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18.06.13
12:00 Uhr
SPD

Olaf Schulze zu TOP 1: Solidarität und nachhaltige Umweltpolitik

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 18. Juni 2013



TOP1: Aktuelle Stunde zu den Folgen des Elbhochwasssers



Olaf Schulze:
Solidarität und nachhaltige Umweltpolitik

9,63 m: eine magische Zahl für Lauenburg. Der höchste Wasserstand, den Lauenburg erlebt hat. Langsam geht der Pegel der Elbe zurück. Nach und nach kehren die Bürgerinnen und Bürger in ihre Häuser zurück, räumen ihre Häuser und Wohnungen auf und finden in die Normalität zurück. Aber was für eine Normalität ist das!
Wir alle haben die Bilder gesehen: überflutete Straßen, verschlammte Keller, zerstörte Infrastruktur. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist der großartige Zusammenhalt. Familien, Nachbarschaften und Freundeskreise packen zusammen an. Hinzu kommen völlig Fremde, die ihren Urlaub oder ihre Wochenenden opfern, um für die da zu sein, die von den Überschwemmungen betroffen waren. Zehntausende meist junge Leute haben Tag und Nacht Sandsäcke gefüllt. Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Krankentransporte, Soldatinnen und Soldaten, Wasserwacht, Krisenzentren vor Ort – sie alle leisten in diesen Tagen hervorragende Arbeit. Ihnen gilt unser besonderer Dank.
Wenn man den Zusammenhalt in der Bevölkerung und das Zusammenspiel der verschiedenen Rettungs- und Hilfsdienste sieht, kann man sich schon mal fragen, ob es nicht einfach immer so sein kann, auch ohne Katastrophe. Die Lauenburger sind noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen, aber trotzdem gehört ihnen heute unser Mitgefühl. Und sie erwarten zu Recht gerade jetzt unsere Hilfe, schnell und unbürokratisch.
Als Soforthilfe für die betroffenen Menschen hat Schleswig-Holstein 1 Million Euro bereitgestellt, der Finanzausschuss hat die Mittel bereits letzten Donnerstag einstimmig freigegeben. Der Bund stockt die Mittel um den gleichen Betrag auf, so dass nun 2 Millionen Euro bereitstehen. „Hilfen 2



zur Linderung von Notständen in besonderen Härtefällen“ sollen das sein, also Mittel, um Menschen unmittelbar mit dem Nötigsten zu unterstützen. Antragstellung und Auszahlung erfolgt direkt bei den Städten Lauenburg und Geesthacht.
Pro Person werden in einem Haushalt 500 Euro Soforthilfe bewilligt. Die Zahlung wird pro Haushalt auf 2.500 Euro begrenzt. Ein konkreter Nachweis für den Schaden ist nicht erforderlich, es reicht die im Antrag vorgesehene Versicherung, dass Schäden in dieser Höhe entstanden sind.
Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer erhalten für Schäden in ihrem Haus eine Soforthilfe bis zu 5.000 Euro. Hier müssen die Städte die notwendigen Reparaturen wie beispielsweise Trockenlegung, Beseitigung von Ölschäden oder Reparatur von Heizungen feststellen. Außerdem gibt es einen Härtefonds für Menschen, die durch das Hochwasser in Lauenburg oder Geesthacht in eine existenzgefährdende Notlage geraten sind. Wir müssen und wir werden in dieser konkreten Situation wieder helfen. Das ist richtig so, das wird viel Geld kosten, und es macht deutlich, dass die betroffenen Menschen nicht allein dastehen.
Wie Sie wissen, verhandeln die Bundesländer zurzeit mit dem Bund über die Voraussetzungen für weitere Hilfen in erheblicher Höhe. Insgesamt werden es rund 8 Milliarden Euro sein. Auch diese werden je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern erbracht.
Wegen unserer soliden Haushaltsführung werden wir in Schleswig-Holstein voraussichtlich in der Lage sein, die Mittel aufzubringen, ohne uns stärker als vorgesehen zu verschulden. Andere betroffene Bundesländer und der Bund werden dies voraussichtlich im laufenden Haushalt nicht hinbekommen, so dass dort noch über die Gegenfinanzierung diskutiert wird – ob befristete Steuererhöhung, wie aus der SPD gefordert, oder Erhöhung der Staatsverschuldung, wie die CDU präferiert, ist noch offen. Im Laufe des Tages werden wir mehr erfahren. Den Vorschlag des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans, die Körperschaftsteuer zur Fluthilfe-Finanzierung moderat und vorübergehend zu erhöhen, sollte der Bund ernsthaft in Betracht ziehen.
Die Soforthilfe steht überhaupt nicht in Frage. Sie ist für die betroffenen Menschen notwendig, und sie ist auch ein Zeichen einer gesamtgesellschaftlichen Solidarität. Darüber hinaus müssen wir darüber diskutieren, ob der Hochwasserschutz in der bisherigen Form auch weiterhin richtig ist. Vier große Hochwasser innerhalb weniger Jahre sind sehr viel. Wenn wir künftig mit häufigeren extremen Hochwassern rechnen, brauchen wir angepasste Schutzmaßnahmen. Das bedeutet: aktiver Hochwasserschutz wie die Erhöhung der Deiche und Sicherung der Häuser. 3



Allerdings wird dieses nicht alleine ausreichen, um gegen erneute, immer höhere Hochwasser zu bestehen.
Gerade Schleswig-Holstein ist darauf angewiesen, dass elbaufwärts der Hochwasserschutz funktioniert. Immer höhere Deiche sind aber keine Lösung. Langfristig müssen wir mehr Wert auf den Erhalt und die Schaffung von Retentionsflächen, Poldern und Überflutungsräumen legen. Flüsse brauchen Platz, und sie brauchen ihn bereits flussaufwärts. Daher kann der Hochwasserschutz für Schleswig-Holstein nur im Zusammenspiel der Elbanrainer funktionieren.
Wir sollten uns auch überlegen, wie ein modernes, an Beteiligung orientiertes Planungsrecht den Interessen von Bürgerinnen und Bürgern einerseits und gesamtgesellschaftlichen Interessen auf der anderen Seite entsprechen kann. Ich wünsche mir, dass wir zu Lösungen kommen, die möglichst Zwangsenteignungen vermeiden. Noch frühzeitigere Beteiligung im Planungsprozess, gute und möglichst einvernehmliche Lösungen z.B. beim Flächentausch könnten hier helfen. Ein Blick über die niederländisch-deutsche Grenze zeigt, dass so etwas möglich ist.
Deutschland hat noch immer einen besonders hohen Flächenverbrauch, wertvolle Bodenfläche geht verloren. Das bedroht die Artenvielfalt, führt zu Überschwemmungen und trägt zum Klimawandel bei. Langfristig müssen sich Ver- und Entsiegelung die Waage halten. Die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten würde helfen, auch flussabwärts größeren Schutz zu bieten. Dazu muss man sich auch Gedanken über Entsiegelung von Flächen machen.
Ausgleichszahlungen für extensive Landwirtschaft mit großen Überflutungsflächen und eine dezentralisierte Regenwasserbewirtschaftung können weitere Präventionsmaßnahmen sein. Aus ökologischen Gründen wären solche Maßnahmen ebenfalls zu begrüßen. Sie dienen dem Naturschutz, fördern naturnahen Tourismus und sorgen für Artenvielfalt.
Es gibt viele Gründe, unsere Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik umzusteuern. Einer davon ist, dass man sich die Umwelt nicht beliebig untertan machen kann. Der Koalitionsvertrag, den wir mit Bündnis 90/Die Grünen und SSW vereinbart haben, sieht die Ausweitung von Umwelt- und Naturschutz vor. Den zunehmenden Flächenverbrauch wollen wir stoppen. Für Hochwasser-und Küstenschutz streben wir einen integrativen Ansatz zwischen Natur- und Umweltschutz, Tourismus und Wirtschaft an und machen ganz deutlich: Der Schutz der Menschen hat für uns Vorrang vor anderen Interessen.
Das Hochwasser in Lauenburg und Geesthacht zeigt: Ein „weiter so“ kann es nicht geben. Wir müssen im präventiven Bereich mehr tun – das hilft den Menschen, es hilft der Umwelt und es hilft auch der Wirtschaft. Wir müssen es zusammen tun, denn ohne die elbaufwärts gelegenen 4



Regionen wird es nicht gehen. Das Hochwasser zeigt auch, wie solidarisch unsere Gesellschaft immer noch ist. Im Kleinen, bei der Nachbarschaftshilfe ebenso wie im Großen, wenn es um unbürokratische Milliardenhilfen geht. Beides sollten wir nicht vergessen.