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01.08.13
10:34 Uhr
Landtag

25 Jahre Bürgerbeauftragte in Schleswig-Holstein

Nr. 89/2013 Kiel, 1. August 2013



25 Jahre Bürgerbeauftragte in Schleswig-Holstein

Kiel (SHL) – 63.900 Schleswig-Holsteiner suchten in 25 Jahren Hilfe bei der Bürgerbe- auftragten für soziale Angelegenheiten: Ein deutliches Zeichen für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in deren Tätigkeit – ein schlechtes Zeichen für die Verwal- tungen.

Schleswig-Holstein führte als eines der ersten Bundesländer im Jahr 1988 das Amt einer Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten ein. Im ersten vollen Arbeitsjahr 1989 gab es 804 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern. Bis 2003 schwankte die Zahl der Hilfesu- chenden zwischen 2.000 und maximal 2.800 pro Jahr. 2007 wurde mit 3.382 Eingaben die 3000er-Marke erstmals überschritten. Seitdem wandten sich jedes Jahr mehr als 3.500 Menschen mit ihren Sorgen und Nöten an die Bürgerbeauftragte. Den absoluten Höchstwert gab es 2011. Die Eingabenzahl stieg damals auf 3.713.

Auffällig ist, dass sich deutlich mehr Frauen als Männer an die Bürgerbeauftragte wandten. In den letzten fünf Jahren 2008 bis 2012 waren es 10.863 Frauen, aber nur 7.117 Männer. Ob die soziale Not bei Frauen wirklich größer ist, lässt sich aus diesen Zahlen jedoch nur bedingt ablesen. Vielmehr scheint es ein Indiz zu sein, dass die Regelung von Familienbe- langen in Frauenhand ist.

Die Präsenz im Land und die direkte Erreichbarkeit war in den letzten 25 Jahren allen Bür- gerbeauftragten ein wichtiges Anliegen. Alleine zweieinhalb Arbeitsjahre wurden deshalb nur für die Sprechtage vor Ort verwendet. Hinzu kommt die Teilnahme an fast 1.000 öffentlichen Veranstaltungen. Die Vertretung der sozialen Interessen der Hilfesuchenden kann eben nicht nur vom Büro aus erfolgen.

Wesentlich geprägt haben die Tätigkeit der Bürgerbeauftragten die großen Reformen in der Sozialgesetzgebung. Alle Säulen der sozialen Sicherung wurden entweder grundlegend Schleswig-Holsteinischer Landtag, Postfach 7121, 24171 Kiel ▪ Tobias Rischer, pressesprecher@landtag.ltsh.de, Tel. 0431 988-1120; Fax 0431 988-1014 ▪ www.sh-landtag.de → Presseticker 2


überarbeit oder erst neu geschaffen. Beispielsweise traten 1989 das SGB V (gesetzliche Krankenversicherung), 1992 das SGB VI (gesetzliche Rentenversicherung), 1995 das SGB XI (soziale Pflegeversicherung) und 2005 das SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) sowie das SGB XII (Sozialhilfe) in Kraft. Den ratsuchenden Bürgerinnen und Bürgern immer ein kompetenter und fachlich versierter Ansprechpartner zu sein, war und ist die große Auf- gabe und der Anspruch der Bürgerbeauftragten mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Um dies zu erfüllen, bedarf es jedoch immer größerer Anstrengungen.

Unzweifelhaft hat die Zunahme der Gesetzesdichte und die kleinteilige Ausdifferenzierung des Sozialsystems in den letzten 25 Jahren dazu geführt, dass die Bürgerinnen und Bürger kaum noch in der Lage sind, ihre Rechte und Pflichten zu überblicken. Entsprechend ist der individuelle Beratungs- und Informationsbedarf erheblich gestiegen. Die Praxis der Bürger- beauftragten zeigt zudem, dass die Mitarbeiter in den Sozialbehörden als erste Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger ihrem gesetzlichen Aufklärungs- und Beratungsauftrag (§§ 13 und 14 Sozialgesetzbuch I) kaum noch nachkommen können und oder wollen. Die be- rechtigten Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger laufen somit oftmals ins Leere. Ärger und Unmut macht sich bei den Betroffenen breit. Dem gilt es, entschieden entgegen zu wirken.

Festzustellen ist zudem, dass sich die Sozialbehörden immer mehr mit der eigenen Organi- sation beschäftigen und weniger Zeit haben, sich um die wirklichen Probleme der Bürgerin- nen und Bürger zu kümmern. So werden Verfahrensabläufe oft alleine an den Interessen der Behörden ausgerichtet. Beispielhaft sei die Erschwerung einer direkten Kontaktmöglich- keit zwischen Bürgern und Sachbearbeiter durch die Zwischenschaltung von Callcentern genannt. Eine zeitnahe und unbürokratische Klärung von einfachen Fragen und Sachverhal- ten ist kaum möglich und wohl auch nicht erwünscht.

Dabei bleibt die für die Betroffenen wirklich wichtige Frage: Wann ist mit einer Bearbeitung und Entscheidung ihres Anliegen zu rechnen? Bei den meisten Behörden bleibt dies im Dunkeln und ist nicht berechenbar. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entscheidungen und Bescheide oftmals nicht nachvollziehbar sind. Dies führt zu Konflikten und Schwierigkei- ten, die durch eine konsequente Ausrichtung der Behörden auf die Sichtweise der Bürger vermieden werden könnte.

Aus Sicht der Bürgerbeauftragten sollte der Schleswig-Holsteinische Gesetzgeber daher bei der anstehenden Reform der Landesverfassung ein Zeichen setzen und das „Recht auf eine gute Verwaltung“ in die Landesverfassung aufnehmen. Die Europäische Union hat diesen Schritt bereits getan und das „Recht auf eine gute Verwaltung“ in Art 41 der EU-Charta ver- ankert. Dabei geht es nicht darum, neue Ansprüche zu kreieren, sondern es sollten Leitlinien für das Verwaltungshandeln und das Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern festgelegt werden. „Beispiele wären etwa eine Begründungspflicht bei Entscheidungen oder eine um- fassende Beratungspflicht, aber auch, dass Entscheidungen innerhalb einer angemessen Frist zu treffen sind“, so Birgit Wille heute (Donnerstag, 1. August) im Kieler Landeshaus. 3



Die Bürgerbeauftragte wird sich daher in den nächsten Wochen und Monaten mit Nachdruck dafür einsetzen, dieses Ziel zu erreichen: „Sollte dies gelingen, ist ein erster wichtiger Schritt getan, um dass vielfach verlorengegangene Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Verwaltung zurückzugewinnen“, sagte Wille abschließend.



Das Büro der Bürgerbeauftragten im Karolinenweg 1 in Kiel steht den Ratsuchenden werk- tags von 9 bis 15 Uhr offen, mittwochs zudem bis 18.30 Uhr. Informationen zur Anreise ste- hen auf der Website des Landtages (www.landtag.ltsh.de/beauftragte/bb/). Die Bürgerbeauftragte ist aber auch per Post, Telefon, Fax und E-Mail zu erreichen (Post- fach 7121, 24171 Kiel; Tel.: 0431 988-1240; Fax: 0431 988-1239; buergerbeauftrag- te@landtag.ltsh.de).