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27.09.13
12:59 Uhr
SPD

Kai Vogel zu TOP 22,23,25,28,39: Mobiltät und Transport in Schleswig-Holstein neu gestalten

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 27. September 2013



TOP 22, 23, 25, 28 und 39: AKN, Weiterbau A 20, S4, Stadtregionalbahn, LKW-Maut (Drucksachen 18/1062, 18/1111 neu, 18/1127, 18/1137, 18/1150)



Kai Vogel: Mobilität und Transport in Schleswig-Holstein neu gestalten

Vielen Dank für all diese Anträge! Ich freue mich sehr, dass die Union ihr Herz für den öffentlichen Personennahverkehr neu entdeckt. Das ist, da sind wir uns sicher einig, der richtige Weg, um Verkehre in Schleswig-Holstein künftig bürgernah, effizient und nachhaltig zu gestalten. Und das wollen wir!
Danke auch, dass Sie uns immer wieder daran erinnern. Ja, es stimmt: Wir wollen den Schwerpunkt unserer Investitionen auf nachhaltige Verkehre legen, allen voran auf öffentliche Verkehrsmittel. Wir wollen, dass Fahrradfahren, Fußstrecken, Bahn, Bus, Car-Sharing und der private PKW vernünftig und effizient genutzt werden. Natürlich bedeutet das eine Abkehr vom unreflektierten „weiter so“!
Qualität, Wirtschaftlichkeit und Vernetzung gehen Hand in Hand. Trotz des berechtigten Stolzes auf das bisher Erreichte: Viele Dinge funktionieren in Schleswig-Holstein noch längst nicht so gut, wie wir sie uns im Sinne einer modernen Mobilitätspolitik wünschen. Dazu zählt auch die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel. 2



Mobilität und Transport sollten wir vom Ziel her denken, wir sollten beides auch vernetzt denken. Wir sollten uns die Fragen stellen, wo und wie Menschen in 10, in 20 und in 50 Jahren mobil sein wollen, welche Waren und welche Dienstleistungen wo zur Verfügung stehen sollen. Klimawandel und Energieeffizienz sind wichtige Themen für die Anforderungen von morgen, gerade auch im Bereich der Mobilität.
Das kann und muss auch einmal bedeuten, dass wir Zäsuren nutzen, um unsere bisherigen Schwerpunkte zu überdenken. Natürlich wird die Baumaßnahme auf der Autobahn A7 genutzt, um den öffentlichen Personennahverkehr zu stärken. Und ganz klar muss darauf folgen, dass wir diese Zeit nutzen wollen, um Menschen dauerhaft von den Vorteilen des Bahnfahrens zu überzeugen: für sich selbst, zur Reduzierung der Emissionen, mittelfristig für einen Umschwung vom Auto zum vernetzten Verkehr. Vermeidung von Staus, Unabhängigkeit von Straßenbauarbeiten und die Umweltfreundlichkeit lassen die Bahn gerade in der Bauphase zu einer echten Alternative zum Auto werden.
Wir haben ja im Mai hier im Landtag darüber gesprochen. Für uns geht es darum, attraktive Verbindungen nach Hamburg, nach Kiel und Flensburg zu etablieren. Wir wollen Menschen dauerhaft für öffentliche Verkehrsmittel und effizientere Mobilität gewinnen, auch über die A7- Bauphase hinweg. Dazu gehören unter anderem vernetzte Verkehre, Park-and-Ride und Bike- and-Ride, Car-Sharing und Mitfahr-Portale, damit die individuelle Mobilität effizienter, billiger und umweltfreundlicher wird. Durch diese Vernetzung der unterschiedlichen Mobilitätsangebote steigern wir deren Flexibilität und somit auch deren Attraktivität. Die Stärkung und Attraktivitätssteigerung der Bahnverbindungen auf den Strecken Hamburg–Kiel und Hamburg– Flensburg gehört ebenfalls dazu. Das habe ich damals hier im Landtag gesagt und das finde ich richtig.
Herr Kollege Dornquast, Sie hatten ja bereits im April beantragt, den „Ausbau zur S21 mit Priorität voranzutreiben, um eine konkurrenzfähige Alternative in der Metropolregion Hamburg zur Straße – insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreichen Baumaßnahmen auf der A7 in den nächsten Jahren – zu schaffen“. Wir haben vereinbart, dies in einer gemeinsamen Ausschusssitzung mit Hamburg zu erörtern, und dieser Vorschlag steht für mich nach wie vor. Zusammenarbeit und Dialog sind bei diesem Thema unerlässlich. 3



Tatsächlich ist die enge Abstimmung mit Hamburg (nicht nur, aber auch) im Bereich der Mobilität aus unserer Sicht von großer Bedeutung: Hamburger Unternehmen sind wichtige Arbeitgeber und Auftraggeber für die Beschäftigten und Unternehmen bei uns in Schleswig-Holstein. Ganz klar, dass wir darüber zu sprechen haben, wie Menschen von einem Ort zum anderen kommen.
Zur Mobilität gehört aber auch, dass wir kritisch darauf schauen, welche Wege überhaupt nötig sind: eine gute Infrastruktur – dazu gehören schnelle Breitbandanschlüsse, gute Bildung vor Ort, gute Bedingungen für die Wirtschaft und vieles mehr – kann die Verkehre entlasten. Überflüssigen Verkehr wollen wir durch bessere Logistik und klügere Siedlungsstrukturen vermeiden. Notwendige und gewünschte Mobilität fördern wir.
Unstreitig ist, dass in unsere Verkehrsinfrastruktur kräftig investiert werden muss, vorrangig in die ökologisch günstigsten Verkehrsträger und in kombinierte Verkehre. Ein moderner und leistungsfähiger Schienenverkehr kann die Lebensqualität der Städte und Regionen sichern. Dazu gehört auch, dass Bus und Bahn wirtschaftlicher werden: Wirtschaftlicher für die Nutzerinnen und Nutzer und wirtschaftlicher für die öffentliche Hand, als deren Aufgabe wir den öffentlichen Personennahverkehr weiter sehen. Teilhabe an unseren Mobilitätsangeboten ist für uns ein wichtiges Gut: Das betrifft neben der Bezahlbarkeit der Verkehrsmittel auch den Zugang für Menschen mit Behinderung, die Sicherheit der Verkehrsmittel sowie Angebote, die sich explizit an alle Bevölkerungsgruppen richten und ihre Nutzungszeiten und Mobilitätsbedarfe ins Zentrum stellen.
Gerade in Zeiten des demografischen Wandels ist für unsere Kinder und Jugendlichen sowie ältere Menschen im ländlichen Räum der uneingeschränkte Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln etwas Unverzichtbares. Für kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe, für Zugang zu Bildung und Gesundheitsdienstleistungen – kurzum: Teilhabe am Leben. Niemand darf von der Verkehrsnutzung ausgeschlossen sein! 4



Natürlich können und werden wir das nicht alles auf einmal erreichen. Wir können aber, wenn wir wissen, wohin wir wollen, die richtigen Wege einschlagen: Bauzeiten nutzen, um neue Mobilitätsgewohnheiten zu fördern, Mittel prioritär für öffentliche und für ökologisch und sozial sinnvolle Verkehrsmittel zur Verfügung stellen, nachhaltigen Transport fördern. Deshalb hat bei uns Instandhaltung unbedingt Vorrang gegenüber Neubau, was die Straßen betrifft. Deshalb setzen wir einen Schwerpunkt auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
Daher freue ich mich auch über Ihren Antrag zum Planungsstand der großen Projekte S4, AKN und Stadtregionalbahn. Sie haben Recht: Alles auf einmal wird nicht möglich sein. Deshalb ist es gut, darüber zu sprechen, was wir wollen und wofür wir es wollen. Diese Gespräche führen wir untereinander, wir führen sie mit unseren Partnern in den Nachbarländern und wir führen sie – das ist ganz wichtig – mit Bürgerinnen und Bürgern.
Was nützt das beste Verkehrskonzept, wenn wir nicht dafür werben? Und was nützt es, schnell von A nach B zu kommen, wenn die Musik ganz woanders spielt? Was nützt es, z.B. auf Schnelligkeit zu setzen, wenn es vor Ort vor allem auf Lärmschutz und Verkehrssicherheit ankommt?
Bürgerinnen und Bürger haben viel mehr Kompetenzen, als die Politik manchmal wahrnimmt. Hierauf sollten wir stärker setzen, nicht nur wenn es um ein offenes Ohr für Proteste geht, sondern viel früher. Mobilität darf sich auch nicht darauf beschränken, wie die Menschen zu den Dingen kommen, sondern soll auch mal die Dinge wieder zu den Menschen bringen. Viele solcher Anregungen nehme ich aus Gesprächen und Veranstaltungen mit. Die Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Verkehrs sind gleichzeitig dessen größte Unterstützerinnen und Unterstützer. Ihre Bedürfnisse müssen hier in einem besonderen Fokus stehen.
Sie sehen: Unsere Kritik am „weiter so“ stützt sich auf viele Pfeiler. Wir wollen Mobilität und Transport in unsere fachübergreifenden Planungen einbetten, wir wollen beides in den Kontext stellen, wie wir morgen leben wollen. Sehr gern lade ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition ein, all das konstruktiv mit uns zu erörtern. 5



Auf Bundesebene machen wir uns für höhere Investitionsmittel für die Verkehrsinfrastruktur stark. Auch sie gehören in den Zusammenhang eines Gesamtkonzepts, das gesellschaftliche Ziele in den Mittelpunkt stellt. Wir brauchen klare Prioritäten und eine gut ausfinanzierte Umsetzung, wir müssen dafür auch mal „nein“ sagen, auch wenn es schwer fällt.
Wir können die begrenzten finanziellen Mittel und den demografischen Wandel als Chance nutzen, um echte Mobilitätspolitik der Zukunft zu gestalten: Mit den Menschen und für die Menschen.
Ihre Anträge möchten wir gern im Ausschuss weiter mit Ihnen beraten, mit Ausnahme des Berichtsantrags (TOP 25, Drs. 18/1127), dem wir zustimmen.