Lars Harms: Abschaffung von Anhalte- und Sichtkontrollen in Grenz- und "Gefahrengebieten"
Presseinformation Kiel, den 19. Juni 2014Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 08 Gesetzentwurf zur Abschaffung von Anhalte- und Sichtkontrollen in Grenz- und „Gefahrengebieten“ Drs. 18/1995„Vor dem Hintergrund der Abwägung von Grundrechten schließen wir uns der Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes an - nicht der der Piraten“Der Gesetzentwurf der Piraten enthält viele Buchstaben, aber dann doch erstaunlichwenig Inhalt. Und manchmal sogar Dinge, die sich wechselseitig widersprechen. Da istin der Begründung davon die Rede, dass der Begriff „erhebliche Straftaten“ überhauptnicht definiert sei und somit dieser Begriff für den § 180 Absatz 3Landesverwaltungsgesetz dann auch nicht herangezogen dürfe. Zitat aus derBegründung der Piraten: „Das Gesetz bestimmt nicht, was unter Straftaten vonerheblicher Bedeutung zu verstehen sei.“ Aber gleichzeitig fordern die Piraten dieAufnahme genau dieses Begriffes der erheblichen Straftat im § 181Landesverwaltungsgesetz, um hier die ortsbezogenen Kontrollrechte einzuschränken. 2Zitat hier aus der Begründung der Piraten: „Die Änderung bewirkt eine Einschränkungder ortsbezogenen Kontrollrechte auf jene Fälle, in denen Tatsachen den Schluss aufdie Verabredung, Vorbereitung oder Verübung von Straftaten von erheblicherBedeutung zulassen (ebenso etwa § 12 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen).“ Da fragt man sich dann schon, was das Ganze soll. Entweder schränkt dieBestimmung Maßnahmen ein - wovon ich ausgehe - dann gilt der § 180 Absatz 3derzeit nur unter starken Einschränkungen, was ja gut ist. Oder aber er tut es nicht,dann macht der zweite Vorschlag der Piraten keinen Sinn.Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen am 14.12.2000 eine Definitionvorgenommen. Hiernach sind Straftaten von erheblicher Bedeutung insbesondereVerbrechen sowie schwerwiegende Vergehen, für die allgemein folgende drei Kriterienherangezogen werden: - die Tat muss mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein, also mit einem Strafrahmen von ab 3 Jahren versehen sein, - sie muss den Rechtsfrieden empfindlich stören und - dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.Maßgebend ist nicht eine abstrakte, sondern eine konkrete Betrachtung nach Art undSchwere der Tat im Einzelfall. (BVerfGE 103, 21)Das sind erhebliche Einschränkungen für die Durchführung von Sichtkontrollen vonFahrzeugen. Vor dem Hintergrund der Abwägung von Grundrechten schließen wir unsder Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes an und damit hat der SSW hier aucheine andere Auffassung als die Piraten, die diese Rechtsauffassung des 3Bundesverfassungsgerichtes anscheinend nicht teilen. Im Übrigen will ich auch daraufhinweisen, dass diese Rechtsauffassung schon mehrfach in die Gesetzgebung desBundes eingeflossen ist, so dass man auch hier sagen kann, dass die Rechtsetzungschon lange dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nachvollzogen hat – nureben die Piraten nicht.Den § 180 Absatz 3 ersatzlos zu streichen, ist somit auch aus Respekt vor demBundesverfassungsgericht, keine Option. Allerdings stellt sich schon die Frage, ob diebreite Bevölkerung noch besser über staatliche Maßnahmen in diesem Bereichinformiert werden sollte. Grundsätzlich könnte man darüber diskutieren, ob esangebracht wäre, nach Beendigung der Maßnahme die Bevölkerung über dieMaßnahme zu informieren. So könnte man gewährleisten, dass auch landesweit überdie Einrichtung und den zeitlichen Umfang von solchen Maßnahmen informiertwerden würde. Dies könnte zumindest eine Einschätzung darüber ermöglichen, wieintensiv und mit welchen Begründungen solche Maßnahmen durchgeführt werden. Ichkönnte mir vorstellen, dass eine nachträgliche Information zu einer erhöhtenTransparenz beitragen könnte.Noch ein letztes Wort zum Vorschlag der Piraten zum § 181. Dort geht es um dieIdentitätsfeststellung von Personen an verdächtigen Orten. Dieser Paragraf beziehtsich nicht nur auf den § 180 Absatz 3, also die Kontrollen aufgrund vonGefahrengebieten, sondern auch auf alle anderen Bestimmungen. Dabei geht esallgemein um Gefahrenabwehr. Wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür sprechen,dass eine Straftat geplant wird, dann sollen Personen laut Piraten die Angabe derIdentität verweigern können, mit dem Hinweis, dass die mögliche Straftat keine 4erhebliche Straftat sei. Denn das ist die Einschränkung, die die Piraten neu für dieZulassung einer Identitätsfeststellung an verdächtigen Orten einführen wollen. Ichhabe meine Bedenken, ob diese Beschränkung a) für die Polizei praktikabel ist und b)ob dann die Rechte potentieller Opfer noch geschützt sind. Bei dieser Frage zwischeneinzelnen Straftaten unterscheiden zu wollen, ist - glaube ich - sehr schwierig. Deshalbsehen wir diesen Vorschlag auch kritisch, da es ja gerade darum geht, mit solchenMaßnahmen Straftaten zu verhindern.Alles in Allem sehen wir den Gesetzesvorschlag der Piraten - milde formuliert - als nichtzielführend an.