Serpil Midyatli zu TOP 16: Infrastruktur und soziale Sicherung für freie Berufe
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 20. November 2013TOP 16: Antwort auf die Große Anfrage „Freie Berufe in Schleswig-Holstein“ (Drucksache 18/1102)Serpil Midyatlı:Infrastruktur und soziale Sicherung für freie BerufeDie freien Berufe machen ausgezeichnete Lobbyarbeit. Wir haben auch mit ihren Vertreterinnen und Vertretern gesprochen. Natürlich sind sie keine homogene Gruppe. Sie umfassen, das zeigt der Bericht deutlich, eine Vielzahl von Berufsfeldern. Lösungen für Probleme, die die freien Berufe in Schleswig-Holstein benennen, können also durchaus vielfältig sein.Einige wenige Punkte möchte ich gern herausgreifen. Der Ausbau der Breitband-Infrastruktur ist ein herausragendes Thema, auch für die freien Berufe. Breitband ist, das hat die Landesregierung mehrfach deutlich gemacht, eine Basisinfrastruktur unseres Jahrhunderts. Breitband ist Basis für Bildung, Ausbildung und Berufsausübung, gerade im ländlichen Bereich. Auch ist Breitband ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Mobilität von morgen: Wo heute noch die Menschen reisen, können es häufig morgen schon die Daten sein.Wenn wir über Demografie nachdenken, über die Entwicklung unseres Landes, über die Chancen in den Ballungsgebieten und im ländlichen Raum, kommt es darauf an, weitere Schwerpunkte zu identifizieren, die die Entwicklung Schleswig-Holsteins insgesamt stützen. Im ländlichen Raum kann es künftig eng werden mit Einrichtungen der Daseinsvorsorge, wenn wir nicht gegensteuern. Attraktive Arbeitsumgebungen für Ärztinnen und Ärzte, Standortbedingungen für Apotheken, finanzielle Absicherung von Hebammenleistungen sind bedeutende Faktoren, wenn es darum geht, den ländlichen Raum als Lebensraum attraktiv zu halten. Daran müssen und werden wir weiterhin arbeiten. 2Was für die einen eine Einrichtung der Daseinsvorsorge ist, die sie in Anspruch nehmen, bedeutet für die anderen eine attraktive Arbeitsmöglichkeit. Dabei gelten die Voraussetzungen, die ich bereits genannt habe: Das Umfeld muss stimmen, wenn es mit der Selbstständigkeit klappen soll. Hier wird ein weiteres Problem deutlich das, auch in den freien Berufen, einen großen gesellschaftlichen Mangel widerspiegelt. Der Blick in die Statistik zeigt, dass Frauen in einigen wenigen freien Berufen in der Mehrzahl sind – und das sind nicht gerade die Berufe, die sich durch überragende Einkommenserwartungen auszeichnen: Hebammen (100% Frauen), Psychotherapeuten (67,9% Frauen), darstellende Künstler (52,7% Frauen) und Publizisten (51,6% Frauen) bilden die Spitze. Am anderen Ende der Skala – beider Skalen übrigens – stehen Wirtschaftsprüferinnen (89,3% Männer), Patentanwältinnen (87,3% Männer) und Buchprüferinnen (86,4% Männer).Sie wissen so gut wie ich, dass man faire Einkommenschancen nicht dadurch erreicht, dass theoretisch jede und jeder jeden Beruf ergreifen kann. Wir müssen in unserer Gesellschaft sicherstellen, dass sich die Schere zwischen den Einkommen von Frauen und Männern schneller schließt. Wir müssen auch sicherstellen, dass die Schere zwischen niedrigen Einkommen und hohen Einkommen nicht weiter auseinanderklafft. Beides ist eine Frage der Gerechtigkeit, der Nachhaltigkeit und der fairen Chancen in der Welt von morgen.Und wo schon die Einkommen im aktiven Berufsleben auseinanderklaffen, tun es die Absicherungen bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit und im Alter umso mehr. Das betrifft nicht nur, aber auch die freien Berufe. Wir müssen gerade in den Berufen Sicherheit schaffen, die nicht unter die gesetzliche Sozialversicherung fallen. Insbesondere dort, wo die Einkommen niedrig sind, gibt es immer wieder dramatische Fälle, in denen Menschen ihre Krankenversicherung nicht bezahlen können und völlig verarmen. Bei den freien Berufen, in denen das Einkommen niedrig ist, gehört dieses Risiko in den Fokus. Gerade sie könnten von der Bürgerversicherung profitieren, von einer Arbeitsversicherung für alle und von einer Ausweitung des Versichertenkreises in der gesetzlichen Rentenversicherung.Die Gender-Fragen, die sozialen Aspekte und die Entwicklung im ländlichen Raum werden uns noch intensiv beschäftigen. Freie Berufe werden in diesen demografischen Prozessen nicht im Zentrum stehen. Sie werden aber stets mitbeachtet. 3Gern diskutieren wir die Große Anfrage der CDU im Ausschuss weiter.