Bernd Heinemann zu TOP 39: Mehr Klasse statt Masse
Rede wurde zu Protokoll gegeben! Kiel, 26. April 2013TOP 39, Gerechte Finanzierung für Schleswig-Holsteins Krankenhäuser (Drucksache 18/741Bernd Heinemann:Mehr Klasse statt MasseDie Krankenhausfinanzierung ist sicher kein Streitthema in diesem hohen Hause. Gleichwohl müssen wir hier jetzt endlich in die Pötte kommen. Wir Sozialdemokraten hier im Land waren uns mit vielen Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen schon lange einig, dass wir einen einheitlichen Basisfallwert benötigen, damit gleiche Leistung auch gleich bezahlt wird. Länderübergreifend ist davon auch unsere Bundestagsfraktion überzeugt und wir müssen Regionalegoismen überwinden.Weiter ist es am gemeinsamen Bundesausschuss, dafür Sorge zu tragen, dass auch für Sicherstellungszuschläge künftig einheitliche Maßstäbe und Rechtssicherheit gelten. Hier wollen wir zukünftig den Blick stärker auf die Krankenhäuser lenken, die einen Zuschlag benötigen, weil sie sich eben nicht spezialisieren können und das DRG-System der dringend notwendigen Versorgung manchmal zuwider läuft.Dort aber, wo die Mengensteigerung auf eine Überversorgung zurückzuführen ist, muss auch über Abschläge nachgedacht werden. Die Ausnahme kann hier nur Spitzenqualität und Nachhaltigkeit sein, nicht aber Quantität mit Drehtüreffekten.Messbar ist Qualität dann, wenn der gemeinsame Bundesausschuss die vorhandenen DRG- Daten und die Daten aus den Qualitätsberichten der Krankenhäuser nutzt, um Qualitätsindikatoren zu entwickeln. Anreize sind besonders dann sinnvoll, wenn Qualität und Nachhaltigkeit mit Folgekostenersparnis nachweisbar sind. Auch hier sind neue Ideen gefragt. 2Wir Sozialdemokraten haben uns mit großem Interesse ein Pilotprojekt der Techniker Krankenkasse angesehen, dem sich seit einiger Zeit die AOK und in diesem Jahr die BARMER GEK angeschlossen haben. Mit einem Zweitmeinungsverfahren für planbare Operationen durch zertifizierte, interdisziplinäre Zentren lassen sich nicht nur die Zahlen der Operationen verringern, sondern auch mehr Nachhaltigkeit erzeugen.Auch die Patientinnen und Patienten sollten zukünftig mehr Chancen auf ein waches Auge auf die Krankenhausleistung an ihnen bekommen. Verbindliche Patientenbriefe in allgemein verständlicher Sprache könnten Auskunft über die OP, die angewandte Methode und evtl. Komplikationen geben, wie es auch eine Patientenrechnung kann.Bonusvereinbarungen mit Krankenhausärzten halten wir für falsch und kontraproduktiv, wenn sie vor allem die Steigerung der Anzahl von Operationen zum Ziel haben. Wenn zukünftig Krankenhäuser ihren Chefärzten kein Recht auf Privatabrechnung übertragen, könnten Vergütungszuschläge ein weiterer Weg sein. Wir könnten so das Prinzip der Zweiklassenmedizin weiter eindämmen; und das wollen wir.Weitere Indikatoren wie ein Leistungsanspruch auf ein qualifiziertes Entlassungsmanagement, auf Personalstandards in der Pflege, auf verbindliche Eingangsscreenings, zumindest für Risikopatienten, auf multiresistente Keime sind es Wert, in den Fokus genommen zu werden. Das Ziel kann nur sein: mehr Klasse statt Masse. Letzteres können und wollen wir Sozialdemokraten uns nicht leisten.Mit unserem Antrag wollen wir der Tatsache Rechnung tragen, dass es mehrere Unwuchten in der Krankenhausfinanzierung gibt, die wir im Rahmen einer Bundesratsinitiative in einem ersten Schritt in Angriff nehmen wollen.Zum einen drücken die Haushaltsentwicklungen der Länder und jetzt auch die Schuldenbremse auf die Bereitschaft, deutlich mehr Geld in Krankenhäuser zu investieren, andererseits gibt es Fehlanreize, die u.a. immer häufiger zu Monokulturen der stationären Gesundheitsversorgung führen. Spezialisierung lohnt sich zurzeit offensichtlich mehr als klassische Flächenversorgung. Allein die Zahl der Operationen an der Wirbelsäule hat sich seit 2005 mehr als verdoppelt. Oft überflüssig und unnütz, wie wir hören.Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie spricht in diesem Zusammenhang von ökonomisch falschen Anreizen, die dazu führen, dass die Kliniken mit einer typischen Wirbelsäulen-Operation rund 12.000 Euro verdienen. Für dieses Geld könnte der 3Patient, nach Angaben ihres Generalsekretärs Prof. Dr. Niethard vom Dezember, 100 Jahre lang ohne Operation behandelt werden.Ansätze besserer Finanzierung sehen wir auch in der Neustrukturierung der Einnahmen der GKV und dazu gehört zweifelsohne die Bürgerversicherung und nicht etwa Zusatzbeiträge und Kopfpauschalen, die besonders die schwachen und Kranken treffen.Wir wollen bei der Versorgungsgestaltung in Schleswig-Holstein Kommunen, Patienten und die Pflege stärker ins Boot holen, dabei bleiben Kostenträger und Leistungserbringer in einer grundsätzlichen Verantwortung. Wir wollen Sektorengrenzen überwinden, Honorare bei gleicher Leistung angleichen, Lohndumping in der Pflege unterbinden und die Vernetzung von niedergelassenen Ärzten, Kliniken u.a. Gesundheitsberufen sowie die integrierte Versorgung insgesamt vorantreiben.Um es mit Willy Brandt zu sagen: Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben.Am Ende des Weges stehen starke solidarische Krankenkassen und leistungsfähige, breit aufgestellte Versorgungskrankenhäuser und Praxen. Unser Gesundheitssystem bleibt Spitze.