Dr. Ralf Stegner zu TOP 2,20,27,31,47+48: Erfolgreicher Atomausstieg und konsequente Energiewende gehören zusammen
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 24. April 2013TOP 2, 20, 27, 31, 47 + 48: Regierungserklärung und Anträge zum Atomausstieg, zur Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle und zur Energiewende (Drucksachen 18/707, 18/728, 18/733, 18/750 und 18/751)Dr. Ralf Stegner:Erfolgreicher Atomausstieg und konsequente Energiewende gehören zusammen„Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen.“ Dieser Satz von Herbert Wehner beschreibt, worum es heute geht – es geht um Notwendigkeiten und um die politische Verantwortung, das Notwendige möglich zu machen. Diese Verantwortung betrifft nicht nur die Abgeordneten der Regierungsfraktionen – nein, die haben auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, der FDP und den Piraten.Die SPD in Schleswig-Holstein hat bereits 1976 die Forderung nach einem Atomausstieg beschlossen, weil diese gefährliche Technologie nicht verantwortbar ist. Einer der Gründe für unsere Position war immer die ungeklärte Frage des Umgangs mit dem über Jahrtausende strahlenden Atommüll. Die SPD Schleswig-Holstein gehörte damit zu den ersten, die den Ausstieg aus der Risikotechnologie Atomkraft gefordert hat. Später folgten der SSW, die Grünen und deutlich später auch die Landes-FDP.Wir wollen noch heute, dass die Atomkraftwerke so schnell wie möglich abgeschaltet werden und damit auch kein weiterer Atommüll produziert wird. Deshalb ist es nach wie vor wichtig, auch die Chance einer nochmaligen Laufzeitverkürzung und damit eine vorzeitige Abschaltung der noch laufenden Atomkraftwerke wie Brokdorf zu ergreifen.Es war die rot-grüne Bundesregierung Schröder/Fischer, die im Jahr 2000 die Weichen für den Atomausstieg in Deutschland gestellt hatte – mit einem historischen Kompromiss zwischen der Politik und den Energieunternehmen. Diesen konsensualen Weg hat die Regierung Merkel im Jahr 2010 mit dem Beschluss über die Verlängerung der Restlaufzeiten ohne Not wieder 2verlassen. Und es musste leider erst zu den katastrophalen Ereignissen von Fukushima kommen, um einen parteiübergreifenden Konsens in Deutschland zu ermöglichen und den Irrweg Atomenergie – hoffentlich diesmal endgültig – zu verlassen.Mit ihrem Zick-Zack-Kurs hat die schwarz-gelbe Bundesregierung den Ausstieg aus der Atompolitik immer wieder verzögert. Und auch die schwarz-gelbe Landesregierung in Schleswig- Holstein hat sich über die Verlängerung der Restlaufzeiten gefreut. Minister Jost de Jager begrüßte diese noch am 10. September 2010 im Landtag. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll: „Sie [die Verlängerung der Laufzeiten] schafft aus meiner Sicht Planungssicherheit für alle Beteiligten.“ Planungssicherheit also. Wenn es die bei dem Zick-Zack-Kurs denn jemals gegeben hat, dann wurde sie jedenfalls nicht genutzt. Oder warum haben wir keine Lösungsvorschläge gehört, was die Frage der Endlagerung des angefallenen Atommülls angeht?Eine Antwort auf diese Frage wurde doch mit der Laufzeitverlängerung noch dringender. Sie wurde aber nicht gegeben, ja sie wurde nicht einmal ernsthaft diskutiert. Diese Antwort kann jetzt – sehr spät, aber vielleicht nicht zu spät – mit einem neuen Anlauf zu einem Endlagersuchgesetz endlich erfolgen.Wir begrüßen die partei- und länderübergreifende Einigung auf ein ergebnisoffenes Endlagersuchverfahren. Auf der Basis strenger wissenschaftlicher Kriterien, transparent und demokratisch legitimiert kann nun nach dem sichersten Endlager gesucht werden. Es liegt in unser aller Verantwortung, gegenüber nachfolgenden Generationen sorgsam und möglichst zügig ein sicheres Endlager zu finden und in Betrieb zu nehmen.Bis dahin muss der produzierte Atommüll aber zwischengelagert werden. Ein weiterer Verzicht auf Gorleben gehört, und dies sage ich besonders den Fraktionsmitgliedern der FDP, zu den partei- und länderübergreifenden Vereinbarungen, die als Grundlage des weiteren Verfahrens dienen. Wir vertreten hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag natürlich nicht die Position Niedersachsens, aber eins ist doch klar: Unser Nachbar hat mit Gorleben lange Zeit Lasten für uns alle mittragen müssen.Wenn wir die Endlagerfrage endlich beantworten wollen, müssen wir also zum einen auf Grundlage wissenschaftsbasierter Kriterien ergebnisoffen suchen und gleichzeitig Alternativen für Gorleben finden. Deutlich muss aber auch sein – und dies ist uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zu Beginn der öffentlichen Debatte ein bisschen zu kurz gekommen: Wir übernehmen diese Verantwortung nicht leichtgläubig, wir stellen keine Blankoschecks aus, sondern klare Bedingungen. Die Sicherheit muss dabei oberste Priorität haben! 3Hier gibt es nichts zu dealen, sondern dies sind harte Punkte, ohne die es schlicht nicht gehen kann. In so einer weitreichenden und mit hohen Risiken behafteten Frage können und werden wir keine Zugeständnisse machen. Wenn Castoren aus Sellafield bzw. La Hague – und das ist ja Atommüll aus deutschen Atomkraftwerken – in Schleswig-Holstein zwischengelagert werden sollen, wollen wir das an fünf Bedingungen knüpfen: 1. Es muss eine faire Lastenteilung zwischen den Ländern geben! Unter einer gemeinsamen Lösung verstehen wir nicht, dass Schleswig-Holstein und eventuell noch Baden-Württemberg alle Castoren übernehmen. Es müssen am Ende schon mehr als zwei Länder sein. Hier steht auch Bundesumweltminister Altmaier in der Pflicht, dies sicher zu stellen. 2. Sicherheitskriterien haben die allerhöchste Priorität. Wir werden definitiv keine Zugeständnisse machen, wenn es um die Sicherheit und die Gesundheitsrisiken der Bürgerinnen und Bürger geht. Eine erneute strengste und transparente Sicherheitsprüfung ist deshalb ebenso Voraussetzung wie die 1:1-Anwendung der Standards und Anforderungen der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht. Das gilt selbstverständlich auch für die Zuverlässigkeit der Betreiber, die wir in der Vergangenheit leider immer wieder anzweifeln mussten. Deshalb sage ich ganz klar: Eine unabdingbare Voraussetzung ist es, dass die Atomkraftwerksbetreiber überhaupt einen Antrag auf Einrichtung eines Zwischenlagers stellen. Hierum hat sich der Bund zu kümmern. Gleichzeitig hat er sicherzustellen, dass der Genehmigungszeitraum von 40 Jahren für Zwischenlager nicht erweitert werden darf. Zwischenlager bleibt Zwischenlager. Da darf und wird es kein schleichendes Präjudiz geben: Gesucht wird ein Endlager – hierfür gilt für alle das Prinzip der „weißen Landkarte“. 3. Die Kosten haben selbstverständlich die Verursacher, also die AKW-Betreiber, zu übernehmen. Sie haben jahrzehntelang von den Regelungen und den Subventionen milliardenschwer profitiert. Sie müssen auch die Folgekosten übernehmen. Wir schlagen dafür vor, die von den AKW-Betreibern gebildeten Rückstellungen für Stilllegung und Entsorgung von Atommüll unter Wahrung angemessener Übergangsfristen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu verlagern, um sie vor dem Insolvenzrisiko zu schützen. 4. Auch die Kosten für Polizeieinsätze dürfen nicht am Land hängenbleiben. Da es sich bei der Entsorgung und Endlagerung des hochradioaktiven Mülls um eine nationale Aufgabe handelt, ist der Bund auch hier in der Pflicht. Wir alle wissen, wie es um die 4 Haushaltslage unseres Landes steht und wie sehr unsere Polizistinnen und Polizisten am Limit sind. Eine zusätzliche Belastung durch Castor-Transporte ist weder zu leisten noch entspräche das einer fairen Lastenverteilung. 5. Gerade bei solch einer Frage mit all den Ängsten, die damit einhergehen, müssen wir die Menschen mitnehmen und uns intensiv um Dialog kümmern. Ein transparentes Verfahren mit weitestgehender Bügerbeteiligung ist daher notwendig. Wir fordern ein, dass das deutlich mehr ist, als das im Atomgesetz rechtlich vorgeschrieben wird.Ich will aber noch auf einen weiteren wichtigen Zusammenhang hinweisen: Der Ausstieg aus der Atomenergie wurde bislang verzögert, der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht konsequent vorangebracht. Die erfolgreiche Energiewende besteht im Gegensatz dazu aber aus zwei Teilen: dem Ausstieg aus der Atomkraft und den fossilen Energieträgern auf der einen Seite und dem Ausbau der erneuerbaren Energien und deren Förderung auf der anderen.Das Land Schleswig-Holstein war immer bereit, eine Vorreiterrolle bei der Energiewende einzunehmen. Das gilt nicht nur für den Ausstieg aus der Atomenergie und den damit verbundenen Lasten. Das gilt vor allem für den Ausbau der Erneuerbaren.Die erfolgreiche ökologische Energiewende muss konsequent fortgesetzt werden. Wir brauchen dafür verlässliche Rahmenbedingungen an Stelle von politischen Widerständen, etwa bei der EEG-Reform. Eine Bremse für den Ausbau von Windenergie, wie Herr Altmaier sie befürwortet, hilft uns überhaupt nicht weiter. Das ist nicht im Sinne der Energiewende, nicht im Interesse unseres Landes und auch nicht im Sinne der Bundesrepublik. Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien und deren Speicherung in Schleswig-Holstein muss anerkannt und gefördert werden.All das, was ich bisher vorgetragen habe, könnten eigentlich alle in diesem Hohen Hause mittragen. Aber das ist nicht so. Leider macht die Opposition heute da weiter, wo sie als Regierung aufgehört hat: Die FDP sagt, Gorleben ist prima. Alles ist geregelt, Alternativen sind – so Ihr Technik- und Atomrechtsexperte Kubicki – gar nicht möglich und ja, aus Ihrer Sicht auch nicht wünschenswert. Warum ernennen Sie nicht gleich St. Florian zum Ehrenvorsitzenden Ihrer Partei? Sie wissen doch ganz genau: Wenn Sie an Gorleben festhalten, wird es keine Lösung geben. Sie machen es sich zu leicht.Ich kann ja Äußerungen wie die des Kollegen Kumbartzky, der sich auf rein regionale Interessen stützt, noch bis zu einem gewissen Grade nachvollziehen, aber als schleswig-holsteinischer 5Landtag stehen wir für das gesamte Land ein – und da finde ich die Position der FDP-Fraktion in diesem Hause schlicht verantwortungslos.Und die CDU? Man höre und staune: Sie entdecken ganz plötzlich 17 neue Sicherheitsbedenken, die wir von Ihnen noch niemals vorher gehört haben, schon gar nicht zu Ihren Regierungszeiten. Das kann man ja gar nicht ernst nehmen. Ihr Antrag ist ein schwarzer Pappkamerad. In Wirklichkeit vertreten Sie doch ebenfalls die populistische Position „Atommüll bei uns – Nein, danke; Atommüll bei anderen – Ja, bitte!“Einfach peinlich finde ich das Verhalten von Ihnen, Herr Magnussen, der Sie bekanntermaßen für neue AKWs sind und damit selbst Ihren ehemaligen Minister Austermann in Sachen Atombegeisterung noch übertreffen. Bei der FDP hat immerhin der Landesverband eine eigenständige Position entwickelt, Sie aber haben bis zuletzt auf Atomkraft gesetzt. Die CDU ist die Atompartei Deutschlands.Aber den Müll wegräumen, überlassen Sie lieber anderen. Ihre Parteifreunde in Bayern und Hessen verhalten sich da genauso. Die Haltung von Herrn Seehofer finde ich geradezu skandalös – zu Wasser, zu Lande und in der Luft für die Atomenergie zu kämpfen, aber den Müll sollen die rot-grünen Regierungen beseitigen, die schon immer gegen Atomenergie waren. Ich würde mir wünschen, Sie würden bei den Herren Seehofer und Bouffier für unsere Position werben, anstatt in der Hoffnung auf Wahlkampfprofit die Position Ihrer süddeutschen Parteifreunde zu übernehmen.Die Piratenfraktion will einen Volksentscheid, den es in der Verfassung derzeit nicht gibt. Ja: Auch wir sind für Volksentscheide im Grundgesetz, aber das hilft uns heute nichts. Immerhin hat sich die Piratenfraktion erfreulicherweise mit unserem Antrag beschäftigt – wir haben einige Übereinstimmungen und ich appelliere an Sie, dass Sie sich hier verantwortlicher verhalten als die ehemaligen Regierungsfraktionen CDU und FDP zusammen. Die haben sich immer gerühmt, wie mutig sie doch seien, als sie bei den Schwächsten gekürzt und die Mächtigen geschont haben – das hatte mit Mut nichts zu tun. Verantwortung übernehmen, das ist mutig, aber da kneifen Sie leider!Worum es heute geht, ist nämlich verantwortungsvolles Handeln. Das macht an dieser Stelle zugegebenermaßen keinen Spaß – aber wenn wir die Endlagerfrage endlich beantworten wollen, ist es die Voraussetzung. Und damit auch die Voraussetzung für den erfolgreichen Atomausstieg. Und deshalb möchte ich die Opposition noch einmal ausdrücklich einladen, hier nicht auf billigen Populismus zu setzen, sondern mit uns zu diskutieren und gemeinsam mit der Landesregierung in Berlin als starke Stimme aus dem Norden aufzutreten. 6Lassen Sie uns unserem Umweltminister Robert Habeck ein starkes Mandat mitgeben für die weiteren Verhandlungen. Das braucht er nämlich, wenn wir Erfolg haben wollen. Schleswig- Holstein steht zu seiner Verantwortung, will aber auch entscheidend mitreden.Ich danke unserem Ministerpräsidenten Torsten Albig für seine wichtige Regierungserklärung. Eine Regierungserklärung, die deutlich gemacht hat: Diese Landesregierung übernimmt Verantwortung für die Zukunft unseres Landes. Sie duckt sich nicht weg, sie verschließt nicht die Augen vor der Realität und den Notwendigkeiten. Nein, sie analysiert, diskutiert und handelt – und das in einem Feld, das es uns wirklich nicht leicht macht.Einmal mehr zeigt sich, dass Schleswig-Holsteins Bürgerinnen und Bürger eine gute und verantwortungsvolle Regierung haben. Diese Linie wird von den Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und SSW unterstützt. Wir wollen und werden das Notwendige möglich machen.