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26.04.13
14:22 Uhr
SPD

Dr. Gitta Trauernicht zu TOP 42, 58, 60: Kompetenzen durch frühkindliche Bildung entwickeln

Rede wurde zu Protokoll gegeben!
Kiel, 26. April 2013


TOP 42, 58, 60: Fachkräftebedarf aufgrund des Krippenausbaus / Soziale Ungleichheiten und Bildungsbenachteiligungen durch Angebote der frühkindlichen Bildung und Betreuung für alle Kinder ausgleichen / Vereinbarung zur Finanzierung des Krippenausbaus (Drucksachen 18/745, 8/693, 18/695)



Dr. Gitta Trauernicht:
Kompetenzen durch frühkindliche Bildung entwickeln

Die Kitavereinbarung ist eine politische Meisterleistung. Sie trägt entscheidend zum notwendigen, erfolgreichen Ausbau der Kindertagesbetreuung vor Ort bei. Die Landesregierung hat beizeiten in einer bundesweiten Arbeitsgruppe Handlungsempfehlungen zur Deckung des Fachkräftebedarfs erarbeitet und setzt diese nun aktiv im Land um und mit der notwendigen sozialpolitischen Sensibilität wird der Zugang zu frühkindlicher Bildung vorangetrieben, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen.
Eines ist jedoch klar: Engagierte Arbeit ist erforderlich: von der Landesregierung, von den öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe, von der Kommunalpolitik. Nicht zu vergessen die Eltern! Das Motto: Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung für alle ist nur als Gemeinschaftsleistung zu erreichen. Dieses Verständnis der Landesregierung bekräftigen wir mit allem Nachdruck. Und sagen an dieser Stelle: Danke schön!
Der 14. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung kommt bei seiner Analyse der Lebenssituation von Kindern zu einem beachtenswerten Befund, so banal wie radikal: Kindheit und Jugend spielen sich heute an anderen Orten und in anderen Settings ab. Die Kindheit des 21. Jahrhunderts ist keine reine „Familienkindheit“ oder „Straßenkindheit“ mehr, wie sie in Westdeutschland vor wenigen Jahrzehnten üblich war. Das Aufwachsen vollzieht sich mehr denn je von Anfang an als eine „organisierte und betreute Kindheit“. Die pädagogische Planung und Gestaltung der Lebenswelt der nachwachsenden Generation gehört zur Normalität und zu den neuen Selbstverständlichkeiten des Aufwachsens am Beginn des 21. Jahrhunderts. 2



Kein Zweifel, nach wie vor liegt das Recht und die Pflicht der Erziehung bei den Eltern, aber längst ist eine neue Verantwortungsgemeinschaft zwischen Eltern, Zivilgesellschaft und Staat entstanden. Die Forderung nach mehr öffentlicher Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern ist Realität geworden.
Eltern stellen zunehmend Ansprüche an Vorhandensein und Qualität einer breiten Infrastruktur. Und umgekehrt erwartet der moderne Wohlfahrtsstaat von Eltern, ihre Kinder optimal zu fördern. Diese Haltung geht deutlich über die Bereitstellung von Erziehungs- und Betreuungsarbeit hinaus. Die Entwicklung einer breiten Palette an frühen Hilfen ist symptomatisch für diese Entwicklung.
Der 14. Kinder- und Jugendbericht, der von Experten verschiedener politischer Couleur geschrieben ist, unterstellt der Politik ein gestiegenes Interesse an einem gelingenden Aufwachsen von Kindern, weil diese für den Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsstandort Deutschland gebraucht würden. Das ist nicht falsch. Ich möchte hier aber für meine Fraktion betonen, dass es für uns um eine übergeordnete Frage von Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Entwicklung einer humanen Gesellschaft geht. „Kein Kind zurück lassen“, darin sehen wir unsere politische Gestaltungsaufgabe. Deshalb lassen Sie mich noch einmal auf den Antrag zum Ausgleich sozialer Ungleichheiten zurückkommen.
„Es geht um mehr als um die Anzahl der Kitaplätze“, bilanziert das Deutsche Jugendinstitut und stellt fest, dass der Ausbau der öffentlichen Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren nicht automatisch frühe soziale Ungleichheiten beseitigt. Der bereits zitierte Kinder- und Jugendbericht stellt fest, dass im U3-Bereich insbesondere Kinder erwerbstätiger Eltern und Kinder von weniger gebildeten Eltern unterrepräsentiert sind. Ein niedriges Einkommen geht auch mit einer geringen oder keiner Erwerbstätigkeit von Müttern einher. Lebt die Mutter in armutsgefährdeten Verhältnissen oder hat sie einen niedrigen Bildungsabschluss, besteht eine verstärkte Tendenz zur ausschließlich familienbezogenen Erziehung.
Die Teilnahme von Kindern an frühen Betreuungs- und Bildungsangeboten ist ein wesentlicher und wichtiger Beitrag zur Kompetenzentwicklung, vor allem der Sprachkompetenz. Deshalb führt eine geringere Beteiligung von Kindern zur Verstärkung sozialer Ungleichheiten und Minderung ihrer Entwicklungschancen. Um den Folgen und Nebenwirkungen einer sozial ungleichen Inanspruchnahme frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote entgegen zu wirken, müssen hier die Unterstützungs- und Entlastungsbedarfe von Eltern, bei denen nicht eine Erwerbstätigkeit im Vordergrund steht, durch kulturell sensible, differenzierte und flexible Angebotsstrukturen aufgegriffen werden. Die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu „Kinder- und Familienzentren“ ist hierfür ein gutes Beispiel und zeigt neue Wege auf. 3



Bei der konkreten Ausgestaltung der Förderangebote sind die jeweiligen regionalen Besonderheiten (insbesondere die Erreichbarkeit in ländlichen Räumen) und die sozialräumliche Einbindung von Kindertageseinrichtungen (z.B. Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf) zu berücksichtigen. Bezüglich der Steigerung der Inanspruchnahme spielen zudem die Kriterien der Platzvergabe, die Möglichkeiten einer flexiblen Nutzung von KITA-Plätzen und – nicht zuletzt – die Ausgestaltung der Elternbeiträge (Zielsetzung: Gebührenfreiheit) eine wichtige Rolle.
Und deshalb noch einmal an die CDU-Fraktion: Die Tendenz der Benachteiligung wird mit dem Betreuungsgeld verstärkt. Statt Hürden zur Tagesbetreuung aufzubauen, müssen sie abgebaut werden; durch niedrige, besser noch: keine Kostenbeiträge, durch niedrigschwellige Ansprache, durch pädagogische Konzepte der frühen Förderung und des Nachteilsausgleichs.
Deshalb geht es uns darum, dass Kinder- und Jugendpolitik auch selbst reflektiert und darauf achtet, dass alle Kinder, alle Familien von dem neuen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz profitieren. Die öffentliche Betreuung von Kindern unter drei Jahren darf nicht sozial selektiv sein. Das Angebot guter Kindertagesstätten mit ihren Fördermöglichkeiten muss gerade diejenigen Kinder erreichen, die dieser Unterstützung am dringendsten bedürfen. Das ist der Charme eines neuen Mix aus öffentlicher und privater Verantwortung für das Aufwachsen unserer Kinder. Ich bin froh, dass die Landesregierung dieses Thema im Blick hat.