Serpil Midyatli zu TOP 31, 34, 45: Von einer humanitären Flüchtlingspolitik profitieren wir alle
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 25. September 2013TOP 31, 34, 45: Menschenwürdige Unterbringung sichern! / Ausbildungsförderung für Flüchtlinge erleichtern / Asylrecht weiterentwickeln (Drucksachen 18/598, 18/656, 18/669, 18/1142, 18/1145, 18/1162)Serpil Midyatli:Von einer humanitären Flüchtlingspolitik profitieren wir alle!Ich möchte Ihnen heute eine Geschichte erzählen, die Geschichte eines jungen Afghanen, der mit 15 Jahren nach Deutschland gekommen ist, Samir. Samir ist in einer Flüchtlingsunterkunft mit drei weiteren Jugendlichen untergebracht, die er vorher nicht kannte. Es ist eng in der Unterkunft, die weit ab liegt von der Schule, die Samir besucht. Er steht morgens um 5 Uhr auf und macht sich auf den Weg. Er will lernen, Deutsch lernen. Und Samir lernt schnell, so schnell, dass es ihm gelingt, binnen zwei Jahren seinen Schulabschluss zu erreichen. Die Fahrtkosten trägt er selber, denn er hat keinen Anspruch. Samir hat nämlich keinen gesicherten Aufenthalt in Schleswig-Holstein.Mittlerweile ist Samir 17 Jahre alt und kann aufgrund seines guten Abschlusses eine Ausbildung machen, in der Pflege. Samir ist motiviert, aber immer in Sorge: Wie geht es weiter, was ist morgen, darf er bleiben und seine Ausbildung zu Ende machen? Mit dem wenigen, was er bekommt, muss Samir zurecht kommen, was schwierig ist. Er ist auf Spenden angewiesen, auf Unterstützung von Vereinen, die ehrenamtlich Samir und anderen jungen Menschen helfen. Denn Samir hat keinen Anspruch auf BAföG oder andere ergänzende Leistungen, denn dafür bräuchte Samir einen gesicherten Aufenthalt, den er nicht hat.Warum erzähle ich diese Geschichte? Ich wollte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, am Beispiel von Samir zeigen, was sich hinter all den Paragraphen verbirgt: Menschen. Menschen mit ihren Schicksalen... Die zu uns geflüchtet sind vor Krieg und Verfolgung. Die sich hier 2bemühen, ein normales Leben zu führen. Die in Unterkünften untergebracht sind, die in der Regel eine schlechte Anbindung an Infrastruktur haben. Weit weg sind von Integrationszentren und weit weg von den Schulen, die junge Menschen wie Samir aufnehmen können und wollen.Die Situation der Unterbringung wird sich in den nächsten Monaten nicht entspannen, denn die Zahl der Flüchtlinge, die insbesondere aus Syrien zu uns kommen, wird weiter steigen. Daher begrüßen wir sehr den Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU, den wir unterstützen, die Kommunen mit dieser schwierigen Situation der Unterbringung nicht alleine zu lassen. Denn wir wissen, was passieren kann, wenn wir uns nicht jetzt für eine gemeinsame Lösung von Land und Kommunen einsetzten. Es ist niemandem damit geholfen, den Schwarzen Peter hin und her zu schieben. Jetzt muss gehandelt werden, um eine menschenwürdige Unterbringung sicherzustellen. Daher bitte ich, diesen Antrag heute hier in der Sache abzustimmen.Aber mit der Unterbringung der Flüchtlinge darf humanitäre Flüchtlingspolitik nicht enden. Daher bitten wir die Landesregierung, über den Bundesrat initiativ zu werden, um jungen Menschen wie Samir den Zugang zu Ausbildungsförderung zu erleichtern. Die jungen Menschen haben eine echte Chance verdient. Sie dürfen nicht davon abhängig sein, ob sich jemand findet, der ihnen aus Nächstenliebe hilft.Integration von jungen Menschen dürfen wir nicht dem Zufall überlassen. Daher beantrage ich, den Antrag zur Ausbildungsförderung für Flüchtlinge in den Bildungsausschuss und mitberatend in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Vielleicht gelingt es uns hier, am Schluss der Beratung auch gemeinsam zu einer Lösung zu kommen.Wir wollen den dritten uns hier vorliegenden Antrag „Asylrecht weiterentwickeln – Teilhabe und Chancen verbessern“ heute in der Sache abstimmen. Denn ein barrierefreier Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge ist in der heutigen Zeit zwingend notwendig. Und glauben Sie mir, davon werden wir alle profitieren. Denn es kommt ja nicht von irgendwo her, dass sich die Handwerkskammer Lübeck so intensiv um die jungen Flüchtlinge bemüht. Die meisten jungen Flüchtlinge sind in den Ausbildungsberufen im Hotel- und Gaststättengewerbe oder in der Pflege anzutreffen.Ich hoffe, ich konnte Ihnen am Beispiel von Samir aufzeigen, wie dringend notwendig es ist, dass wir uns weiter für eine humanitäre Flüchtlingspolitik einsetzen. 3Flüchtlingspolitik dürfen wir heute nicht mehr separat denken, sondern im Kontext mit einer Integrationspolitik, die auf Teilhabe und gleiche Chancen setzt. Wenn ich Samir fragen würde, was er sich wünscht, dann wird Samir uns vermutlich sagen: „Was sich ein 17jähriger Schleswig-Holsteiner so wünscht... Ein ganz normales Leben.“