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26.04.13
13:20 Uhr
SSW

Flemming Meyer zu TOP 49 - Familienpolitische Leistungen reformieren!

Presseinformation Kiel, den 26.04.2013

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer

TOP 49 Familienpolitische Leistungen reformieren! Drs. 18/495, 18/551 und 18/624
Eine explizite Familienpolitik, die sich auch so nennt, gibt es in Europa anscheinend nur in
Deutschland und in Frankreich. Doch die zähe und in unseren Augen völlig unnütze Debatte
um das Betreuungsgeld hat vor allem eins deutlich gemacht: Auch wenn Deutschland sich zu
einer Familienpolitik bekennt, gibt es in diesem Land einfach keine einheitliche Zielvorstellung.
Das Gesellschafts- und Familienbild in den verschiedenen Regionen weicht offensichtlich sehr
stark voneinander ab. Mit Blick auf die ungemein wichtige frühkindliche Bildung setzen die
einen zum Beispiel auf den Ausbau der Infrastruktur. Andere aber wollen lieber rein finanzielle
Anreize für Eltern schaffen, die ihre Kinder zuhause betreuen. Maßnahmen werden aus den
abenteuerlichsten Gründen eingeführt und häufig auch schnell wieder kassiert. Derzeit gibt es
252 familienpolitische Maßnahmen. Es ist schlicht und einfach keine klare Linie erkennbar. Eine
Grundvoraussetzung, die in meinen Augen völlig fehlt, ist eine breite gesellschaftliche Debatte
darüber, wo die Reise in der Familienpolitik eigentlich hingehen soll. Wie sehen die Ziele aus?
Und wie können wir sie erreichen? 2
Ich zweifle nicht an der Notwendigkeit der Familienförderung. Wir müssen Familien fördern,
weil der Bedarf deutlich erkennbar ist. Hier sollten wir uns nichts vormachen: Im Vergleich zu
Gutverdienern mit Kindern sind Familien mit einem durchschnittlichen oder geringen
Einkommen ganz klar gewissen Einschränkungen ausgesetzt. Dass diese Einschränkungen
häufig auch finanziell sind, lässt sich kaum leugnen. Und in manchen Fällen ist dann
irgendwann der Punkt erreicht, an dem auch die konkrete Entwicklung der Kinder betroffen ist
und an dem sie klar erkennbare Nachteile gegenüber Gleichaltrigen haben. Hier muss der Staat
eingreifen. Dies muss aus unserer Sicht die Zielsetzung sein. Schwächen müssen ausgeglichen
und konkrete Nachteile für Kinder aus weniger gut situierten Elternhäusern verhindert werden.


Der SSW hat immer die Auffassung vertreten, dass das System der Familienförderung keine
Verlierer produzieren darf. Leider müssen wir feststellen, dass es viel zu häufig genau diesen
Effekt hat. Das zeigt sich zum Beispiel beim Kindergeld und Kinderfreibetrag. Hier sind
Familien mit niedrigen Einkommen klar im Nachteil gegenüber Besserverdienenden. Auch das
Ehegattensplitting hat eine ähnlich ungerechte Wirkung und es hat sein ursprüngliches Ziel
deutlich verfehlt. Deshalb fordern wir die Bundesebene auf, diese Maßnahmen kritisch zu
prüfen und gegebenenfalls zu beenden.


Ich habe es bereits angedeutet: Grundsätzlich wollen wir mehr soziale Gerechtigkeit in der
Familienpolitik. Niemand darf zurückgelassen werden. Und für uns gibt es keine Alternative
zum solidarischen Charakter dieses Systems. Deshalb ist auch völlig klar, dass die Stärkeren
entsprechend in die Pflicht genommen werden müssen. Aus Sicht des SSW hakt es leider genau
an dieser Stelle. Hier muss der Bund endlich den Mut aufbringen, der nötig ist, um
gegenzusteuern und dieses System zukünftig sozial gerechter zu gestalten.


Eins will ich deutlich sagen: Egal ob wir über direkte oder indirekte, finanzielle oder
infrastrukturelle Leistungen reden. Sie sind und bleiben notwendig. Wichtig ist aber, dass sie
endlich zielführend eingesetzt werden. Deutschland investiert jährlich Milliarden in diesen 3
Bereich. Und trotzdem ist das Land alles andere als kinderfreundlich. Ja, wenn wir uns die
Situation Alleinerziehender anschauen, dann sind Kinder sogar bis heute das Armutsrisiko
Nummer eins. Diese Entwicklung muss dringend gestoppt werden.


Natürlich ist es nicht allein Aufgabe des Bundes, für ein kinder- und familienfreundliches
Umfeld zu sorgen. Was zum Beispiel die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder den
Ausbau der Betreuungsinfrastruktur angeht, sind Länder, Kommunen aber auch die Wirtschaft
gemeinsam in der Pflicht. Klar ist aber auch, dass Ansätze wie das Betreuungsgeld die
einfachsten Grundsätze der Sozial- und Gleichstellungspolitik verfehlen, und dass sie
überhaupt nicht in ein modernes Familienförderungskonzept passen. Diese Koalition hat völlig
andere familien- und bildungspolitische Vorstellungen. Deshalb werden wir auf Landesebene
alles tun, was einer modernen und sozial gerechten Familienpolitik dient. Und wir fordern die
Landesregierung auf, in diesem Sinne auch verstärkt bundespolitisch aktiv zu sein.