Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
21.02.13
16:05 Uhr
FDP

Anita Klahn zu TOP 4 (Änderung Schulgesetz): Das ,Vorschaltgesetz' schadet unseren Schulen

FDP-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Es gilt das gesprochene Wort! Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Nr. 80 / 2013 Christopher Vogt, MdL Stellvertretender Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Kiel, Donnerstag, 21. Februar 2013


Bildung / „Vorschaltgesetz“



www.fdp-sh.de Anita Klahn: Das ‚Vorschaltgesetz’ schadet unseren Schulen
In ihrer Rede zu Top 4 (Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes) erklärt die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anita Klahn:
„Diese Schulgesetzänderung ist ein großes Trauerspiel für unser Land. Dabei muss ich gar nichts mehr dazu zu sagen, dass Fakten geschaffen und die Betroffenen erst danach zu einem vermeintlichen Dialog eingela- den werden. All diese Vorgänge sind selbstentlarvend und bedürfen keiner weiteren Kommentierung. Der sogenannte Bildungsdialog bleibt Verkün- dungsmesse linker Schulideologien, eine Nebelkerze, die spätestens mit dem heutigen Tage nicht mehr zündet.
Aber genug von diesem Geplänkel, dem der Bürger schon lange überdrüs- sig ist. Kommen wir zum eigentlichen Inhalt des Vorschaltgesetzes, den die linke Seite dieses Hauses mit ihrer verfassungsrechtlich zweifelhaft zu- stande gekommenen Einstimmenmehrheit durchdrücken will.
Um es auf den Punkt zu bringen: Das Vorschaltgesetz schadet unseren Schulen, schadet unserer Schullandschaft und schadet damit direkt den Schülerinnen und Schülern dieses Landes. Das ist das Ergebnis der um- fangreichen parlamentarischen Anhörung, die wir durchgeführt haben.
Der Philologenverband, die Interessensvertretung der Lehrkräfte, der Ver- band der Berufsschullehrer, der Landeselternbeirat für Grundschulen und Förderzentren, der Landeselternbeirat der Gymnasien, der Schleswig- Holsteinische Elternverein, der Verband der Regionalen Berufsbildungs- zentren, der Direktorenverbindungsausschuss, der Zusammenschluss der G9-Gymnasien, die MINT-Akademie, der Verein zur Förderung des ma- thematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts, die Städte Bruns- büttel, Rendsburg, Itzehoe, Flensburg und Neumünster sowie die Kreise Plön, Rendsburg-Eckernförde, Steinburg und Dithmarschen lehnen das Vorschaltgesetz aus guten Gründen ab. Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 2
So gibt es nicht weniger als zehn Hauptkritikpunkte am ‚Vorschaltgesetz’, sowohl bezogen auf die Frage G8/G9/G-Y und abschlussbezogene Klas- sen, als auch auf die Errichtung weiterer Oberstufen, die einer Verabschie- dung klar widersprechen.
Beginnen wir mit dem Bereich G8/G9 und der Art der Differenzierung.
Punkt 1 - Missachtung des Eltern- und Schülerwillens: Eltern und Schüler wollen G9 an Gymnasien. Eine bundesweite Studie aus dem Sep- tember 2012 ergibt, dass 79 Prozent der Befragten das neunjährige Gym- nasium befürworten. Mir ist keine einzige Befragung bekannt, die nicht ähn- liche Ergebnisse liefert. Der Elternbeirat der Grundschulen stellt für seine Mitglieder klar, dass sich die Grundschuleltern in überwältigender Mehrheit für G9 aussprechen. Aktuell gibt es eine repräsentative Umfrage in Ham- burg, in der sich 72 Prozent von den Befragten, die selbst schulpflichtige Kinder haben, für G9 aussprachen. Das Gesetz missachtet all diese Eltern.
Punkt 2 – Kinder werden weiter belastet und das Ehrenamt leidet: Landessportverband, Landesjugendring, Kinderschutzbund, Feuerwehren beklagen die mangelnde Freizeit und den Rückgang des ehrenamtlichen Engagements unter G8. Dieses Gesetz verbaut den Gymnasien absichtlich den Weg zu G9 oder G-Y. Viele Kinder leiden zudem unter dem Druck von G8. Die Experten in der Anhörung verweisen darauf, dass aus lerntheoreti- scher wie entwicklungspsychologischer Perspektive G9 deutlich sinnvoller für den größten Teil der Schülerschaft ist. Wer dieses Gesetz unterstützt nimmt billigend in Kauf, dass viele Kinder ihrer Kindheit beraubt werden. Im Übrigen war und ist die Verkürzung der Schulzeit auf acht Jahre an G9- Gymnasien schon immer möglich gewesen. Hessen, Bayern, Baden- Württemberg, NRW und jetzt auch Niedersachsen folgen uns auf dem Weg der Rückkehr zu G9 und wir machen jetzt noch mal die Rolle rückwärts? Das versteht doch keiner.
Punkt 3 – Abschlussbezogene Klassen fördern die Bildungsqualität und müssen deswegen möglich bleiben: Die Ergebnisse aller Ver- gleichsstudien zeigen, dass die Bundesländer Bayern und Baden- Württemberg Spitzenreiter in unserem Bildungssystem sind. Differenzierter Unterricht ermöglicht die bessere individuelle Förderung. Äußerst auf- schlussreich ist hier eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsfor- schung. Da wurde für NRW als Ergebnis festgehalten, dass Gesamtschüler in Mathematik im Vergleich mit Realschülern um zwei Jahre, im Vergleich zu Gymnasiasten um mehr als zwei Jahre zurückliegen und das trotz der besseren Personal- und Sachausstattung dieser Schulform. Oder um es mit den Worten des Bildungsforschers Jürgen Baumert zu sagen: Es gibt keine belastbare Studie, die bestätigen könnte, dass ein längeres gemein- sames Lernen sinnvoll sei. Es ist daher unverständlich, warum Gemein- schaftsschulen die Möglichkeit genommen werden soll, zu abschlussbezo- genen Klassenverbänden zu wechseln. Das bringt mich zum nächsten Punkt.
Punkt 4 – Einschränkung der Wahlfreiheit: Die Unterrichtsorganisation und Lerngruppenbildung ist eine originäre Aufgabe der Schulen und erfolgt nach pädagogischen Erfordernissen und Möglichkeiten vor Ort zum Wohle der Schülerinnen und Schüler. Mit diesem Gesetz wird politisch in die Selbstorganisation von Schulen eingegriffen. Die Wahlfreiheit wird einge- schränkt und die Eigenverantwortlichkeit beschnitten. Das ist ein erhebli- cher Rückschritt zur jetzigen Regelung. Die Bildungsministerin spricht in al- Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 3 len möglichen Interviews davon, dass sie den Menschen die Wahlmöglich- keiten geben möchte. Frau Ministerin, Ihre Worte werden durch diese Ge- setzesänderung völlig konterkariert. Aber die Bildungsministerin bestimmt ja schon lange nicht mehr die Richtung in der Bildungspolitik. Deswegen ist es kaum verwunderlich, dass niemand auf sie hört.
Punkt 5 – Kein Vertrauen in die Entscheidungsprozesse vor Ort: Es ist unklar, warum die Entscheidungen vor Ort nicht respektiert werden und wa- rum den Betroffenen die Wahlmöglichkeit eingeschränkt werden soll. Die Entwicklung einer Vertrauens- und Verantwortungskultur unter den Bil- dungsverantwortlichen nimmt mit diesem Gesetz Schaden. Anstatt die Strukturdebatte neu aufzumachen, die durch uns befriedend gelöst war, sollten wir uns lieber über weitere Maßnahmen unterhalten, wie Schüler besser gefördert werden können.
Ich komme jetzt zur Frage der Einrichtung weiterer Oberstufen an Gemein- schaftsschulen. Auch hier besteht breite Kritik.
Punkt 6 – Unnötige Verschärfung des Konkurrenzkampfes zwischen den Schulen: Durch die Erweiterung des Angebots bei zurückgehender Nachfrage – die demographische Entwicklung ist bekannt – wird die Kon- kurrenzsituation zwischen den Schulen um Schüler verschärft. Es wird zu „Kannibalisierungseffekten“ kommen. Das Gesetz wird dazu führen, dass gewachsene Strukturen zerstört werden. Ich habe ihre Potenzialanalyse für die geplanten Standorte gelesen. Sie rechnen sich alles schön. Die Schü- ler, mit denen sie planen, gibt es nicht. Ihre ganze Grundannahme geht fehl. Mehr Oberstufen führen nicht automatisch zu mehr Abiturienten. Ihre Argumentation kann nicht überzeugen. Durch die Schaffung weiterer Kapa- zitäten werden Schüler nicht schlauer. Quantität kann Qualität nicht erset- zen. Das Abitur ist immer noch ein Qualitätsmerkmal, außer man will die Standards weiter absenken.
Punkt 7 – Fehlinvestitionen bei den Kommunen: Viele Kommunen ha- ben im Vertrauen auf den Bestand des bisherigen Schulgesetzes erhebli- che Investitionen in die Schulinfrastruktur geleistet, die jetzt in Gefahr gera- ten zu Investitionsruinen zu werden. Besonders eindrucksvoll ist hier das Beispiel der Stadt Neumünster, die auf die Alexander-von-Humboldt-Schule verweist, welche eine Auswärtigenquote von 71 Prozent aufweist und jetzt als Konkurrenz zwei neue Oberstufen in unmittelbarer Nähe bekommt. Bordesholm ist sieben Kilometer weit weg und Nortorf ungefähr zehn Kilo- meter. Eine Entfernung, die man Oberstufenschülern ohne Probleme zu muten kann, denn wir reden hier nicht von Grundschülern. Zu Recht über- legt die Stadt Neumünster, aber auch die Stadt Flensburg – mit einem SSW-Oberbürgermeister nebenbei – gegen die Bescheide des Bildungsmi- nisteriums zu klagen.
Punkt 8 – Ressourcenverschwendung bei den Lehrerstellen: Der Auf- bau neuer Oberstufen benötigt mindestens 10,5 Planstellen, um alle Fä- cher zu unterrichten. Da es keine neuen Lehrer gibt, müssen diese Stellen „aus dem Fleisch“ der anderen Schulen geschnitten werden. Die Unter- richtsversorgung an allen Schulen wird dadurch verschlechtert. Dieses Ge- setz verschärft den bestehenden Mangel. Selbst der Landesrechnungshof kritisiert die unwirtschaftliche Einrichtung weiterer Oberstufen.
Punkt 9 – Einschränkung der Profilvielfalt: Folge der Reform werden auch Oberstufen mit geringen Schülerzahlen sein – sowohl an den neuen als auch an den bestehenden, was dazu führt, dass nur noch begrenzte Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 4 Profile angeboten werden können. Schülervertreter, aber auch der Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unter- richts kritisieren diesen Punkt, weil dem Verein sowie allen anderen Betei- ligten auch völlig klar ist, dass durch die Schaffung weiterer Oberstufen, die Profilvielfalt eingeschränkt wird, und dass dies neben den sprachlichen Profilen zuallererst auf Kosten der naturwissenschaftlich-mathematischen Profile gehen wird.
Punkt 10 – Der Weg der Kooperation wird nicht genutzt: Eine verbes- serte Kooperation zwischen Gemeinschaftsschulen einerseits und Gymna- sien und berufsbildenden Schulen andererseits wird nicht aufgegriffen. Stattdessen wird auf Konfrontation gesetzt, unnötige Doppelstrukturen werden geschaffen. Das bestehende Gesetz macht klare Vorgaben und gibt objektive Kriterien, wo Oberstufen errichtet werden können. Sie hebeln alle diese Vorgaben aus. Oberstufen werden nicht mehr nach öffentlichem Bedürfnis vergeben, sondern an diese Stelle wird das rot-grün-blaue Parteibedürfnis gesetzt. Die Schulentwicklung vor Ort muss hinter Versprechen zurücktreten, die im Wahlkampf abgegeben wurden.
Mit diesem ‚Vorschaltgesetz’ ist der Kurs gesetzt und ein weiterer Schritt Richtung Einheitsschule getan. Die Gymnasien sollen durch die kalte Kü- che abserviert werden. Mit diesem Gesetz lösen sie kein einziges schulpoli- tisches Problem, sondern sie verschärfen bestehende und schaffen neue Probleme. Die Linkskoalition muss endlich mit ihrem bildungspolitischen Wunschdenken aufhören und aufhören, mit den Lebenschancen unserer Kinder zu experimentieren.
Ich zitiere abschließend aus einer der Stellungnahmen aus der Anhörung: „Da der vorgelegte Gesetzentwurf nicht erkennen lässt, dass er die Ge- samtsicht der Schulentwicklung - demographischer Wandel, Qualität der Angebote, systematische Kooperation zwischen den Schulen - berücksich- tigt, lehnen wir den Entwurf insgesamt ab.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Die FDP-Fraktion lehnt diese Änderungen aber nicht nur ab, sondern ich kann auch schon ankündigen, dass wir all diese Änderungen in Gänze wieder zurücknehmen werden, sobald wir die Möglichkeit dazu haben.“



Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de