Verbot ge- handelt haben könnte. Sollte sich herausstellen, dass das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit auf dem Altar politischer Wünsche geopfert wird, dann steuern wir langsam aber sicher in Richtung einer ‚gelenkten Demo- kratie’.
Denn dann entscheidet die jeweilige politische Führung, welche Demonstra- tion ‚gut’ oder ‚richtig’ ist, und welche nicht. Auch wenn wir die Ziele und Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 4 Forderungen von Pegida für grundfalsch halten: Gegen Demonstrationsver- bote müssen wir uns wehren.
Voltaire sagte den in den vergangenen Tagen häufig zitierten Satz:
‚Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür ein- setzen, dass du es sagen darfst.’
Mehr kann man zur Freiheit in unserer Demokratie nicht sagen.
Und ich bin wirklich froh, dass wir bei allem gelegentlich auch heftigen Streit in Grundfragen unseres demokratischen Miteinanders in diesem Haus zu einer gemeinsamen Entschließung zusammengefunden haben.“
Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de