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20.03.13
17:42 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 9 - Gesetz zur Sicherung des Vertrauens in die Unabhängigkeit der Mitglieder des Landtags

Presseinformation Kiel, den 20. März 2013

Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 9 Gesetz zur Sicherung des Vertrauens in die Unabhängigkeit der
Mitglieder des Landtags
Drs. 18/608



„Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordneter gewissenhaft zu erfüllen,
Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und
ohne Eigennutz zu dienen.“ Das ist die Eidesformel nach der wir unser
Mandat hier in diesem Parlament ausüben. Und ich habe keinen Zweifel
daran, dass alle Abgeordneten dieses Landtags genau entsprechend dieser
Eidesformel ihr Mandat ausüben. Der vorliegende Gesetzentwurf der
Piraten strotzt allerdings nur so vor Misstrauen gegenüber den
Angeordneten, dem Parlamentarismus und letztendlich auch diesem 2

Parlament. Schon der Titel des Gesetzes ist dabei verräterisch. Er lautet:
„Gesetz zur Sicherung des Vertrauens in die Unabhängigkeit der
Mitglieder des Landtags“. Sichern muss man aber nur etwas, wenn es
bedroht ist. Und ich sage hier noch einmal ganz klar, das Vertrauen in die
Unabhängigkeit der Mitglieder des Landtages ist nicht bedroht, denn es
gibt keinen konkreten Anlass an der Unabhängigkeit jedes Einzelnen von
uns zu zweifeln. Im Gegenteil, nach unserer Auffassung muss erst einmal
die Unschuldsvermutung gelten, bevor man hier mit schwerem Geschütz
Abgeordnete zum gläsernen Menschen macht. Zu einem gläsernen
Menschen im Übrigen, der sonst – mit Recht – von den Piraten in allen
anderen Zusammenhängen immer abgelehnt wird. Nach dem
Gesetzentwurf der Piraten, sollen alle Einkünfte aus einmaligen und
regelmäßigen Tätigkeiten auch unter Einbezug von selbständigen
gewerblichen Tätigkeiten vollständig und einzeln zuortbar durch
Abgeordnete offen gelegt werden. Das heißt erstens, dass jeder, der in den
Landtag will, gegenüber möglichen Konkurrenten seine vollständigen
wirtschaftlichen Verhältnisse und auch die seines Unternehmens
preisgeben muss. Eine Regelung, die nicht nur während der Landtagszeit
gilt, sondern auch noch nach der Landtagszeit die geschäftliche Grundlage
des Einzelnen massiv beschädigen kann. Der Besitzer eines EDEKA-Ladens
gibt sensible Geschäftsdaten preis – nichts anderes ist sein Gewinn – und 3

muss nach seiner Landtagszeit dann unter erschwerten Bedingungen
wieder sein Geld am Markt verdienen.
Ich glaube, man muss sich zumindest genau überlegen, ob wir wirklich
diese Art der Transparenz haben wollen oder ob es uns nicht mehr
interessiert, wo Menschen möglicherweise konkret bei Entscheidungen in
Abhängigkeiten zu Unternehmen und Organisationen stehen.
Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir eine
Transparenzregelung schaffen wollen, die sich an der Regelung im
Bundestag orientiert. Diese Regelung auf Bundesebene, die ja in Stufen die
Nebeneinkünfte der Abgeordneten aufführt, scheint ein guter
Kompromiss zu sein. Aber auch hier, wird natürlich nicht jede mögliche
Abhängigkeit abgebildet. So kann man zum Beispiel mit Recht fragen, ob
nicht auch Schuldner in einer gewissen Abhängigkeit stehen. Ist derjenige,
der einen 250.000 Euro Hauskredit bei einer Privatbank hat,
möglicherweise abhängiger als derjenige, der bei der gleichen Bank
Kapital in gleicher Höhe hat?
Wir werden wohl nie eine Antwort auf diese Frage erhalten. Deshalb sind
solche Transparenzregeln auch immer nur sehr begrenzt aussagefähig.
Auch das sollte man hier ganz klar sagen. Vor diesem Hintergrund bin ich
sehr zurückhaltend, was den Gesetzentwurf angeht. 4

Im Übrigen glaube ich auch, dass die Regelung, die die zeitliche
Beanspruchung bei Tätigkeiten neben dem Mandat offenlegen soll, nun
völlig weltfremd ist. Mit dieser Regelung wird unterstellt, dass
Abgeordnete, die entgeltlichen oder unentgeltlichen Tätigkeiten
nachgehen, ihre Abgeordnetenpflichten nicht ordentlich nachkommen.
Meine Erfahrungen hier im Hohen Hause und auch in der
Kommunalpolitik sind andere. Ehrenamtlich Tätige und auch Menschen,
die weiterhin ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, sind nicht zwingend
weniger gute Abgeordnete. Dieses Misstrauen, das aus dieser Bestimmung
hervorgeht, ist genauso unberechtigt, wie das Misstrauen der Piraten
gegenüber Abgeordneten im Allgemeinen.
Bei allem, was wir an Transparenzregelungen hinsichtlich des
Einkommens und der Tätigkeiten von Abgeordneten schaffen wollen,
müssen wir immer auch im Auge haben, dass die Abgeordneten auch noch
nach ihrer Abgeordnetentätigkeit Menschen wie Du und ich sind. Geht es
aber nach den Piraten, haben wir dann in Bezug auf Abgeordnete und
ehemalige Abgeordnete den gläsernsten Menschen, den man sich
überhaupt denken kann.
Und das, während manch ein Pirat nicht einmal seine Adresse nennen will
oder Auskünfte zu so etwas trivialen wie seinem Geburtsdatum
gegenüber den Bürgern verheimlicht. Wir sollten daher genau auf die
Verhältnismäßigkeit in dieser Frage achten.