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12.11.14
15:09 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki zu TOP 1A (Regierungserklärung): Das Land verlangt seit zweieinhalb Jahren nach politischer Führung

FDP-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Es gilt das gesprochene Wort!
Sperrfrist Redebeginn Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Christopher Vogt, MdL Nr. 443 / 2014 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Kiel, Mittwoch, 12. November 2014

Regierungserklärung / Halbzeitbilanz



www.fdp-fraktion-sh.de Wolfgang Kubicki: Das Land verlangt seit zweieinhalb Jahren nach politischer Führung In seiner Rede zu TOP 1A (Regierungserklärung) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:
„Herr Ministerpräsident, zunächst einmal darf ich Sie zu dieser Regie- rungserklärung ganz herzlich beglückwünschen. Ich muss anerken- nen, dass Sie mal wieder den ernsthaften Versuch unternommen ha- ben, mit einer blumig-pastoralen Rede von den eigentlichen Proble- men im Land abzulenken.
Geschafft haben Sie es allerdings nicht. Das war leider eine Rede auf Pepita-Niveau – viele kleine Punkte, keine großen Linien.
Grundsätzlich war auch meine Fraktion der Auffassung, dass die Menschen in Schleswig-Holstein eine klare Richtungsweisung vom Ministerpräsidenten nach den vergangenen turbulenten Wochen und Monaten verdient hatten.
Das Dumme dabei ist nur: Erstens hat Ihre Regierungserklärung die- se Richtung nicht vorgegeben. Und zweitens kommt sie grundsätzlich zwei Monate zu spät.
Sie hätten direkt nach den Rücktritten der Minister Wende und Breit- ner die Möglichkeit – ja, vielmehr die Pflicht – gehabt, der schleswig- holsteinischen Öffentlichkeit zu erklären, wie Sie den weiteren Weg bis 2017 gestalten wollen.
Dass Sie das nicht sofort getan haben, war ein schwerer Fehler. Und das wissen Sie auch.
Denn mittlerweile wissen wir alle, wie sehr die Unklarheit über den künftigen Kurs dieser Landesregierung unter der Oberfläche ge- Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 2 schwelt hat. Der Vertrauensverlust, den Sie bei den Menschen in Schleswig-Holstein erleiden mussten, ist erheblich. Laut NDR- Umfrage sind Sie der unbeliebteste Ministerpräsident Deutschlands. Es ist offensichtlich: Die Menschen im Land sind Ihre Art zu Regieren leid.
Für die Menschen wird immer unklarer, - wofür ihr Ministerpräsident eigentlich steht, - welche politischen Ziele er verfolgt und - wie er Schleswig-Holstein wirtschaftlich, bildungspolitisch oder auch verkehrspolitisch nach vorne bringen will.
Da sehen die Menschen bei Ihnen keine Ideen, keine Ziele, keinen Esprit. Die Menschen sehen bei Ihnen ganz viel Nichts. Und nach dieser Regierungserklärung ist es offensichtlich: Vollkommen zu Recht!
Herr Ministerpräsident, an Erkenntnis mangelt es Ihnen ja grundsätz- lich nicht. Sie haben hier mehrfach erklärt,
- dass wir eine starke Wirtschaft im Land brauchen und - dass wir unseren wirtschaftlichen Rückstand gegenüber den an- deren westdeutschen Flächenländern aufholen müssen, um auch sozialpolitisch nicht dauerhaft abgehängt zu werden.
In Ihrer Regierungserklärung finden wir dazu übrigens kein einziges Wort. Aber noch im vergangenen Jahr – am 29. Mai 2013 – erklärten Sie hierzu in diesem Hohen Hause feierlich:
‚Ziel dieser Regierung ist es, Schleswig-Holstein zu einem Land zu machen, das durch mehr nachhaltiges Wachstum auch mit anderen Ländern in Deutschland gleichzieht, das wirtschaftlich und sozial besser dasteht als heute, das damit auch seinen Haushalt besser konsolidieren kann als heute. Diesen Erfolg wollen wir, und diesen Erfolg braucht Schleswig-Holstein für eine gelingende Zukunft, weil ein Mehr an Wirtschaftskraft auch ein Mehr an sozialer Teilhabe er- möglicht.’
Mit anderen Worten: Sie haben damals angekündigt, es anders zu machen als die schleswig-holsteinische SPD der Vergangenheit, die seit 1990 – in immerhin 22 Jahren Regierungsbeteiligung – dafür ge- sorgt hat, dass Schleswig-Holstein wirtschaftspolitisch die rote Later- ne fest in den Händen hält.
Und was haben sie getan? Sie haben mit dem bürokratischen Geset- zestrio aus Mindestlohngesetz, Korruptionsregister und Tariftreuege- setz für die wirtschaftsfeindlichste Atmosphäre aller Bundesländer gesorgt.
Und da müssen die Unternehmer im Lande es tatsächlich als Hohn empfinden, dass sie dieses Gesetz heute auch noch als wirtschafts- freundlich verkaufen. Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 3
Fakt ist: Sie haben die wirtschaftliche Situation in unserem Land nicht besser, Sie haben sie noch viel schlimmer gemacht. Sie haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren dafür gesorgt, dass die Wachs- tumslücke zwischen Schleswig-Holstein und dem Rest der Republik künftig größer und nicht kleiner wird.
Das ist die Bilanz von zweieinhalb Jahren Rot-Grün-Blau! Ihre sal- bungsvollen Worte ändern daran auch nichts.
Ein weiteres Beispiel: In derselben Rede kamen Sie auf die Situation der Infrastruktur in Schleswig-Holstein zu sprechen. Hier sagten Sie richtigerweise:
‚[W]er Straßen kaputtspart, riskiert nicht nur, dass Amazon seine Pa- kete nicht mehr ausliefern kann. Damit würgen wir unsere gesamte Wirtschaft ab, wenn wir wie bisher unsere bestehende Infrastruktur verkommen lassen.’
Und auch hier kündigten Sie an, es anders zu machen als Ihre sozi- aldemokratischen Vorgänger, die es innerhalb von 22 Regierungsjah- ren fast im Alleingang geschafft haben, über 50 Prozent der Landes- straßen mehr oder weniger sanierungsbedürftig werden zu lassen.
Und was macht Ihr Verkehrsminister? Er steckt nicht nur insgesamt viel zu wenig Geld in den Verkehrsetat. Bei den kommunalen Infra- strukturmaßnahmen schichtet Minister Meyer außerdem Bundesmittel in Höhe von fast 7,5 Millionen Euro zulasten des kommunalen Stra- ßenbaus um.
Mit anderen Worten: Sie lassen die Infrastruktur in unserem Land verkommen – niemand anderes.
Sie sorgen damit dafür, dass unsere Wirtschaft abgewürgt wird – niemand anderes.
Und wenn Sie in Ihrer Rede heute den zentralen Wert von Investitio- nen hochhalten, dann müssen wir uns schon fragen, wo Sie waren, als der Haushaltsentwurf oder die Nachschiebeliste vom Kabinett be- schlossen wurden. Wenn Sie dabei gewesen wären, dann hätten Sie doch diesem Haushalt nicht zustimmen können!
Und was die Investitionen in die Straßen betrifft, wende ich mich aus- drücklich an Sie, Herr Verkehrsminister Meyer: Langsam haben es die Menschen in Schleswig-Holstein satt, dass Sie die Schuld für den verkehrspolitischen Stillstand ständig bei anderen suchen. Andauernd hören wir von Ihnen, ‚die CDU’, ‚Herr Dobrindt’ oder ‚Berlin’ seien da- ran schuld, dass es nicht vorangeht. Ihr Zeigefinger muss Ihnen ja schon wehtun – so häufig weisen Sie die Schuld von sich.


Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 4 Fakt ist: Schleswig-Holstein hat derzeit kein einziges baureifes Pro- jekt, das mit Bundesmitteln finanziert werden kann. Daran haben auch Sie innerhalb von zweieinhalb Jahren nichts geändert.
Wie lange wollen Sie - sich noch beklagen, - andere beschuldigen und - sich wegducken?
Noch weitere zweieinhalb Jahre?
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Je länger der Zustand andauert, dass Sie im Bereich der Verkehrspolitik keine Erfolge vorweisen können, umso weniger können Sie sich der Öffentlichkeit als der große Ma- cher präsentieren. Ihr mühsam aufgebautes Image bekommt immer mehr Schlagseite.
Herr Meyer, passen Sie auf, dass Sie nicht dort enden, wo Sie Ihre CDU-Vorgänger jetzt schon sehen.
Der Landesrechnungshof hat in seiner jüngsten Stellungnahme zum Haushalt nur allzu deutlich gemacht, woran Schleswig-Holstein der- zeit unter Torsten Albig krankt. Der LRH schrieb – für jeden nachles- bar in Umdruck 18/3554, auf Seite 9:
‚Die Landesregierung hält sich bei der Veranschlagung der Ausgaben für die laufende Bauunterhaltung nicht einmal an ihre eigenen Vorga- ben. Sie überrollt die bereits gekürzten Ansätze des Haushaltsjahres 2012, anstatt für 2015 die notwendigen Bauunterhaltungsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Ausgaben für die Unterhaltung von Straßen und Gebäuden gehen gegenüber 2014 von 20,8 auf 20 Mio. € zurück. Folge unterlassener Instandhaltung sind zunehmende Grundinstand- setzungen, der weitere Verfall von Straßen und Gebäuden und damit eine zusätzliche Belastung künftiger Generationen (…).’
Laut Artikel 29 Absatz 1 Landesverfassung bestimmt der Ministerprä- sident
‚die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.’
Herr Ministerpräsident, - Sie tragen die Verantwortung für diese zukunftsvernichtende Poli- tik. - Sie lasten den jungen Menschen durch die ausbleibenden Investi- tionen so viele Probleme auf, dass sie politisch nicht mehr hand- lungsfähig sein werden. - Sie nehmen der jungen Generation in Schleswig-Holstein weitere Zukunftsperspektiven.
Obwohl Sie wissen, dass die Investitionsquote viel zu niedrig ist, tun Sie nichts, um dieses Problem zu lösen. Diese Investitionsquote von 7,1 Prozent ist das in einen Landeshaushalt gegossene Schulterzu- Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 5 cken Ihrer Regierung. Es ist ein erschütterndes Dokument zukunfts- politischer Ignoranz.
Ich habe ja verstanden, dass wir uns schon fast dankbar dafür sein sollten, dass Sie den enormen Kraftakt geschafft haben, die Investiti- onsquote von 6,7 auf stolze 7,1 Prozent zu heben! Das ist immer noch der schlechteste Wert aller Zeiten! Und Sie feiern sich dafür! Erwarten Sie hierfür ernsthaft Applaus?
Ihr Landesstraßenzustandsbericht hat es doch glasklar offenbart: Weil wir in den vergangenen 24 Jahren 280 Millionen Euro zu wenig in die Landesstraßen investiert haben, haben wir jetzt einen Schaden von 900 Millionen Euro. Hätten wir die verhältnismäßig geringe Summe von 11,6 Millionen Euro pro Jahr eingesetzt, hätten wir also eine fast Milliarde gespart. Durch diese Unterlassungen lassen wir unsere Kinder dreifach bezahlen.
Wer in Sonntagsreden ständig über Nachhaltigkeit spricht, aber im praktischen Regierungshandeln Zukunftschancen für die jungen Menschen abbaut, der redet nur von Zukunft, der handelt aber nicht zukunftsgerecht.
Wer aber eine derart klaffende Lücke zwischen Ankündigung und Tat entstehen lässt, ist als Ministerpräsident für Schleswig-Holstein un- geeignet!
Wir haben ja schon mit der Einbringung des Landeshaushaltes er- kennen können, dass dem Ministerpräsidenten die eigene Repräsen- tation deutlich wichtiger ist als zukunftsgerichtete Investitionen. Vor diesem Hintergrund drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass das Leben in der Staatskanzlei offenbar manch einen dazu verleitet, Realität nur noch in homöopathischen Dosen zu genießen.
Wer die Welt nur aus seinem ganz persönlichen Blickwinkel betrach- tet, der fasst Kritik an seiner Amtsführung auch als Majestätsbeleidi- gung auf.
- So waren die Beamten-Demonstrationen gegen die Besoldungs- pläne dieser Regierung im Frühjahr 2013 ein ‚Akt der Illoyalität’. - Plakate, auf denen Kritik an den Lehrerbildungsplänen geübt wurde, waren ‚dumm’ und ‚töricht’. - Die Kritik der Opposition in der Causa Wende war ‚Geschrei und Gekläff’.
Herr Ministerpräsident, so redet nur jemand, der seine geschichtliche Bedeutung gnadenlos überschätzt. So redet nur jemand, der die Eig- nung für das Amt des Ministerpräsidenten nicht hat.
Dass diese drei rhetorischen Entgleisungen keine lässlichen Sünden waren, zeigte sich nicht zuletzt bei der Diskussion über den neuen Ressortzuschnitt im Bereich ‚Wissenschaft’.
Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 6 Ein Beispiel: Im ‚Schleswig-Holstein Magazin’ vom 19. September dieses Jahres sagte der Ministerpräsident zum Thema ‚Ressortzu- schnitt’ folgendes:
‚Nein, die Entscheidung ist richtig. Und viele, die sich dort jetzt kritisch äußern, denen ist – glaube ich – noch gar nicht ganz bewusst, wie denn eigentlich eine Hochschulabteilung funktioniert, wie sie arbeitet, wie die Zusammenhänge sind. Und das muss man noch ein bisschen stärker erklären. Das wird uns aber gelingen.’
Wir lernen: Es sind nicht die Entscheidungen des Ministerpräsiden- ten, die vielleicht an der einen oder anderen Stelle problematisch sein könnten. Es ist ausschließlich die Unfähigkeit der anderen, die Genia- lität des Ministerpräsidenten überhaupt zu verstehen.
Zu all denen, die Herr Albig hier wie dumme Schuljungen abkanzelt, können wir ohne Weiteres die Kollegen Jürgen Weber und Rasmus Andresen zählen. Beide haben zum Teil scharfe Kritik an dem sach- lich bislang noch unbegründeten Neuzuschnitt des Sozialministeri- ums geübt. Und das völlig zu Recht!
Liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen: Wer einen Ministerpräsident hat, der so mit seinen Koalitionskollegen umgeht, braucht mit Sicherheit keine Feinde mehr! Herzlichen Glückwunsch zu dieser Wahl!
Unerträgliche Selbstüberschätzung ist das eine. Die bewusste Irre- führung der schleswig-holsteinischen Öffentlichkeit ist etwas anderes – und wiegt deutlich schwerer. Und es ist schon bemerkenswert, dass Sie die Querelen der vergangenen Monate heute mit keinem einzigen Wort erwähnt haben.
Denn über Wochen haben Sie die Menschen in Schleswig-Holstein in der Causa Wende absichtlich hinters Licht geführt. Wenn wir erfah- ren, dass Wara Wende beim Betreten der Staatskanzlei noch gar nicht wusste, dass sie anschließend zurücktreten will, dann war die Pressemitteilung der Staatskanzlei vom 15. September eine scham- lose Täuschung.
Die Menschen in Schleswig-Holstein können erwarten, dass bei einer Bilanz der vergangenen zweieinhalb Jahre hierüber ebenfalls Aufklä- rung gegeben wird. Stattdessen hören sie von Ihnen dazu ganz und gar nichts.
Die Menschen interessieren sich dafür, welchen Sinn es hat, durch Mitarbeiter der Staatskanzlei ‚vorsorglich’ ein Rücktrittsschreiben an- fertigen zu lassen, wenn der Ministerpräsident noch gar nicht wissen kann, dass die Ministerin persönliche Gründe für ihren Rückzug gel- tend machen will. Die Menschen wollen von Ihnen persönlich wissen, warum Sie Ministerin Wende rausgeworfen haben. Sie bleiben den Menschen in Schleswig-Holstein diese Antwort weiterhin schuldig.
Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 7 Herr Ministerpräsident, ich sage es Ihnen ganz deutlich: Dass Sie in dieser Frage die Unschuldsvermutung gegenüber Ihrer Bildungsmi- nisterin mannhaft verteidigt haben, hat mir Respekt abgenötigt. Dass Sie diese Unschuldsvermutung aber beim nächsten Anlass gleich über Bord geworfen haben, obwohl Frau Professor Wende bis zum heutigen Zeitpunkt noch immer nicht angeklagt wurde, ist vor diesem Hintergrund nur noch schwach.
Plötzlich war diese Unschuldsvermutung, die Sie wie eine Monstranz vor sich hergetragen haben, vollkommen gegenstandslos. Plötzlich war Wara Wende schuldig – von Ihnen persönlich verurteilt.
Nicht ‚die Öffentlichkeit’, ‚die Strafverfolgungsbehörden’ oder ‚die Op- position’ haben Wara Wende auf dem Gewissen. Frau Wende wurde Opfer Ihres Handelns, Herr Ministerpräsident!
Vor dem Hintergrund dieser Tatsache müssen sich auch Ihre Kabi- nettskollegen selbst fragen: Was ist Ihr Wort eigentlich wert?
Zweieinhalb Jahre Rot-Grün-Blau sind auch zweieinhalb Jahre Ab- bruch in der Bildungspolitik. Ich habe ja schon mit Verwunderung feststellen müssen, dass Sie jetzt im SHZ-Interview offiziell den Schulfrieden ausgerufen haben. Ich weiß nicht, woher Sie diese In- formationen haben, aber: In den Schulen sieht man das anders.
In der rot-grün-blauen Koalition geht es um Grundsätzliches: Gerade- zu erschütternd ist, dass diese Koalition versucht, nach und nach jeg- lichen Leistungsgedanken aus der Schule zu verbannen.
Wenn wir erleben, dass die notenfreie Grundschule in Schleswig- Holstein der Regelfall werden soll, dann fragen sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes schon, wohin die weitere Reise gehen soll.
Da wird auf Parteitagen angeblich ‚gute’ Bildungspolitik definiert, die anschließend mit der Brechstange durchgesetzt werden muss – ohne auch nur im Entferntesten daran zu denken, ob die Lehrer, Eltern und Schüler diese Politik eigentlich wollen.
Ein Beispiel: Im Interview mit den ‚Lübecker Nachrichten’ vom 22. Ok- tober erklärte der Lübecker Schulrat Gustaf Dreier die von den Be- dürfnissen anderer Menschen ungetrübte sozialdemokratische Welt. Auf die Frage ‚Warum stehen Kinder und Eltern dann so auf Noten?’ antwortete er:
‚Kinder sind wettbewerbsorientiert. Das ist auch nicht schlimm, aber pädagogisch nicht wertvoll. Eltern kennen Zeugnisse nicht anders.’
Hieran sind mindestens zwei Dinge interessant: Erstens lautet die Botschaft: ‚Wir wissen es besser als die Eltern, die im Grunde sowie- so keine Ahnung haben.’ – Dahinter steckt schon eine bemerkens- werte Überheblichkeit. Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 8
Zweitens können wir erkennen, dass Leistungsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen bei Sozialdemokraten ganz offensichtlich unerwünscht sind.
Sie sagen es ja selbst: Kinder wollen sich messen. Und was tun Sie? Sie wollen ihnen das verbieten! Wie pädagogisch wertvoll ist das denn?
Ich musste über viele Jahre lernen, dass bildungspolitische Debatten nicht ausschließlich von Sachlichkeit und Logik getragen werden müssen. Wer aber den Wettbewerbsgedanken aus den Schulen til- gen will, der sollte unbedingt logisch weiterdenken. Der sollte sich schon fragen, welches bildungspolitische Ergebnis wir bekommen, wenn wir gegen Wettbewerb in den Schulen sind. Wir arbeiten damit nämlich gegen Fortschritt in unseren Schulen.
Wettbewerb ist die Keimzelle des Fortschritts. Nur wer sich mit ande- ren messen kann, kann auch besser werden. Dass Sie das nicht wol- len, ist für die Zukunft des Bildungsstandortes Schleswig-Holstein fa- tal.
Henry Ford sagte einmal:
‚Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.’
Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir, dass auch Sie dazulernen wollen – im Sinne der Schülerinnen und Schüler in unserem Land.
Um es in Anlehnung an Goethes ‚Faust’ zu sagen: Die Botschaft hö- ren Sie wohl, allein fehlt mir der Glaube, dass Sie sie ernst nehmen.
Es steht für uns alle zu befürchten, dass es in der sozialdemokrati- schen Bildungspolitik so bleibt, wie es war: Eigenverantwortlichkeit der Schulen wird, so weit es geht, eingeschränkt. Denn am Ende ei- ner gewissermaßen ‚basisdemokratischen’ Entscheidung könnte ja immer ein Ergebnis herauskommen, dass den bildungspolitischen Zielvorstellungen dieser Koalition zuwider läuft.
Es ist bestenfalls ein Ausdruck von Realitätsverweigerung, wenn Sie, Herr Ministerpräsident, uns heute erklären, dass das rot-grün-blaue Schulsystem den Eltern und Schülern im Land Wahlfreiheit lässt. Die Wahrheit ist: Sie haben die Wahlfreiheit bei den Gymnasien einge- schränkt. Sie erklären hier ganz bewusst die Unwahrheit!
Das von der Koalition schulgesetzlich durchgesetzte Verbot der Gründung weiterer G9-Gymnasien kann man nur im bildungspoliti- schen Gesamtzusammenhang von Rot-Grün-Blau verstehen: Die Angst der Koalitionäre vor der freien Entscheidung anderer Schulkon- ferenzen für G9 war größer als das Vertrauen in die Durchsetzungs- fähigkeit des eigenen G8-Konzeptes. Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 9
Auch Sie konnten die vielen Umfragen nicht übersehen, in denen sich stets eine überwältigende Mehrheit für G9 an Gymnasien ausgespro- chen hat. Und weil Sie trotz dieses eindeutigen Votums meinen, es besser zu wissen, haben Sie einfach den Wunsch vieler durch die Änderung des Schulgesetzes unterdrückt.
Das ist bildungspolitische Bevormundung par excellence! Sie werden erleben, dass diese Entscheidung für Sie noch zum Bumerang wird.
Denn mittlerweile befinden Sie sich mit dieser Entscheidung bundes- weit nahezu allein auf weiter Flur. Schauen Sie doch mal nach Nie- dersachsen, wo Ministerpräsident Weil das flächendeckende G9 wie- der eingeführt hat! Schauen Sie doch mal nach Hessen, wo die SPD schon lange auf einem reinen G9-Kurs ist! Schauen Sie doch mal nach Baden-Württemberg, wo Grün-Rot das schleswig-holsteinische Modell von Ekkehard Klug in weiten Teilen kopiert hat!
Dass Sie das nicht registrieren, zeigt, dass Sie nicht über den Teller- rand schauen und einen klaren bildungspolitischen Trend verneinen. Das ist Retro-Politik und nichts anderes!
Vor drei Tagen haben Sie einen Offenen Brief der Landesastenkonferenz bekommen. Hierin üben die Studenten zum Teil scharfe Kritik an Ihren haushalterischen Schwerpunkten und lie- fern Ihnen eine Zustandsbeschreibung über die derzeitige Hoch- schulsituation im Land. Hier heißt es also:
‚Wegen Überfüllung abgebrochene Vorlesungen, Sprachkurse über 50, Seminare mit weit mehr als 100 Studierenden in einem Seminar- raum. Wir werden von Bussen stehen gelassen und finden keinen Platz in den zu kleinen Mensen und Bibliotheken. Das Gefühl macht sich breit, dass die Politik Studierende in Schleswig-Holstein stehen lässt. Ausfinanzierte Hochschulen finden scheinbar keinen Platz im finanziellen Verteilungskampf.’
Und weiter schreiben die Studierenden:
‚Symptome des jenseits seiner Belastungsgrenze arbeitenden Sys- tems Hochschule lassen sich viele anführen: Vorlesungsartige Semi- nare, Fließbandbetreuung in den Sprechstunden der Lehrenden, Burnout-Fälle in der Studierenden- und Prüfungsverwaltung, Mittag- essen auf dem Boden sitzend, verschimmelte Gebäude, Wettrennen um Bibliotheksarbeitsplätze und Bücher, kontinuierlich steigende Frustration bei allen Beteiligten, Medikamentenmissbrauch und ein immens steigender Beratungsbedarf.’
Und Sie, Herr Ministerpräsident erklären heute und sonst auch aller- orten, wie wichtig Wissenschaft und Forschung für Schleswig- Holstein sind. Zugleich reduzieren Sie den entsprechenden Haus- haltstitel im Haushaltsentwurf um fast 5,6 Millionen Euro. Wissen Sie eigentlich, was in den Hochschulen los ist? Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 10
Die Kleine Anfrage des Kollegen Schmidt, Drucksache 18/2287, hat es noch einmal deutlich gemacht:
Im Jahre 2012 lag der Anteil der Ausgaben für hochschulpolitische Maßnahmen bei 6,6 Prozent des Landeshaushaltes. Seitdem ist die- ser Anteil kontinuierlich gesunken. Im Haushaltsentwurf 2015 liegt er mittlerweile bei 5,9 Prozent der bereinigten Ausgaben.
Das ist die rot-grün-blaue Art, in die Zukunftsfähigkeit des Landes zu investieren! Erwarten Sie ernsthaft, dass die Menschen Ihnen glau- ben, was Sie sagen?
Apropos Bildungsausgaben: Wir haben in der ersten Lesung der Haushaltsberatungen schon einmal eine Diskussion über die Bil- dungsausgaben im Land geführt. Auf unseren Einwand, dass diese Landesregierung – entgegen der Äußerungen des Ministerpräsiden- ten – mitnichten mehr Geld für Bildung ausgibt als jemals zuvor, er- klärte die Finanzministerin nach längerem Rechnen folgendes: Unse- re Rechnung gehe deshalb nicht auf, da wir die Lehrer- Pensionslasten nicht einberechnet hätten.
Frau Finanzministerin Heinold, mit Verlaub: Ich höre zum ersten Mal, dass Pensionslasten die Bildungsqualität in unseren Schulen stei- gern.
Wollen Sie den Menschen in Schleswig-Holstein ernsthaft erklären, dass die steigenden Pensionslasten helfen,
- die inklusive Bildung im Lande zu verbessern, - den Unterrichtsausfall zu bekämpfen oder - kleinere Grundschulstandorte zu halten?
Fakt ist: Diese Koalition gibt weniger Geld für Bildung aus als Schwarz-Gelb. Nicht nur absolut, sondern – und das ist noch viel schlimmer: auch relativ!
Relativ gesehen sank nämlich der Anteil der Bildungsausgaben – in- klusive der Ausgaben für Kindertagesstätten – gemessen am Haus- haltsvolumen von 17,4 Prozent im Jahre 2011 auf jetzt nur noch 14,9 Prozent!
Sie wollten die Koalition der Bildungspolitik sein. Sie sind hiermit kra- chend gescheitert!
Abschließend möchte ich mich noch der inneren Sicherheit widmen. Der Ministerpräsident hat ja in seiner Rede überdeutlich gemacht, dass dieses Thema nicht unbedingt sein Steckenpferd ist. Obwohl Sie erklären, Herr Ministerpräsident, dass Sie wollen,
‚dass die Menschen in unserem Land sicher sind’,
Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 11 tun Sie auch hier nichts, um dieses Ziel zu erreichen.
Wir alle wissen um die Überlastungssituation der Polizei. Und wir wissen, dass hier ein extrem großer Druck auf dem Kessel ist. Wenn aber jetzt schon für das kommende Frühjahr Urlaubssperren für Poli- zisten ausgesprochen werden müssen, weil in Lübeck ein kleiner G8- Gipfel stattfindet, dann ist doch offensichtlich, dass die Personalde- cke an allen Ecken und Enden zu kurz ist.
Und wenn wir jetzt hören, dass wir bei Einbruchsdelikten nur noch ei- ne Aufklärungsquote von sieben Prozent haben, dann müssen wir uns auch nicht wundern, wenn die Bürger sich irgendwann selbst or- ganisieren. Denn das fatale Signal bleibt bei den Betroffenen hängen: ‚Einbrüche müsst Ihr hinnehmen.’
Ich will nicht hinnehmen, dass der Rechtsstaat seiner Kernaufgabe nicht mehr nachkommt. Ich will nicht hinnehmen, dass Spuren zum Teil gar nicht mehr gesichert werden.
Ich sage es Ihnen in vollem Ernst: Wenn wir hier nicht schnell gegen- steuern und wieder mehr Polizeibeamte in den Landesdienst einstel- len, nimmt das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht mehr wieder gut- zumachenden Schaden. Das können auch Sie nicht wollen!
Die Auseinandersetzung unterschiedlicher ethnischer und religiöser Gruppen auf deutschem Boden wird zunehmen, gerade auch, weil immer mehr Menschen aus Krisen- oder Kriegsgebieten zu uns kommen. Die innere Sicherheit werden Sie dann nicht mehr mit Wor- ten garantieren können.
Dass Sie jetzt die Erschwerniszulage um eine Millionen Euro im Ver- gleich zum Haushaltsentwurf erhöhen, kann die Polizeibeamtinnen und -beamten nur wenig milder stimmen. Vor dem Hintergrund der immer weiter steigenden Belastungen ist dies nicht mehr als ein Trop- fen auf dem heißen Stein – zumal diese Zulage seit 1995 nicht mehr erhöht wurde. Für alle, die geschichtlich interessiert sind: Da regierte Helmut Kohl noch drei Jahre in Deutschland!
17 Jahre sozialdemokratische Regierungsbeteiligung in Schleswig- Holstein mussten vergehen, damit Sie hier einen Bedarf erkennen. So wenig sind Ihnen die Polizisten im Land wert!
Herr Ministerpräsident, die Menschen im Land wissen nicht, wo Sie das Land in den kommenden Jahren sehen – auch Ihre Regierungs- erklärung hat hier eher für Diffusion als für Erhellung gesorgt.
Und die Menschen sehen schon gar nicht, dass Sie die notwendigen Schritte ergreifen, um die drängendsten Probleme zu lösen. Vielmehr sehen sie einen Ministerpräsidenten, der seiner Richtlinienkompetenz nicht gerecht wird.

Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de 12 Das Land verlangt seit zweieinhalb Jahren nach politischer Führung. Sie haben bisher noch nicht gezeigt, dass Sie diese Führungsrolle übernehmen. Die Menschen im Land können mit Recht daran zwei- feln, ob Sie imstande sind, diese Führungsrolle überhaupt auszufül- len!“



Dr. Klaus Weber, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de