Bernd Heinemann zu TOP 48: Wir brauchen Entscheidungen und Solidarität
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 20. Juni 2014TOP 48, Organspende rettet Leben – Vertrauen durch weitere Aufklärung stärken (Drucksache 18/2002)Bernd Heinemann:Wir brauchen Entscheidungen und Solidarität„Dir gehört mein Herz, wenn ich nicht mehr unter den Lebenden bin.“ Mein Organspende- Ausweis in meinem Portemonnaie gibt Auskunft, wann und unter welchen Bedingungen ich mein Herz verschenke.Dies ist mal wirklich ein konfliktarmer Antrag und die SPD-Fraktion ist seit Ihrer Rede, Herr Kollege Karsten Jasper, deutlich entspannt, was den bürokratischen Aufwand angeht. Ein mündlicher Sachstandsbericht der Ministerin im Sozialausschuss ist sicher ein guter Startschuss einer weiteren Initiative, auch auf Bundesebene. Eine nachhaltige Wirkung lässt sich hier weniger mit Mehrheiten als durch eine gemeinsam getragene Initiative, auf die wir uns im Sozialausschuss nach diesem Bericht gemeinsam mit der Regierung einigen können, erzielen.Dieses Thema geht uns alle an, wir benötigen Entscheidungen, freie persönliche und unbelastete Entscheidungen. Nicht zuletzt durch die Lebendspende von Frank Walter Steinmeier an seine sterbenskranke Ehefrau wurde vielen Menschen deutlich, worum es bei Organspenden überhaupt geht.Unabhängig von dieser besonderen schicksalhaften Situation müssen wir Politiker den Finger immer wieder in die offene Organwunde legen. Über Parteigrenzen hinweg besteht seit der Bundestagsentscheidung 2012 große Einigkeit, dass Menschen sich entscheiden sollten, egal, ob sie am Ende ja oder eben auch nein sagen. Denn die Situation ist in der Tat dramatisch. Seit 22010 sind die Organspenden in Deutschland wie noch nie zuvor um über 30% eingebrochen. Wir sind in Europa jetzt das Schlusslicht bei den Organspenden.Jeden Tag sterben durchschnittlich drei Menschen, die auf der Warteliste für Organspenden stehen, und es werden mehr. Wir sind inzwischen Importland Nummer eins für Organe und es ist traurig, ja peinlich, dass andere Länder für uns solidarisch sind. Und warum? Weil unverantwortliche Machtmenschen sich über das Recht und die Chancengleichheit gesundheitlich in Not geratener Menschen erhoben haben und damit besonders dringlich bedürftige Organempfänger auf die hinteren Plätze der Warteliste verwiesen haben. Dies ist Unrecht, ja ein Skandal. Dieses lebensgefährliche und bedrohliche Verhalten gehört bestraft und muss sicher und dauerhaft unterbunden werden.Aber ich will ehrlich sein, auch ich habe mich lange um Entscheidungen herumgedrückt. Jetzt, wo ich sehe, was das alles bedeutet, ändert sich das. So wie ich mich entschlossen habe, eine klare Patientenverfügung zu hinterlassen, so trage ich jetzt auch einen Organspenderausweis bei mir. Ich möchte meine Unfähigkeit, mich zu entscheiden, nicht meinen Kindern hinterlassen. Sollen die doch sehen, wie sie damit umgehen.Die neue Kampagne der Bundesregierung mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Ich entscheide. Informiert und aus Verantwortung" verdient Unterstützung, auch aus Schleswig-Holstein. Die zurzeit 11.000 Menschen, die auf ein lebensrettendes Organ warten, haben unsere Solidarität und unser politisch unterstützendes Handeln verdient.Wenn wir uns heute erneut auf den Weg machen, so viel Leid wie möglich zu verhindern, und mehr Menschen helfen wollen, durch Zuverlässigkeit, Aufklärung und Klarheit zu einem neuen Organ zu kommen, dann ist schon diese Bewusstmachung ein Gebot der Mitmenschlichkeit und Solidarität, ja auch der Nächstenliebe.Der Bundestag hat schon 2012 für die Hilfe Todkranker wichtige Weichen gestellt, aber da muss notfalls auch über unsere Bundesinstrumente nochmal „Butter bei die Fische“, denn es geht bei den Organspenden noch immer weiter abwärts. Zu den Menschen, die nicht rechtzeitig ein Organ erhalten haben, gehört beispielsweise auch die Mutter zweier Kinder. Für die einst so lebenslustige Yvonne Dorthe kam die Lunge jedenfalls zu spät, sie stand ganz oben auf der Liste, aber sie war inzwischen für die Transplantation zu schwach geworden. 3Wir Sozialdemokraten jedenfalls wollen nicht, dass Akteure im Transplantationsverfahren durch Bonussysteme und andere private Anreize ermuntert werden, Menschen über den lebenswichtigen Bedarf zu stellen.Bei diesem hochmenschlichen Thema haben wir die Hoffnung, dass wir im Ausschuss gemeinsam zu einer Formulierung finden, hinter die wir uns alle stellen können, selbst dann wenn wir aus welchen Gründen auch immer eine andere Entscheidung für uns selbst treffen. Aber entscheiden müssen wir uns – alle!