Dr. Kai Dolgner zu TOP 37: Für freien Wissenszugang, fairen Wettbewerb und Teilhabe
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 31. Mai 2013TOP 37, Netzneutralität stärken (Drucksache 18/852)Dr. Kai Dolgner:Für freien Wissenszugang, fairen Wettbewerb und TeilhabeDie Wahrung der Netzneutralität gehört zu den wichtigen Zukunftsaufgaben in einer sich durch die Digitalisierung rasant wandelnden Gesellschaft. Auch wenn es die Piraten, hoffentlich positiv, überraschen mag: Wir haben uns auch schon vor Ihrem Einzug mit der Netzneutralität beschäftigt. Leider konnte sich Schwarz-Gelb in der letzten Wahlperiode nicht unserer Forderung anschließen, die Verpflichtung zur Netzneutralität im deutschen Telekommunikationsrecht zu verankern.Wir sind den Piraten dankbar, dass sie wieder einmal eine unseren Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag aufnehmen, in diesem Fall nämlich, die Vergabe von Fördermitteln möglichst an die Wahrung der Netzneutralität zu koppeln. Bei so viel Unterstützung bei der Umsetzung unseres Koalitionsvertrages kann dieser ja nur gut sein.Etwas enttäuscht war ich aber, dass der Antrag sich zu dem wirklich problematischsten Aspekt bei der geplanten Drosselung bei der Telekom ausschweigt und auch in der Begründung einen mehr indirekten Hinweis gibt. Stattdessen beleuchten Sie eher die Nutzerseite. Ja, es ist ärgerlich, wenn in Deutschland Produkte als Flatrate vermarktet werden, die keine Flatrate sind, und eine Begriffsklärung ist dringend notwendig. 2Dieses ist wie bei vielen Etikettenschwindeleien eine Frage des Verbraucherschutzes und die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist schon entsprechend tätig geworden. Ich finde es dem Grunde nach nicht verwerflich, wenn ein Anbieter einen Volumentarif anbietet, nur sollte er diesen auch so nennen. Zum Glück kann der Verbraucher aber zumindest den Provider wechseln.Nein, das Hauptproblem ist, dass der Verkehr für das Telekom-eigene Streaming-Angebot Entertain nicht auf dieses Volumen angerechnet werden soll! Alternative Anbieter werden also klar benachteiligt. Nun behauptet die Telekom, dieses sei gar kein Verstoß gegen die Netzneutralität, weil Entertain ja gar kein Internetdienst sei. Aha, dann ist ja alles gut. Hm, der neue Dienst wird aber als „IP-basierter Telekom Anschluss“ vermarktet. Wofür stand IP nochmal, war das nicht „Internet Protocol?“ Hat aber natürlich nichts mit dem Internet zu tun, schreibt sich ja auch ganz anders.Nun hat die Telekom sich ja schon häufiger gegen die Netzneutralität ausgesprochen. René Obermann hat laut Managermagazin schon 2010 festgestellt: „Wenn die Telekom besondere Netzsicherheit oder höchste Übertragungsqualität zum Beispiel für Musik oder Video biete, müsse dies ‚auch differenziert bepreist werden‘“. Übersetzt heißt das doch: Für finanzschwache Start-Ups, Anbieter ohne kommerzielle Interessen wie freie Betriebssysteme, freie Software, freie Kunstprojekte, Nichtregierungsorganisationen usw. gibt es die Basisversion. Da tröpfeln dann die Daten. Da kann der Datenstrom auch gerne mal abbrechen. Wer das nicht will, soll halt zahlen! Nun gut, wenigstens brauchen wir uns nicht mehr die Geschichte von der störungsfreien Übertragung von Online-Operationen anhören. Karitative Überlegungen sind ja auch eher selten der Grund für die Einführung neuer Geschäftsmodelle.Dieses würde übrigens auch den Bildungsbereich treffen. Online-Unterricht? Freie Lernmaterialien? Multimediales Lernen? Alles nicht mehr möglich oder Schulen und Hochschulen zahlen für die Bereitstellung im Premiumnetz mit voller Bandbreite. An wen eigentlich? Alle Provider? Oder etwa ein spezieller Provider? Gibt es dann irgendwann ein besonders performantes Bildungsnetz – gegen einen kleinen Obolus, versteht sich – mit anbieterspezifischen, inkompatiblen Lösungen, an denen Hochschule und Studierende teilnehmen müssen? 3Es wäre auch das Ende der Innovationskraft, die das Internet freisetzt, und zwar sowohl der wirtschaftlichen als auch der gesellschaftlichen! Welches Start-Up-Unternehmen könnte denn auch noch die bevorzugte Behandlung seiner Daten finanzieren – von nonprofit-Projekten wie Wikipedia ganz zu schweigen? Es ist also sowohl ein Gebot des fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs, der gesellschaftlicher Teilhabe und des freien Wissenszugangs, die Netzneutralität zu verteidigen.Ich beantrage die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss sowie in den Wirtschaftsausschuss, dort sollten wir uns noch mal sowohl mit den Formulierungen als auch mit der Machbarkeit der einzelnen Punkte auseinandersetzen.