Jette Waldinger-Thiering: Wir dürfen die junge Generation nicht hängen lassen
Presseinformation Kiel, den 19. Februar 2014Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-ThieringTOP 8 & 16 Jugendarbeitslosigkeit in der EU bekämpfen & Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2014 Drs. 18/1430 & Drs. 18/431 „Wir dürfen die junge Generation nicht hängen lassen“Wenn wir über die EU sprechen, dann dreht sich das ganze allzu oft um die Krise, umBürokratie um krumme Gurken und Lakritz Pfeifen. Eine Debatte, in der wir uns mitdem beschäftigen, was wir eigentlich von und mit der EU wollen, wird allzu oft linksliegen gelassen. Doch genau so eine Debatte brauchen wir jetzt! Denn in nur wenigenMonaten stehen die nächsten Wahlen an. Wir müssen daher eine Diskussion anregen,mit der sich die EU-Bürger wieder identifizieren können.Sicherlich erscheinen nicht alle Schwerpunkte aus Brüssel für Jedermann von gleicherBedeutung. In dem vorliegenden Antrag zum Arbeitsprogramm haben sich dieFraktionen und Abgeordneten hier im Haus nun auf die Schwerpunkte geeinigt, die ausschleswig-holsteinischer Sicht besonderer Beachtung bedürfen. Beachtung gilt daherder festgeschriebene Wille, die fortbestehenden Lohnunterschiede zwischen den 2Geschlechtern zu verringern. In keinem anderen europäischen Land ist derGehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern so ausgeprägt wie in Deutschland.Das ist das Fazit einer OECD-Studie zu diesem Thema. 1 Ein Thema also, dass uns alleangeht. Die Europäische Kommission will die Mitgliedsstaaten tatkräftig unterstützenum diesen Phänomen entgegenzuwirken und zudem eine geeignete Vorgehensweiseaufzeigen. Ein anderer Schwerpunkt im punkto Arbeitsmarktpolitik sind die Hürdenund Hindernisse, wenn es um Mobilität von Arbeitskräften geht. Eine Angelegenheit,die nicht nur die Kommission als wichtig erachtet, sondern auch für uns in Schleswig-Holstein eine große Rolle spielt. Die Kommission will in diesem Fall den Stein ins Rollenbringen. Hierzu gehört ein vermehrt proaktives Handeln im Zusammenhang mit derMobilität von Arbeitskräften innerhalb der Europäischen Union. Dazu gehören auch dieArbeitnehmerrechte sowie die Vereinbarkeit der sozialen Sicherheitssysteme. Dabeigeht es keineswegs um eine Angleichung, sondern vielmehr um eine Vereinfachung imUmgang der Sozialsysteme bei Migrationsfällen. Zu einem vernünftigenMobilitätsprogramm von Arbeitskräften, gehört aber ebenso die Bekämpfung vonSchwarzarbeit und Steuerbetrug. Dieser Kampf kann nur über die nationalen Grenzenhinweg, in Gemeinsamkeit gelingen. Nur ein funktionierender Steuer- undFinanzsektor kann den Weg für Wachstum und Arbeitsplätze frei machen.Für uns als Land zwischen Nord- und Ostsee spielt der Seeverkehr natürlich einebedeutende Rolle. Nachdem man sich im vergangenen Jahr darum bemüht hat diekomplexe Bürokratie zu minimieren, steht nun die Sicherheit und Gefahrenabwehr iminternationalen Seeverkehr im Fokus. Dabei entwickelt die Kommission in1 http://www.oecd.org/berlin/presse/dergroeunterschiedfrauenindeutschlandverdieneneinfunftelwenigeralsmanner .htm 3Zusammenarbeit mit Frau Ashton ein Strategiekonzept, dass sowohl die interne alsauch externe Sicherheit im Seeverkehr stärken soll.Und wieder nimmt sich die Kommission für eine allgemeine Prüfung des EuropäischenSystems der Finanzaufsicht und - regulierung vor. Was für uns ins Schleswig-Holsteinvon Bedeutung ist, da die Banken und Sparkassen in unserem Land sich nach diesenneuen Steuerungssysteme richten müssen. Die Etablierung der so-genannten neuenGeneration der europäischen Finanzaufsicht wird nicht mal eben innerhalb von 12Monaten auf die Beine gestellt werden können. Nichtsdestotrotz, hat man aufeuropäischer Ebene schon vieles Umgesetzt und damit die Konsequenz aus derFinanzkrise gezogen.Nun hält die Europäische Kommission in ihrem Arbeitsprogramm erstmals fest, dasssich nach fünf Jahren Wirtschaftskrise die Anzeichen für einen Aufschwung in der EUmehren. Ein Aufschwung, von denen bisher nur wenige etwas haben. VieleMitgliedstaaten müssen weiter unter Hochdruck arbeiten, um Reformendurchzusetzen und ihre Krise zu überwinden. Einige Mitgliedsstaaten müssen härtereund längere Kämpfe ausstehen als andere. Viele EU-Bürger, genau wie ihreRegierungen auch, sind trotz Aufschwung andernorts in ihrem Alltag gelähmt vonSparzwang und Stagnation.Der Koalitionsantrag zur Europäischen Solidarität nimmt in dieser Frage ein wichtigesThema auf: Die Jugendarbeitslosigkeit. Die derzeit wohl größte Herausforderung aufdem europäischen Kontinent. Ein Thema, das uns längst im Alltag begegnet, obwohlwir in Deutschland kaum davon betroffen sind. Im April letzten Jahres lag die Zahl derJugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren in Deutschland bei 7,5%. Das ist 4der niedrigste Wert in der gesamten EU. In Griechenland sind 62,5% der jungenMenschen ohne Arbeit. So viele, wie sonst nirgendwo in der EU. Hinzu kommt noch dieenorme Schuldenlast, mit der viele Familien, nicht nur in Griechenland, zu kämpfenhaben. Das dieses Bild traurig macht, ist für mich glatt untertrieben. Es tut schlicht wegim Herzen weh. Natürlich muss es in erster Linie darum gehen, diesen jungenMenschen vor Ort eine vernünftige Perspektive zu bieten. In dieser Hinsicht ist die EUgefragt, in Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden und Regierungen ein Ausweg,aus der Perspektivlosigkeit zu schaffen. Bis zu acht Milliarden Euro hat die EU-Spitze fürdiese Maßnahmen angekündigt. Diese Maßnahmen können und sollten nicht von derEU-Spitze von oben delegiert werden. Unsere Aufgabe liegt nicht per se inGriechenland, Portugal oder in Kroatien, sondern vor unserer eigenen Haustür. Es istunsere Aufgabe, erfolgreiche Projekte aufzuzeigen, die von den EU-Mitteln profitierenkönnen und auch für andere Mitgliedsstaaten als Inspiration dienen können. Wirkönnen alle voneinander lernen und somit auch profitieren.Fest steht, dass die Zeit nicht auf unserer Seite ist. Jedes Jahr, dass verstreicht, in demdiese jungen Menschen ohne Arbeit durchs Leben schreiten, ist ein verlorenes Jahr.Der SSW unterstützt, dass die Landesregierung entsprechende Programme undInitiativen auf die Beine stellt. Bis zum Ende des zweiten Quartals diesen Jahres will dasWirtschaftsministerium einen ganzeinheitlichen Anwerbungs- undEingliederungsprozess präsentieren, in dem diese jungen Menschen zu uns nachSchleswig-Holstein geholt werden sollen. Das ist leider nicht so einfach, wie es sichvielleicht im ersten Moment anhören mag. Denn die jungen Menschen werden ausihren kulturellen und familiären Wurzeln gerissen. Je besser die Infrastruktur bei unsist, umso erfolgreicher werden wir mit unserem Anliegen auch sein können. Dazumüssen wir von der politischen Seite umso mehr intensiv mit den Betrieben in 5unserem Land Kooperieren. Wer von ihnen hat vielleicht Firmenstandorte oderKooperationspartner in Griechenland, Spanien oder anderen südeuropäischenLändern? Hier gibt es sicherlich noch einiges, das zur optimierten Vernetzung beitragenkann. Unsere schleswig-holsteinischen Best-Practice Beispiele können nicht nur uns,sondern auch anderen Bundesländern oder EU-Mitgliedsstaaten einen möglichen Wegaufzeigen, wie man es machen könnte. Ein Weg, den wir nur gemeinsam mit derjungen Generation gehen können. Und es ist auch ein Weg, den wir alle mit derEuropäischen Union gehen müssen, denn nur so kann die EU zu ihrer Stärke und zueinem Mehr an Arbeitsplätzen reifen. Ein europäischer Binnenmarkt kann sich ebennicht nur durch nehmen, sondern muss sich auch durch geben definieren. Denn nur sokann und wird Europa erfolgreich sein. Wir alle können dazu unseren Beitrag leisten.