Olaf Schulze zu TOP 3 + 43: Gegen Dumpinglöhne und Wettbewerbsverzerrungen
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 25. April 2013TOP 3 + 43, Tariftreue- und Vergabegesetz / Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirksamer kontrollieren – Lohndumping bekämpfen (Drucksache 18/720 und 18/746)Olaf Schulze:Gegen Dumpinglöhne und WettbewerbsverzerrungenVor rund 10 Jahren hat der schleswig-holsteinische Landtag schon einmal ein Tariftreuegesetz verabschiedet. Das Tariftreuegesetz von 2003 war schlank und knapp gehalten. Sein Manko: Die EU-Rechtsprechung hat mit dem Rüffert-Urteil den Kern des Gesetzes getroffen, nämlich seinen Bezug auf die am Ort der Leistungserbringung geltenden Lohn- und Gehaltstarife.Seitdem hat sich die Welt weitergedreht. Wir müssen auch sehen, dass es inzwischen in vielen Bundesländern Tariftreuegesetze gibt, die über unser damaliges Gesetz hinausgehen. Ein Bezug auf ILO-Kernarbeitsnormen, auf Gleichstellung, auf ökologische Standards gehört mittlerweile dazu. Einen vergabespezifischen Mindestlohn enthalten die Gesetze anderer Länder ebenfalls, hinzu kommen Regelungen zu den Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten.Ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich machen, dass die Sozialdemokratie einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn fordert. Auch ich hielte es für richtig, wenn die Tariftreuegesetze der Bundesländer gleiche Berechnungsgrundlagen für den Vergabe- Mindestlohn enthielten. Und ich bin der Überzeugung, dass es richtig ist, Menschen einen anständigen Lohn zu zahlen, wenn sie im Auftrag der öffentlichen Hand arbeiten. Deshalb haben wir uns an der niedrigsten besetzten Entgeltgruppe im TVL orientiert.SPD, Bündnis 90/Die Grünen und SSW haben das Tariftreuegesetz im August 2012 in den Landtag eingebracht. Dieses Gesetz ist so ausführlich beraten und erörtert worden wie kaum ein anderes – darüber bestand auch im Wirtschaftsausschuss in der vergangenen Woche Einvernehmen. Wir haben zwei mündliche und eine schriftliche Anhörung durchgeführt. Daraufhin haben wir zahlreiche Änderungen an dem Gesetz vorgenommen. Dies ist im Übrigen 2ja auch der Sinn von Anhörungen. Die Koalitionsfraktionen haben zahlreiche Vorschläge der verschiedenen Expertinnen und Experten in das Gesetz aufgenommen.Einige dieser Änderungen möchte ich hervorheben: Bei den Sozialstandards haben wir die Nachweispflichten deutlich verschlankt – ohne die Verpflichtung selbst in der Substanz zu ändern, denn wir wollen die soziale Gerechtigkeit fördern, indem Gleichstellung von Frauen und Männern als wichtiges gesellschaftliches Querschnittsziel auch bei Auftragsvergaben gestützt wird.Wir haben – gerade auf Grundlage der Kritik an unserem Entwurf und dem Gesetz in Nordrhein- Westfalen – viele Bestimmungen reduziert, entbürokratisiert und angepasst. An den Kern, sehr geehrte Damen und Herren, an den Kern gehen wir jedoch nicht heran. Und wenn Sie sich jetzt beschweren, dass nicht alle Änderungswünsche aufgenommen wurden, muss ich Ihnen sagen: natürlich nicht. Wir haben, wie das unsere Aufgabe ist in der Politik, alle Interessengruppen angehört, wir haben die Argumente abgewogen und wir haben in vielen Fällen auch Kompromisse gefunden. Die Gestaltung von Politik allerdings, die obliegt uns, das ist unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker. Das können wir nicht abgeben, und wir sollten es auch nicht.Wir wollen und wir werden mit dem Gesetz auch kleine und mittlere Unternehmen in Schleswig- Holstein im Wettbewerb stärken, damit sie im Kampf gegen Dumpinglöhne und Wettbewerbsverzerrungen bestehen können.Und wir wollen, dass sich die öffentlichen Auftraggeber mit den gesellschaftlichen Zielen wie Schutz der Umwelt oder Gleichstellung von Frauen und Männern auseinandersetzen. Wir stehen dazu, dass diese Themen bei der Auftragsvergabe eine Rolle spielen müssen – ebenso wie bei der Erbringung von Leistungen durch die öffentliche Hand selbst.Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein leistet gute Arbeit. Die weit überwiegende Zahl der Unternehmen zahlt sehr gute Löhne, die deutlich über dem Mindestlohn im Tariftreue- und Vergabegesetz liegen. Kürzlich hat der Direktor des Instituts für Regionalforschung an der Uni Kiel, Prof. Johannes Bröcker, Schleswig-Holstein als „Hochlohnland“ bezeichnet, mit hohem technischem Standard. Innovation sollte weiter unser Ziel sein, eine moderne Wirtschaft, sozial gerecht ausgestaltet, kundenorientiert und stark.Was die öffentlichen Aufträge betrifft, haben wir formuliert, was wir erwarten.Kurz möchte ich noch auf die EU-Entsenderichtlinie eingehen. Gerechtigkeit hört für uns nicht an Landesgrenzen und nationalen Grenzen auf. Es gibt die EU-Entsenderichtlinie seit mehr als 3fünfzehn Jahren, und sie hat sich im Grundsatz bewährt. Ihr Ziel, nämlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit an dem Ort, an dem die Leistung erbracht wird, ist auch unser Ziel. Und doch: Die Welt ist auch mit der Entsenderichtlinie aus den 1990er Jahren leider nicht perfekt, ihre Regeln werden zum Teil nicht eingehalten, und die Nichteinhaltung wird nicht kontrolliert.Eine Revision der Entsenderichtlinie wäre daher notwendig. Wenn dies aber auf europäischer Ebene noch nicht mehrheitsfähig ist, benötigen wir auch hier wenigstens geeignete Kontrollmechanismen. Wir fordern also eine wirksame Durchsetzungsrichtlinie. In der gehört nach unserer Meinung mindestens geregelt: Das Vorhalten der Arbeitsunterlagen am Ort der Leistungserbringung und verantwortliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vor Ort, die Möglichkeit grenzüberschreitender Sanktionen. Und: Wir fordern, dass die Mitgliedsstaaten eigene Kontrollmechanismen anwenden dürfen.Der schleswig-holsteinische Landtag sollte hier sehr selbstbewusst eine eigene Haltung zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie haben. Beraten können wir das gern zuvor in den Ausschüssen und beantragen die Überweisung, federführend in den Europaausschuss, mitberatend in den Wirtschaftsausschuss.