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19.06.14
17:23 Uhr
SPD

Tobias von Pein zu TOP 32, 38, 61: Demokratie stärken!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 19. Juni 2014


TOP 32, 38, 61: Transparenter Haushalt für den Verfassungsschutz / Allen Formen des Extremismus durch Prävention entgegen wirken / Verfassungsschutzbericht 2013 (Drucksachen 18/1972, 18/1982, 18/1810)



Tobias von Pein:
Demokratie stärken!

Als ich den Antrag der CDU-Fraktion zum Thema „Alle Formen des Extremismus bekämpfen“ gesehen habe, wusste ich ehrlich gesagt nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich hab dann einen Augenblick nachgedacht und erstmal geschluckt. Denn die Thematik ist tatsächlich nicht ganz so zum Lachen, wie ich zuerst gedacht habe. Nicht zum Lachen finde ich die Tatsache, dass die CDU wieder einmal den Eindruck erwecken möchte, Rechtsextremismus gehöre in einen großen Topf mit so genannten „Linksextremisten“ und radikalen Islamisten. Dass diese Gleichsetzung politisch absolut nicht haltbar ist, haben wir ja bereits in der Debatte um das glorreiche Programm „Initiative Demokratie stärken“ und der Extremismusklausel von CDU- Familienministerin Kristina Schröder gesehen. Zum Glück ist die nicht mehr im Amt!
Worum ging es da bei Frau Schröder? Mit der Bereitstellung von 5 Millionen Euro wurden verschiedene Träger beauftragt „Pionierarbeit“, wie Schröder sie feierlich taufte, im unerforschten Feld der Themen Linksextremismus und Islamismus zu leisten. Dabei sollte Prävention betrieben werden, genauso wie sie von der CDU das jetzt fordern. 2



Inzwischen wurde genau dieses Programm vom Deutschen Jugendinstitut mal unter die Lupe genommen und geguckt, wie sinnvoll und wirksam dieses Programm eigentlich ist. Und zwar vom Deutschen Jugend Institut, DJI. Bereits der erste Zwischenbericht im Winter 2012 übte so harsche Kritik an der Zielsetzung des Programms, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung zunächst versucht hat, den Bericht unter Verschluss zu halten. Auch 2013 hat das DJI einen weiteren Zwischenstandsbericht veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen, dass der vermeintliche Bedarf, den Sie sehen, für ein solches flächendeckendes Programm nicht ansatzweise besteht.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Der wissenschaftlich unklare Begriff des so genannten „Linksextremismus“ lässt zum Beispiel keine Definition der Zielgruppen der Aktivitäten zu. Die Folge: Viele der geförderten Projekte werden kaum oder gar nicht nachgefragt. Und wenn sie nachgefragt werden, richten sie sich viel breiter aus, als es nach den Vorstellungen der CDU an sich sein müsste – was aber gut ist. Genauso in Frage gestellt wird die Zielsetzung der Präventionsprojekte vor Islamismus, die aus dem Bundesprogramm finanziert werden.
Ich sag mal: Die Mittel wären in der Integrationspolitik sehr viel besser aufgehoben! Nicht zum Lachen finde ich es auch, dass Sie behaupten, unsere Präventionsarbeit würde sich auf den den Bereich Rechtsextremismus beschränken. Das stimmt so nicht. Demokratieförderung ist immer Präventionsarbeit, um allen demokratiefeindlichen Meinungen in der Gesellschaft zu begegnen. Wer weiß, wie und wo er oder sie sich für die Gesellschaft einsetzen kann, wird viel weniger auf die Idee kommen zu antidemokratischen Mitteln und Gewalt zu greifen! Und leider ist der Nährboden, auf dem das Gefährdungspotenzial entsteht, viel näher bei uns, als es uns lieb sein kann. Phänomene wie Rassismus, Angst vor dem vermeintlich „Fremden“ oder Antisemitismus entstehen in der „Mitte“ der Gesellschaft und treffen hier auf leichte Zustimmung.
Die Welt ist nun mal kein Hufeisen. Deshalb setzt Prävention auch in der Mitte der Gesellschaft an. Und schützt so auch vom Abwenden von der Demokratie. Wenn Sie sich mal genau anschauen, was im Bereich der Rechtsextremismusprävention geleistet wird, werden Sie sehen, dass der Ansatz viel breiter ist, als sie vermuten! Das ist nämlich immer zuerst Arbeit, um Demokratie zu fördern und ihren Feinden zu begegnen. Denn genau darum geht es: Demokratie stärken! 3



Und dass das wichtig ist, zeigt der vorliegende Verfassungsschutzbericht: Die Erfolglosigkeit der organisierten Neonazis in Schleswig-Holstein ist zwar erfreulich. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Radikalisierung weiter anhält und Subkulturen die neue Zielgruppe der Nazis darstellen. Rassistische, völkische und eurokritische Parolen stehen im Mittelpunkt der Agitation. Wir müssen also weiter wachsam sein. Der aufkeimende Rechtspopulismus bei der Europawahl ist ein klares Alarmsignal. Jetzt hier nachzulassen oder den Schwerpunkt unserer Arbeit zu verschieben, wäre genau der falsche Weg!
Auch die Aktivitäten im Bereich von Salafismus und religiösem Fanatismus müssen wir weiter im Auge behalten. Diese antidemokratischen Tendenzen sind gefährlich für das friedliche Zusammenleben. Aufklärung über die Gefahren, interkulturelle Kompetenz und eine gute Migrations- und Sozialpolitik sind hier aber viel bessere Ansätze als ein extra Anti-Islamismus- Programm. Außerdem gilt auch hier: Jede gute Demokratieförderung ist auch eine gute Prävention vor religiös motivierter Demokratiefeindlichkeit.
Und jetzt noch ein kurzes Wort zum Verfassungsschutz. Ich habe es hier schon einmal gesagt: Die SPD steht zum Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Für uns ist das Trennungsgebot nicht verhandelbar. Wir wollen keine politische Polizei oder Geheimpolizei. Und deshalb ist es auch wichtig, dass es einen Verfassungsschutz gibt.
Doch die Reform nach dem NSU-Untersuchungsausschuss ist noch nicht am Ende. Mehr Vernetzung, mehr parlamentarische Kontrolle, Transparenz da, wo es möglich ist – das sind Ziele, die wir unterstreichen. Deshalb ist die Grundidee, die Einnahmen und Ausgaben des Verfassungsschutzes im Haushalt nachvollziehbarer darzustellen, nur zu begrüßen. 4



Aber: Ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht. Es lohnt sich, mal die entsprechenden Darstellungen der Haushaltsansätze für den Verfassungsschutz in anderen Bundesländern anzugucken. Ich habe dabei interessante Einblicke in die Welt des Verfassungsschutzes gewonnen. So dürfte John Le Carrés „Spion der aus der Kälte kam“ kein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Bayern sein, denn im dortigen Haushalt sind sogar dessen Heizkosten ausgewiesen. Und auch die wohl nicht geringen Reisespesen von Agent 007 lassen sich durch die Ansätze für Reisekosten ebenso wenig finanzieren wie sein von „Q“ organisierter Fuhrpark. Denn für den stehen in Bayern z.B. insgesamt nur 137.000 € zur Verfügung. Dafür kriegen Sie keinen Aston Martin! Und auch die aufwendige Abendgarderobe einer Mata Hari lässt sich mit den in Sachsen vorgesehenen Ansätzen für Einsatzkleidung in Höhe von 8.000 € wohl kaum bezahlen.
Aber Spaß beiseite: Man kann sehen, dass der Verfassungsschutz zunächst einmal eine Behörde wie jede andere ist, deren Ausgaben dem Grundsatz von Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit unterliegen. Das ist keine große Überraschung. Deshalb kann und sollte man das auch bei uns im Haushalt so darstellen. Was aber in keinem Haushalt (auch nicht in anderen Bundesländern) zu finden ist, ist die Mittelverwendung für operative Tätigkeiten. Da es hier um sensible personenbezogene Daten geht, ist doch klar, dass hier das Prinzip der Geheimhaltung gilt.
Die Kontrolle liegt aus gutem Grund bei Parlament und Rechnungshof und den entsprechenden geheim tagenden Gremien. Trotzdem könnten die Parlamentsrechte an dieser Stelle noch weiter gestärkt und die parlamentarische Kontrolle ausgebaut werden, z.B. was die Idee der Einsetzung von V-Leuten nur unter G10 Vorbehalt angeht.
Ich danke der Landesregierung für ihren Bericht. Er zeigt, dass wir weiter wachsam sein müssen. Deshalb haben wir einiges auf den Weg gebracht. Die größte Gefahr geht von rechts aus, deshalb liegt der Schwerpunkt ganz klar auf der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Aber auch auf der Stärkung von demokratischer Kultur. Denn Demokratie ist nichts Selbstverständliches. Sie muss jeden Tag neu erkämpft, gelebt und erstritten werden!