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20.03.14
10:35 Uhr
SPD

Kai Vogel zu TOP 4: Wir haben bereits Wahlfreiheit zwischen G8 und G9

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 20. März 2014



TOP 4: Gesetzentwurf zur Schaffung von Wahlfreiheit an Gymnasien (Drucksache 18/1648)



Kai Vogel:
Wir haben bereits Wahlfreiheit zwischen G8 und G9

Mit Verwunderung habe ich – und damit war ich sicherlich nicht allein – den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zur Kenntnis genommen, der zurück zur Regelung des Schulgesetzes von 2011 gehen will. Ich hoffe, dass dies jetzt nicht der Auftakt zu einer Fortsetzungsreihe ist, in der Sie uns in jeder Landtagstagung mit einem weiteren Paragraphen aus dem von Ihnen verantworteten Schulgesetz beschäftigen, den wir im Januar geändert haben.
Mit Verwunderung deshalb, weil Sie etwas fordern, von dem eigentlich alle Beteiligten wissen sollten, dass es durch das neue Schulgesetz längst gegeben ist: die Wahlfreiheit zwischen dem Abitur nach zwölf und dem nach 13 Schuljahren. Es ist schon merkwürdig, welchen Wandel des Ansehens G8 – nicht zuletzt in diesem Hause – erlebt hat, welches Hin und Her die Debatte darüber geprägt hat.
Wurde es anfangs – gerade durch die FDP – noch als Heilsbringer gefeiert, suggerieren Sie nun, es gäbe einen regelrechten Sturmlauf aller Beteiligten dagegen. Beispielhaft passt hierzu das Scheitern der Volksinitiative für G9. Diese ist nach einem Jahr gescheitert; sie hat gerade die Hälfte der erforderlichen 20.000 Unterschriften sammeln können. Das ist bei allem Respekt vor dem Engagement der Unterstützer eine gute Nachricht, die Ruhe in unsere Gymnasien trägt. Außerdem zeugt der deutlich geringere Zuspruch, als von den Initiatoren erwartet, wirklich nicht von einer Massenbewegung weg vom G8. 2



Und Sie wissen, dass wir mit unserem Grundsatz „G8 an Gymnasien, G9 an Gemeinschaftsschulen“ auch dem Votum der Bildungskonferenz entsprochen haben. Entgegen Ihren Vorwürfen zwingen wir darüber hinaus niemanden in ein enges Korsett. Schließlich werden die bestehenden G9- und G Y-Gymnasien erhalten bleiben, weil diese sich dafür entschieden haben. Sollen nun Ihrer Meinung nach die Gymnasien jedes Mal aufs Neue entscheiden? Am besten sogar jedes Jahr? Bis zum unguten Schluss niemand mehr sagen kann, wann das Abitur wo wie lange dauert? Ist uns denn langfristig nicht mehr an einem einheitlichen, leicht zu durchschauenden Schulsystem gelegen, das vergleichbare Ergebnisse liefert, ohne die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler zu vernachlässigen? Ein System, das von außen klar strukturiert und berechenbar ist, von innen aber flexibel und variabel?
Die Qualität von Bildungspolitik kann doch nicht nur von der Frage abhängig gemacht werden, wie lange es dauert, bis man ein – wie auch immer geartetes – Abitur in der Tasche hat. Viel mehr sind doch die Fragen entscheidend, wie der Weg dorthin aussieht und wie viele Schülerinnen und Schüler ihn zwar gleichzeitig, aber eben nicht im Gleichschritt zurücklegen können.
Durch das neue Schulgesetz wissen die G8-Gymnasien, dass an ihrem Weg, nach 8 Jahren Schulzeit das Abitur zu vermitteln, nicht gerüttelt wird. Dieses gibt den Schulen Sicherheit. Jemand, der nie in der Schule tätig war, kann sich nicht vorstellen, welche Unruhe im Wirken einer Schule entsteht, wenn diese in der Grundstruktur verändert wird. Komplett neue Stoffverteilungspläne, Entwürfe von Klassenarbeiten, Konzepte z.B. für Berufsvorbereitung – alles dies und noch viel mehr muss wieder neu geschrieben und über mehrere Jahre nachgebessert und evaluiert werden. Jede Strukturveränderung kostet viel Zeit und viel Kraft, die von Lehrkräften nach meinem Empfinden viel besser in den Unterricht investiert ist, als ständig eine Schule umzukrempeln.
Während in der Anfangszeit die Kritik an G8 massiv war, ist sie nach 10 Jahren fast versiegt. Ich habe noch mit keinem Gymnasium gesprochen, bei dem das Kollegium weg von G8 wollte. Die Landesschülervertretung der Gymnasien spricht sich ebenfalls für den Bestandsschutz von G8 aus. Und der Vorstand der Landesschülervertretung hat zurzeit genau das Alter, dass diese jungen Menschen den Prozess zu G8 selbst erfahren haben. Sie können sicherlich gut 3



beurteilen, welches System nützt. Kritisiert wird allenthalben der überstürzte Weg vor 10 Jahren zu G8. Doch in den zehn Jahren ist viel in den Schulen entwickelt und abgestimmt worden. Heute sind die Lehrpläne, die pädagogische Arbeit der Schulen und die innere Schulorganisation auf dieses Modell ausgerichtet und eine Verstetigung festigt die Gymnasien. Die meisten Verbände, die Elternvertretungen und Schülervertretungen bitten uns, keine neue Schulstrukturdebatte zu führen. Jede Veränderung schwächt die Schulen.
Liebe FDP, geben Sie den Gymnasien die Chance, eine starke Schule zu sein. Die Möglichkeit, einmal so oder so die Struktur zu verändern, schwächt die Gymnasien.
Warum benötigen wir neben den bestehenden G9 Gymnasien keine weiteren? Die G9-Schule ist die Gemeinschaftsschule. Diese Auffassung stützt auch der Landesrechnungshof in seinen Ausführungen von 2012. Ich zitiere: „Das Nebeneinander von Gymnasien mit G9 Zweig und Gemeinschaftsschulen ist aufzulösen.“ Doppelstrukturen sind unbedingt zu vermeiden. Und jetzt kommt natürlich das Argument, wir verschlössen uns mit unserer Festlegung auf G8- Gymnasien – von den Ausnahmen habe ich bereits gesprochen – den bildungspolitischen Trends ausgerechnet in anderen SPD-geführten Bundesländern.
Im Zuge der Entwicklung unserer Sprache scheint es sich allgemein bewährt zu haben, unterschiedlichen Dingen unterschiedliche Namen zu geben, auf dass man umgekehrt von unterschiedlichen Namen auf unterschiedliche Dinge schließen könne. Nach dieser Logik scheint es müßig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass Schleswig-Holstein nicht Niedersachsen und auch nicht Nordrhein-Westfalen ist. Dennoch sei hier gesagt: Diese Länder verfügen bisher eben nicht über ein flächendeckendes Modell, das mit dem unserer Gemeinschaftsschulen vergleichbar wäre, an denen das Abitur standardmäßig nach neun Jahren abgelegt wird. Die Situation in den einzelnen Bundesländern ist schlicht nicht vergleichbar.
Ein Wort auch noch zum angeblichen Zurückrudern der nordrhein-westfälischen Kollegen in Sachen G8: Dort haben seinerzeit 13 Gymnasien von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Abitur nun wieder nach 9 gymnasialen Schuljahren anzubieten. Dreizehn von über 600 Gymnasien. Von einem breiten Umdenken und einer wachsenden Rückbesinnung auf G9 kann hier nun wirklich nicht die Rede sein. 4



In Schleswig-Holstein bieten die Gymnasien das Abitur im Regelfall künftig nur noch nach acht Schuljahren an. Daraus aber nun fehlende Wahlfreiheit abzuleiten, wäre vor dem Hintergrund unseres Gemeinschaftsschulmodells geradezu absurd. Hier ist schließlich wirkliche Wahlfreiheit vorhanden. Und zwar für jene, um die es hier in erster Linie geht: Für die Schülerinnen und Schüler, für die, die nun sehr wohl die Wahl haben zwischen G8 und G9, zwischen Gymnasium und Gemeinschaftsschule.
Doch damit nicht genug: an der Gemeinschaftsschule müssen sie sich nicht einmal bereits nach der vierten Klasse für einen angestrebten Schulabschluss entscheiden, weil es weltfremd wäre zu glauben, man könne das intellektuelle Potenzial eines jeden zehnjährigen Kindes mit größter Sicherheit erkennen.
Ich bin überzeugt und ich hoffe, Sie mögen es irgendwann einmal mit mir sein, dass unser Modell des längeren gemeinsamen Lernens, der gestärkten Gemeinschaftsschule und der mitnichten geschwächten Gymnasien und beruflichen Gymnasien mehr Kinder zum für sie bestgeeigneten Schulabschluss führen kann als bisher.