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16.05.14
10:40 Uhr
SPD

Regina Poersch zu TOP 23 + 55: Ein soziales und solidarisches Europa mitgestalten!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 16. Mai 2014



TOP 23 + 55: Das Europäische Parlament stärken – Chancen auf Mitbestimmung nutzen! / Europabericht: Europapolitische Schwerpunkte 2013 – 2014 (Drucksachen 18/1841, 18/1853)



Regina Poersch:
Ein soziales und solidarisches Europa mitgestalten!

Angesichts der dramatischen Ereignisse in der Ukraine ist es mir leider unmöglich, heute hier die übliche Europarede zu halten, in der wir es loben, dass Frieden in Europa heute zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Wir erleben in diesen Monaten schmerzhaft, dass Frieden eben keine Selbstverständlichkeit ist und dass wir jeden Tag neu und mit Nachdruck dafür eintreten müssen. Wir erleben, wie wichtig Diplomatie und Dialog sind und wie wichtig es ist, die Entwicklung demokratischer Strukturen, von Pluralismus und Beteiligung zu unterstützen.
Und deshalb haben wir uns als Parlament – alle Fraktionen gemeinsam – entschieden, dass wir uns nicht wegducken, sondern zum Parlamentsforum Südliche Ostsee fahren, das unsere russische Partnerregion Kaliningrad in diesem Jahr ausrichtet und das in der nächsten Woche dort stattfinden wird. Miteinander reden ist immer besser, als es nicht zu tun.
Die Bilder und Botschaften, die uns täglich aus der Ukraine erreichen, machen uns deutlich, welche Errungenschaft es tatsächlich ist, dass wir seit fast 70 Jahren Frieden in Europa haben. Dafür haben wir, hat die EU den Friedensnobelpreis erhalten. Darauf dürfen wir uns nicht ausruhen, sondern müssen uns einmischen – einmischen, wenn dieser Frieden nicht nur nach innen, sondern auch an unseren Außengrenzen bedroht ist. 2



Worum geht es heute in Europa? Wenn wir uns die Entwicklung innerhalb der Union, aber auch in den Staaten an unseren Außengrenzen in den letzten Jahren anschauen, dann sage ich: Es geht in erster Linie um Solidarität – um Solidarität nach innen und nach außen.
Was heißt das für uns im Einzelnen? An den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise ist einmal mehr deutlich geworden, dass es nicht ausreicht, sich auf eine Wirtschaftsunion zu konzentrieren, sondern dass Europa auch eine echte Sozialunion werden muss. Wirtschaftliche Freiheiten dürfen nicht den sozialen Rechten übergeordnet werden.
Wir brauchen ein soziales Europa. Ein Europa, das seinen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gibt, ihr Potenzial zu entfalten, das Sozialdumping beendet, Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften schützt und stärkt, das die Schwachen schützt und unterstützt. Wir brauchen gute Arbeit und endlich auch europaweit einen Pakt für Mindestlöhne.
Wir müssen europaweit Strategien entwickeln, um Arbeitsplätze zu schaffen. Es kann nicht sein, dass fast 27 Mio. Europäer keinen Arbeitsplatz finden. Jeder vierte junge Mensch zwischen 15 und 25 Jahren hat keinen Job. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit – die Jugendgarantie – ist und bleibt unser wichtigstes Ziel, wenn wir nicht eine ganze Generation verlieren wollen, die gut ausgebildet, aber arm, perspektivlos und frustriert ist und sich fragt, was Europa denn eigentlich für sie tut.
Wir brauchen mehr und gute Arbeitsplätze in Europa. Das können wir erreichen, indem wir Bildung, Forschung und Innovation fördern, indem wir kleine und mittlere Unternehmen weiter unterstützen, indem wir in eine nachhaltige, solidarische Wirtschaft investieren. Ein wirtschaftlich starkes und nachhaltiges Europa, in dem hohe Verbraucherschutz- und Umweltschutzstandards gelten, schafft Arbeitsplätze und sichert den sozialen Zusammenhalt.
Und deshalb ist es auch wichtig, in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA genau darauf zu achten, dass diese hohen europäischen Standards – nicht nur im ökologischen, sondern gerade im sozialen Bereich und im Datenschutz – nicht aufgeweicht werden. Dies können wir nur, wenn die Verhandlungen transparent verlaufen. Deshalb drängen wir so darauf. Werden diese Mindestanforderungen nicht erfüllt, soll es nach unserer Meinung kein Freihandelsabkommen geben! 3



Das alles haben wir hier im Landtag diskutiert, und auch sonst sind europäische Themen ja immer auch schleswig-holsteinische. Ob eCall und soziales Unternehmertum (Debatte vom Mittwoch), unsere Initiative für eine Jugendbegegnung zur Kieler Woche, die Ausgestaltung der EU-Strukturfonds, die EU-Ostseestrategie wie im Europabericht dargelegt – es kommt auf uns an und darauf, dass wir uns in allen Politikfeldern mit europäischer Politik beschäftigen. Von ihr, der europäischen Politik, profitieren wir ja auch:
Die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren von Kinderspielzeug OHNE GIFTE (Europa wirkt!), die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren von der Entsenderichtlinie: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine der wichtigen Errungenschaften der europäischen Integration. Sie ist ein gutes Mittel gegen den Fachkräftemangel. Es muss aber der Grundsatz gelten – und darauf bestehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Das ist auch gut für die heimischen Betriebe, die keine Wettbewerbsverzerrung durch Lohndumping fürchten müssen. Wir stärken so die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und damit eben Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in unserem Land.
Neben den Regeln für den Arbeitsmarkt und den Binnenmarkt brauchen wir auch starke Regeln für die Finanzmärkte. Die Menschen wollen nicht, dass wir mit ihrem Steuergeld marode Banken retten müssen.
All das brauchen wir, um den Zusammenhalt in Europa zu stärken, um die Bedeutung der europäischen Idee auch wieder in den Herzen der Menschen zu verankern. Wir brauchen ein solidarisches Europa! Ein solidarisches Europa, aufgebaut auf einem sozialen Wertegerüst. Ein solidarisches Europa, das die Rechte seiner Minderheiten achtet und schützt. Wir sind in Schleswig-Holstein beispielgebend, und ein bisschen stolz dürfen wir darauf gern sein.
Wir brauchen ein solidarisches Europa, das Menschen, die zu uns kommen, willkommen heißt, das legale Einwanderung ermöglicht und regelt und das in der Flüchtlingspolitik die Grundrechte eines jeden Menschen sichert und achtet, das nicht zwischen „gutem“ politischem Asyl und „schlechten“ Wirtschaftsflüchtlingen unterscheidet. Es kann nicht sein, dass wir solche Katastrophen wie die vor Lampedusa, die uns allen immer noch sehr präsent ist und die sich fast täglich an unseren Grenzen wiederholt, weiter zulassen. Hier geht es um Menschen, die nicht 4



weniger wert sind als die Bürgerinnen und Bürger Europas und deren Rechte wir genauso achten und schützen müssen.
Wie wollen wir künftig umgehen mit Menschen, die vor den Zuständen in ihrer Heimat fliehen? Denn: Sie im Mittelmeer ertrinken oder von Schlepperbanden ausbeuten zu lassen, ist menschenverachtend. Wie wollen wir den Diskurs innerhalb Deutschlands und Europas gestalten? Wie ermöglichen wir es Menschen aus anderen Ländern, sich hier zu integrieren? Denn das ist es, was uns weiterbringen kann – wirtschaftlich und gesellschaftlich.
Deutschland und Europa wären heute nicht, wie wir sind, wenn im 19. Jahrhundert alle Staaten der Welt ihre Grenzen vor den Auswanderern verschlossen hätten. Wir brauchen eine solidarische Flüchtlings- und Asylpolitik, wir brauchen eine europäische Willkommenskultur, nicht nur, weil wir diese Menschen, die zu uns kommen, auch für die Entwicklung unserer Wirtschaft dringend brauchen, Stichwort: Fachkräftemangel, sondern auch vor allem weil jeder Mensch ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat.
Und wir dürfen nicht zulassen, dass rechtspopulistische Kräfte unbegründete Ängste vor Überfremdung und Vorbehalte gegenüber dem europäischen Projekt aufgreifen und eine Renationalisierung propagieren. Wir sollten immer wieder auch darauf hinweisen, dass gerade Deutschland enorm von den offenen Grenzen im Binnenmarkt profitiert. Unseren Wohlstand haben wir auch Europa zu verdanken. 60% unserer Exporte gehen an unsere europäischen Nachbarn.
Aber auch grenzüberschreitend arbeiten gehört dazu, das wissen wir in Schleswig-Holstein seit langem zu schätzen – und ich finde, anhand der deutsch-dänischen Grenzregion Flensburg/Padborg lassen sich sehr gut die Herausforderungen ablesen: Sprache, Sozial- und Steuersysteme, Mindestlohn – nicht immer passen die Dinge zueinander, das sollten sie aber, wenn so ein gemeinsamer Arbeitsmarkt funktionieren soll.
Soziale Gerechtigkeit und Solidarität sind die Grundpfeiler für Frieden, für Stabilität und auch für wirtschaftlichen Erfolg!


Wir können und müssen das Europäische Parlament am Tag der Europawahl stärken. Indirekt ist damit ja auch die Wahl des Kommissionspräsidenten verbunden. Und es ist auch deshalb 5



wichtig wählen zu gehen, weil es in Deutschland und in weiteren 12 EU-Ländern keine Sperrklausel gibt, was die Chancen für rechtspopulistische Parteien, in das EP einzuziehen, erhöht. Wir sehen dies mit großer Sorge. Eine Zersplitterung des Parlaments ist das Gegenteil von Stärkung.
Darum geht es am 25. Mai: die Stärkung von Demokratie und Solidarität. Ich freue mich, dass wir gemeinsam zur Teilnahme an dieser Wahl aufrufen. Naja, nicht alle. Die Piraten mögen mit sich selbst ausmachen, warum ihnen kein Argument für die Wahl zum Europäischen Parlament einfällt.