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21.01.15
10:27 Uhr
SPD

Dr. Ralf Stegner zu TOP 13, 14 + 19: Je suis Charlie

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 21. Januar 2015


TOP 13, 14 + 19: Anträge zur Verteidigung freiheitlich-demokratischer Grundwerte, zur Ablehnung jeder Form von Extremismus und Gewalt und für ein buntes und weltoffenes Deutschland



Dr. Ralf Stegner
Je suis Charlie

Es ist ein trauriger Anlass, aus dem wir die heutige Plenartagung mit einer Schweigeminute für die Opfer terroristischer Gewalt in den vergangenen Wochen begonnen haben. Ich bin froh, dass wir sie mit einem klaren Bekenntnis des schleswig-holsteinischen Landtags zu einer friedlichen, weltoffenen und vielfältigen Gesellschaft fortsetzen werden.

Gemeinsam trauern wir um alle Opfer von Gewalt. Unser besonderes Mitgefühl gilt in diesen Tagen den Opfern und Angehörigen der grausamen Attentate gegen die Redaktion der französischen Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“, den Supermarkt für koschere Lebensmittel in Paris und des ermordeten Polizisten. Es waren einmal mehr Akte terroristischer Gewalt, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Gewalt ist nie richtig oder akzeptabel, egal auf welches Ziel, welche Ideologie, welche Religion oder Weltanschauung die Täter sich auch berufen mögen.

Gewalttaten, die wir zutiefst verurteilen. Gewalttaten, gerichtet gegen die Grundrechte unserer Demokratie und den freien Rechtsstaat. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, aber auch Demonstrationsfreiheit gehören zu den Grundfesten unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. Sie sind das Erbe der Aufklärung, das wir uns von niemandem streitig machen lassen. 2



„Je suis Charlie“ ist in den vergangenen Tagen zu einer festen Formel für dieses Verständnis geworden. Die gilt übrigens völlig unabhängig davon, ob einem jede Karikatur gefällt, das ist Teil unseres Verständnisses von Pressefreiheit.

Mit großer Sorge beobachte ich aber auch Entwicklungen in Deutschland, die seit einigen Wochen die Debatte über unser Zusammenleben beherrschen. Menschen, die seit einigen Wochen auf unsere Straßen gehen und Flüchtlinge, Zuwanderer und Muslime für Ängste und Sorgen in der Bevölkerung verantwortlich machen. Niemand sollte versuchen, politisches Kapital aus den Ereignissen in Paris zu schlagen. Ebenso wenig ist es richtig, den Islam für die Gewalt verantwortlich zu machen. Es gibt keine Entschuldigung dafür, durch Ausgrenzung, Intoleranz oder Hass andere Menschen für tatsächliche oder vermeintliche Missstände verantwortlich zu machen. Die Welt ist sehr viel komplexer, als es uns „PEGIDA“ und Co. glauben machen wollen, als es Rechtspopulisten oder andere erzählen. (Europafeindliche) AfD hetzt gegen den Euro, eigentliche Abkürzung: Arbeitslosigkeit für Deutschland. Gauland: Zeichen für Islamisierung, dass Demos in Dresden nach konkreten Anschlagsdrohungen verboten werden mussten.

Ich meine daher auch, dass die Demonstrationen der so genannten „PEGIDA“, die für Intoleranz, Islamfeindlichkeit und rechtspopulistische Stimmungsmache stehen, keinen Dialog verdienen, sondern eine deutliche Abgrenzung. Wer heute Parolen und Fahnen „nieder mit der Lügenpresse“ hinterher läuft und am nächsten Tag schwarze Binden trägt für ermordete Journalisten, ist nicht glaubwürdig.

Man muss Augen, Ohren und Nase geschlossen haben, um bei diesen Demos nicht zu merken, dass hier von rechts für Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz demonstriert wird. An dieser Stelle sind wir – die demokratischen Parteien - gemeinsam gefragt. Wir dürfen nicht zulassen, dass die schrecklichen Vorfälle von Paris jetzt instrumentalisiert werden, um weiter Unruhe in Deutschland zu schüren – gegen Migranten, gegen Flüchtlinge, gegen Muslime. Es gilt ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Solidarität übrigens auch gegenüber anderen Opfern 3



von Terror und Gewalt außerhalb Europas. Ich denke an die grausamen Nachrichten, die uns nahezu täglich aus dem Jemen, dem Irak, Nigeria oder Syrien erreichen. Diese Solidarität zeigen wir auch dadurch, indem wir Flüchtlinge willkommen heißen und sie menschenwürdig behandeln. Artikel 1 unseres Grundgesetzes gilt für alle Menschen!

Wer dieses furchtbare Ereignis für Hetze instrumentalisiert, verhöhnt die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Der Respekt vor den Opfern und das Mitgefühl mit Angehörigen und Freunden verbietet es, diese feige Mordtat als etwas anderes zu betrachten als das, was sie ist: Eine durch nichts zu rechtfertigende und für nichts legitimierende Gewalt von Tätern, deren konsequente Verfolgung und Bestrafung erste Priorität haben muss!

Es überrascht nicht, dass die Terroranschläge von Paris in Deutschland und andernorts eine Diskussion über neue Sicherheitsgesetze ausgelöst haben. Ich möchte eindringlich davor warnen, diese Debatte übereilt zu führen. Im Gegenteil, wir sollten sie mit viel Augenmaß für den manchmal sehr schwierigen Spagat zwischen Freiheits- und Bürgerrechten auf der einen und Sicherheitsbelangen auf der anderen Seite führen.

Beides gilt es so in Einklang zu bringen, dass sie sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern einander bedingen. Wer die Freiheitsrechte über die Maßen einschränkt, um Sicherheit zu erreichen, verliert am Ende beides. Gerade in Tagen wie diesen möchte ich den Satz des ehe- maligen norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg zitieren, der nach den fürchterlichen Anschläge im Sommer 2011 sagte: „Unsere Antwort ist mehr Demokratie. Mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit". Allerdings ohne Naivität, wie Jens Stoltenberg hinzufügte. Das war mutig, das war klug und das war vorbildlich auch für uns.

Vor diesem Hintergrund sollten wir uns auch hüten, vorschnelle Schlussfolgerungen zu ziehen und unsere Freiheit zu beschneiden. Natürlich gehört Sicherheit dazu. Aber komplette Sicherheit 4



wird es nie geben, das gehört zur Wahrheit dazu. Und nicht alles, was dem einen oder anderen wünschenswert erscheint, ist überhaupt in einem Rechtsstaat machbar. Vorratsspeicherung (Anlasslos und massenhaft – Grundrechte vereinbar)

Wir können stolz sein auf das Klima des gesellschaftlichen Zusammenhalts in unserem Land. Damit meine ich nicht, dass bei uns alles eitel Sonnenschein wäre. Geschehnisse wie in Grabau erschrecken und verunsichern; Alltagsrassismus begegnet uns auch in Schleswig-Holstein.

Was bleibt, ist aber doch der feste Eindruck, dass die Zahl derjenigen, die sich für ein Schleswig- Holstein der Vielfalt und des sozialen Miteinanders einsetzen, unendlich groß ist. Diesen zivilgesellschaftlichen Einsatz für Demokratie, Freiheit und Toleranz sowie die vielfältige ehrenamtliche Arbeit im Sinne einer guten Willkommenskultur begrüßen wir ausdrücklich und danken allen, die daran teilhaben. Es ist ein gutes Zeichen, dass deutschlandweit so viel mehr Menschen für Toleranz und Humanität auf die Straße gehen als dagegen. Und das wiederum ist eine wirklich gute Nachricht.