Flemming Meyer: Die Demokratie muss lernfähig sein, Fehler eingestehen und korrigieren
Presseinformation Kiel, den 11. 12. 2014Es gilt das gesprochene WortFlemming Meyer TOP 12 Rehabilitierung verurteilter homosexueller Menschen Drs. 18/2329Ziel des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes ist „Benachteiligungen aus Gründen der Rasseoder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einerBehinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ (§ 1) Biszu dieser klaren Formulierung war es ein weiter Weg in Deutschland. Wir haben endlich einklares gesetzliches Diskriminierungsverbot, das auch Arbeitgeber und Vermieter umfasst. Diestatsächliche und allgemeine Umsetzung des Toleranzgebot steht aus, so lange auf unserenSchulhöfen das Wort schwul die Liste der bösartigen Schimpfwörter anführt.Schwule und Lesben werden nach wie vor diskriminiert, aus der Wohnung geschmissen,geschmäht und am beruflichen Aufstieg behindert. So sollte ein schwuler Mitarbeiter nach derAnordnung seines Filialleiters in einem Supermarkt eine Frauenbluse tragen. Dieser und andereFälle sind im aktuellen Bericht der Antidiskriminierungsstelle nachzulesen. Dort werden in jedemJahr zwischen 70 und 80 Diskriminierungsfälle von Schwulen und Lesben vorgebracht. Diemeisten Fälle werden nicht öffentlich, weil die Opfer keine Hetzjagd riskieren wollten.So sieht die gesellschaftliche Realität aus. 2Und es sind nicht immer die Anderen, die diskriminieren, sondern auch der Gesetzgeber ist davonnicht frei. Die Bundesrepublik hat bis zur Strafrechtsreform 1969 eine ganze Generation vonMännern, die Männer liebten, um ihr Lebensglück betrogen. Sie hat die Liebesbeziehung derSchwulen und Lesben kriminalisiert und beschmutzt. In der DDR sah es genauso aus, dassSchwule und Lesben verfolgt und verurteilt wurden.Die Diskriminierung geht weiter. Denn die Gesetze gelten zwar nicht, wirken aber weiter. DieMenschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität verurteilt wurden, erhalten nämlich keineEntschädigung – es sei denn, die Verurteilung lag in der Zeit des Nationalsozialismus. Dasdemokratische Deutschland verweigert bislang eine Entschädigung uns schafft eineZweiklassen-Diskriminierung. Das ist ein unerträglicher Zustand, der umgehend behobenwerden muss.Die Urteile müssen rückwirkend aufgehoben werden und Entschädigungsansprüche umgehendgeprüft und anerkannt werden. Das ist inzwischen allgemein anerkannt und durch einenBeschluss des Bundesrates auch festgelegt. Der stammt allerdings aus dem Oktober 2012.Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der lange zeitliche Vorlauf, mit dem wir es zutun haben, voll beabsichtigt ist – um die Ansprüche zu verkleinern. Schließlich sterben jedes JahrBerechtigte und können ihre Ansprüche nicht mehr durchsetzen. Seit dem Beschluss desBundesrates sind auch schon wieder zwei Jahre ins Land gegangen.Wir lassen die Opfer hängen. Das ist für eine Demokratie einfach unwürdig.Aber es geht auch noch um etwas anderes. Das Unrecht von damals muss aufgearbeitet werden,damit auch heutige Generationen erkennen, dass Demokratie lernfähig ist und bereit ist, Fehlereinzugestehen und zu korrigieren. Wie sollen wir glaubwürdig bleiben, wenn wir Toleranz alsBildungsauftrag verstehen, aber sie selbst nicht umsetzen? Diese Urteile waren falsch undmüssen darum aufgehoben werden.Seit einem Jahr gehört Schleswig-Holstein zur Koalition gegen Diskriminierung an. Das war einbewusster Schritt. Wir haben uns verpflichtet, gemeinsam gegen Diskriminierung anzugehen.Der SSW ist davon überzeugt, dass der vorliegende Vorstoß dieses Ziel tatkräftig umsetzen wird. 3Der Schutz vor Diskriminierung beinhaltet im Falle der Schwulen und Lesben nämlich dieunverzügliche Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 Verurteilten.