Dr. Ralf Stegner zu TOP 25 + 30: Gute Arbeit muss auch Bestandteil der europäischen Integration sein
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 23. Januar 2014TOP 25 + 30: Arbeitnehmerfreizügigkeit: Perspektiven bieten, Chancen ergreifen, Missbrauch verhindern, antieuropäischem Populismus keine Chance lassen / Chancen der Arbeitnehmerfreizügigkeit nutzen (Drucksachen 18/1470 und 18/1476)Dr. Ralf Stegner:Gute Arbeit muss auch Bestandteil der europäischen Integration seinWer sich mit der europäischen Integration, ihrer Geschichte und Ausgestaltung beschäftigt, weiß, dass die vier Grundfreiheiten, die Freiheit von Waren, Kapital, Dienstleistungen und Personen das Fundament der Europäischen Union sind. Sie sind auch die Grundlage für den europäischen Binnenmarkt. Das mag einem in der Schwerpunktsetzung nicht immer gefallen. Ich selbst habe die Wettbewerbsgläubigkeit und die Konzentration der europäischen Institutionen auf wirtschaftliche Fragen oft kritisiert. Und ich bleibe auch dabei: Wir brauchen ein soziales Europa. Und diese Frage ist eng mit der heutigen Debatte verknüpft.Ich teile ausdrücklich nicht die Auffassung des CDU-Vizevorsitzenden Armin Laschet, wir hätten keine Sozial-Union. Die Europäische Union muss sich als Wertegemeinschaft auch als soziale Union verstehen. Hier zu sagen, das haben wir nicht, deshalb haben wir auch keine Verantwortung und deshalb besteht auch kein Gesprächsbedarf – das ist schlicht falsch. Die Gestaltung dieser Sozial-Union ist entscheidend und darüber muss auch gesprochen werden. Das ist die Zukunftsaufgabe für die EU, wenn wir die Akzeptanz für das Friedensprojekt Europa und die Solidarität in Zeiten der Krise nicht noch weiter aushöhlen, sondern stärken wollen. Und das müssen wir, um populistischen Kräften gerade auch im Vorfeld der Europawahl nicht noch mehr Zulauf zu bescheren. 2Sehr bedenklich finde ich in diesem Zusammenhang, dass die Debatte über die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die seit Beginn dieses Jahres auch für Rumänien und Bulgarien umfänglich gilt, Anlass für populistische und diskriminierende Debatten ist. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein europäisches Grundrecht; ein Grundrecht, von dem die Bürgerinnen und Bürger wechselseitig profitieren – als Einzelne, aber auch als Gesellschaft als Ganzes. Ich denke nur an den Fachkräftemangel.Diese Freizügigkeit aber in Frage zu stellen, sie in einigen Fällen begrenzen zu wollen, Menschen als unterschiedlich nützlich und wertvoll zu bewerten, ist eben diese Diskriminierung und schlicht als Populismus zu bezeichnen.Wer jetzt aber die Parolen vom politisch rechten Rand aufgreift, sich gar zu eigen macht, handelt schlicht verantwortungslos. Solche Äußerungen – zumal wenn sie als reine Wahltaktik vorgetragen werden – disqualifizieren sich selbst. Da werden Bilder von Horden ungebildeter und billiger Arbeitskräfte aus Südosteuropa erzeugt, die seit dem 1. Januar dieses Jahres in unser Land eindringen. Mich erinnert das an Peter Ustinovs Engagement gegen Vorurteile, er sagte einmal: „Das Vorurteil ist (...) einer der größten Schurken in der Besetzungsliste der Geschichte. Es benutzt die blanke Unkenntnis als Waffe.“Wer Angst vor Zuwanderung in die Sozialsysteme hat, sollte anstatt Ressentiments zu schüren lieber die zahlreichen Beschränkungen abschaffen, denen Zuwanderer und Flüchtlinge in Deutschland ausgesetzt sind. Zugang zum Arbeitsmarkt ist immer noch das beste Mittel gegen Abhängigkeit von Sozialtransfers! Dass wir einen Missbrauch von Sozialleistungen nicht zulassen dürfen, versteht sich von selbst, aber da machen wir keine Unterschiede zwischen den Menschen in diesem Land.Ich will gar nicht verhehlen, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch eine Herausforderung ist, besonders in einzelnen Kommunen. Was wir aber brauchen, sind doch Hilfestellungen und nicht das Schüren von Vorurteilen. Wir brauchen keine Angst- sondern eine Willkommenskultur.Tatsächlich zeigt diese Debatte doch vielmehr, wie wichtig eine Politik für gute Arbeit ist. Wie wichtig es ist, dass wir gegen Dumpinglöhne kämpfen. Dass wir für Mindest- und Tariflöhne einstehen. Gute Arbeitsbedingungen, gleiche Löhne für gleiche Arbeit, gleiche Bezahlung der Geschlechter, Mitbestimmung – all die Regelungen, die wir für Schleswig-Holstein bereits 3beschlossen haben, brauchen wir auch auf europäischer Ebene. Prekäre oder illegale Beschäftigung lehnen wir grundsätzlich ab.Und indem wir dagegen etwas tun, begegnen wir auch den Ungleichheiten in Europa. Ich bin überzeugt: Gute Arbeit in Schleswig-Holstein kann europäisches Vorbild werden. Ich werbe also dafür, über die Ausgestaltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinne eines sozialen Europas und guter Arbeit zu debattieren. Die Gemeinsamkeiten innerhalb Europas sollten wir bei aller Vielseitigkeit nicht in Frage stellen. Einfalt gibt es viel zu viel und die hilft uns in dieser Frage nicht weiter.