Tobias von Pein zu TOP 12: Für ein demokratisches und weltoffenes Schleswig-Holstein!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 19. März 2014TOP 12, Große Anfrage Erkenntnisse zur Tätigkeit des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) und Konsequenzen aus den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses (Drucksache 18/1630)Tobias von Pein:Für ein demokratisches und weltoffenes Schleswig-Holstein!Unbehelligt und unentdeckt im Untergrund agierend, konnten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe und ihre Symphatisanten 14 (!) Jahre lang Morde, Bombenanschläge und Raubüberfälle planen und durchführen. Ihre erschütternde Bilanz: Mindestens zehn Ermordete und zahlreiche Verletzte. Ihr Motiv: Rassismus!Wir erinnern uns alle an den großen Schock, der das Aufdecken des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ ausgelöst hat. Wir alle waren fassungslos von so einem großen Versagen der Behörden auf Bundes- und verschiedenen Länderebenen. Auf Bundesebene wurde dann parteiübergreifend ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, um Klarheit über die gemachten Fehler zu schaffen und Lösungen zu erarbeiten, die ein solches Versagen in Zukunft vermeiden.Wir erinnern uns auch, wie schwer die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses – aber auch der drei weiter laufenden Untersuchungsausschüssen auf Länderebene – sich in der Praxis gestaltetet haben oder noch gestalten. Verweigerte Zeugenaussagen, vernichtete Akten und ein enormer medialer Druck mit dem Wunsch nach Erkenntnissen.Trotz dieser enormen Belastungen brachte der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundes im Rahmen dieser Auseinandersetzung eine umfassende Analyse und 47 Empfehlungen vor, denen wir uns in Schleswig-Holstein selbstverständlich nicht verschließen sollten und werden. 2Was die Piratenfraktion mit ihrer großen Anfrage erreichen will, ist mir deshalb immer noch nicht ganz klar.Klar ist aber: Die Landesregierung ist nicht berechtigt, Auskunft über aktuelle Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft zu geben. Das Verfahren gegen Beate Zschäpe und ihre braunen Mitstreiter läuft doch noch! Dass hier Erkenntnisse eines laufenden Verfahrens nicht rausgegeben werden können, müssten die Kolleginnen und Kollegen von den Piraten doch eigentlich wissen.Die Frage, die sich mir nun stellt, ist: Warum wurden diese Fragen Ihrerseits überhaupt gestellt? Etwa um absichtlich zu skandalisieren? Auch wenn Schleswig-Holstein – nach dem, was wir bisher wissen – nicht aktiv mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ in Verbindung zu setzen ist, werden wir die Konsequenzen und Empfehlungen des Bundesuntersuchungsausschusses einbeziehen. Denn es ist klar geworden: Die Fehler sind strukturell verankert gewesen. Deshalb müssen wir Konsequenzen aus dem NSU-Fall ziehen, auch für unsere Behörden.Die Empfehlungen, die der Untersuchungsausschuss im Bereich der polizeilichen Aus- und Fortbildung gibt, zum Beispiel bezüglich der interkulturellen Kompetenz unserer Beamten, werden in vielen Bereichen in Schleswig-Holstein schon umgesetzt oder man ist dabei, viele Dinge (u.a. verpflichtende Fortbildungen) umzusetzen.Natürlich löst aber eine Reform der Sicherheitsstruktur die Problematik gruppenbezogener Menschlichkeit nicht in Luft auf: Rassismus in Deutschland ist kein Randphänomen, das an den sogenannten rechten Rand der Gesellschaft verschoben werden kann. Er ist tief in der Mitte der Gesellschaft verankert und ist dort Alltag. Jede Verharmlosung von Rechtsextremismus, Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss aufhören!Mit unserem Landesprogramm gegen Rechts gehen wir in Schleswig-Holstein bereits einen guten Weg: Demokratische Kultur ist die beste Prävention vor rechtem Gedankengut und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Mit unseren Beratungsstellen garantieren wir flächendeckend die Aufklärung über rechte Strukturen und stärken Initiativen, Bündnisse und Freundeskreise in ihrem Engagement für Demokratie. 3Auch die Reform des Verfassungsschutzes ist meiner Meinung nach eine weitere wichtige Empfehlung: Um den Grundsatz der wehrhaften Demokratie zu garantieren, ist es unumgänglich, dass der Staat ein Instrument bereitstellt, das es möglich macht, verfassungsfeindliche Bestreben zu erkennen und zu beobachten. Ein solches Instrument ist und bleibt der Verfassungsschutz.Für uns ist das Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizei nicht verhandelbar. Wir wollen keine politische Polizei oder Geheimpolizei. Die Notwendigkeit, den Informationsaustausch zwischen einzelnen Nachrichtendiensten oder zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten zu reformieren, sehen wir auch, aber unter scharfen, präzisen Bedingungen. Selbstverständlich ist für uns auch die enge Anbindung des Verfassungsschutzes an die Exekutive als Gegenentwurf zur Ansiedlung in einer eigenen Behörde.Zudem haben wir uns bereits frühzeitig in Schleswig-Holstein entschieden, eine starke parlamentarische Kontrolle zu gewährleisten. Mit dem parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) und der G10-Kommission haben wir als Legislative bereits eine solche umfangreiche Kontrollfunktion. Und da es hier um sensible personenbezogene Daten geht, ist selbstverständlich, dass hier das Prinzip der Geheimhaltung gilt.Der Vergleich mit Berlin hinkt an dieser Stelle übrigens, liebe Piraten-Fraktion. Denn hier hat man sich ja nur für eine etwas andere Geschäftsverteilung entschieden. Was dort geheim beraten werden muss, wird natürlich auch geheim beraten.Trotzdem stehen wir als Küstenkoalition gerne zum Gespräch bereit, wenn es darum geht, die Parlamentsrechte an dieser Stelle zu stärken und die parlamentarische Kontrolle möglicherweise weiter auszubauen. Ich finde zum Beispiel, dass man durchaus über die Einsetzung von V-Leuten nur unter G10 Vorbehalt diskutieren kann.Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die Konsequenzen aus dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ zielführend ziehen, angemessen inhaltlich über sie diskutieren und leere Fragen leere Fragen sein lassen. Für ein starkes, demokratisches und weltoffenes Schleswig-Holstein!