Bernd Heinemann zu TOP 15: Jetzt handeln, vorhandene Kompetenz systematisch nutzen!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 21. Februar 2013TOP 15, Demenzplan erstellen und umsetzen (Drucksache 18/491)Bernd Heinemann:Jetzt handeln, vorhandene Kompetenz systematisch nutzen!!Demenz ist eine wesensverändernde Alterserkrankung, von der immer mehr Menschen betroffen sind, und zwar laut Bertelsmann-Studie 1,3 Mill. und bis 2030 um 54% mehr. Ein Drittel der älteren Männer und ca. die Hälfte der älteren Frauen leiden zum Zeitpunkt ihres Todes unter Demenz. Die meisten sind von der Alzheimer-Erkrankung betroffen.Demenz, das bedeutet für die Betroffenen eine zunehmende Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, bei der nicht nur das Gedächtnis oder die Orientierung, sondern auch die Sprache, ja das Urteilsvermögen immer weiter begrenzt wird. Schließlich sind die Betroffenen kaum noch zu einer selbstständigen Lebensführung in der Lage und die Angehörigen fühlen sich oft verzweifelt, erschöpft und hilflos.Die letztlich oft verzweifelte Antwort darauf: Heimunterbringung. In deutschen Pflegeheimen werden noch immer 5-10% der Bewohnerinnen und Bewohner „körpernah“ fixiert. Unter Einbezug der Anwendung von Bettgittern erhöht sich der Anteil der Bewohner, die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen unterworfenen werden, sogar auf 30-40%. Mobilitätsvermindernde Maßnahmen beschränken dabei nicht nur das Recht auf Bewegungsfreiheit, sie erhöhen sogar die Verletzungsgefahr deutlich. Hier entsteht oft ein Teufelskreis, wenn der Demenzkranke in die somatische Behandlung eingreift, Schläuche entfernt u.a.Doch es gibt längst bessere Maßnahmen die uns z.B. im Elisabeth-Krankenhaus in Eutin präsentiert wurden. Rehabilitationsmaßnahmen wie ein Balance- und Kraft-Training können auch 2bei Demenzkranken zum Erhalt der Mobilität und zur Sturzprophylaxe erfolgreich sein und gleichzeitig das Fixierungsrisiko vermindern und den Schlaf stabilisieren.Schon jetzt besteht für 8,5 % der über 65jährigen in Schleswig-Holstein dringender Handlungsbedarf und die Zahl wird sich in nicht so ferner Zukunft verdoppelt haben.Nach einer aktuellen DKV-Studie haben 70% der Deutschen Angst vor einer dementiellen Erkrankung im Alter und mehr als die Hälfte gibt an, lieber sterben zu wollen als z.B. an Alzheimer zu erkranken.Schon in der vergangenen Legislaturperiode hat der SSW mit seinem Antrag auf die Notwendigkeit eines Landesdemenzplanes hingewiesen. Auch die Sprecherinnen von CDU und FDP haben Handlungsfelder ausgemacht. Aber Worthülsen allein nutzen nichts, wir wollen jetzt endlich Taten, Maßnahmen, Hilfen – konkret und zielgerichtet. Wir haben bei den Anhörungen vor einem Jahr die Stellungnahmen der Alzheimer-Gesellschaft, des DGB und der Pflegekassen aufmerksam gelesen.Wenn die Angehörigen nicht mehr können, fahren unsere Sozialsysteme angesichts der Demenzproblematik innerhalb kürzester Zeit an die Wand. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Kommunen, Ärzteschaft, Einrichtungen, Verbände, ja die Gesellschaft stehen in der Verantwortung.Wir werden uns für die weitere Forschung einsetzen, werden Prävention vorantreiben und vor allem regionale Handlungsleitfäden ermöglichen und zusammenführen. Die Mittel für diese ersten Schritte haben wir im Haushalt bereits eingestellt.Die Qualität der Hilfen darf weder vom Wohnort noch von den jeweils zufällig vorhandenen Kenntnissen in der Demenzbehandlung und der pflegerischen Unterstützungskompetenz vor Ort abhängen. Wir wollen klare Standards, vor denen sich fachkompetente Einrichtungen nicht verstecken dürfen. Die Behandelnden, die Pflegenden, die Angehörigen und die Betroffenen haben das Recht, sich auf qualifizierte Leitlinien zu stützen und wir haben die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass es sie gibt. Wie wir das machen, ist eigentlich klar, denn qualifizierte Bestandsaufnahmen und Prognosen sind ebenso vorhanden wie Modelle wirklich guter Praxis z.B. auch mit Wohnprojekten wie z.B. in Hürup.Wir haben in Schleswig-Holstein ein großartiges Kompetenzzentrum Demenz in Norderstedt, immer auf dem neusten Stand und mit einem sehr gut gefüllten Erfahrungsspeicher. Es fehlt uns also nicht am Können oder Wissen, sondern an der systematischen Umsetzung vorhandener Kompetenz. Wir wollen hier einen richtigen und gemeinsamen Weg der Unterstützung gehen. 3Im vergangenen Jahr hat sich auch der Deutsche Ethikrat zu Demenz und Selbstbestimmung zu Wort gemeldet. Er hat eindringlich auf die Notwendigkeit von regionaler und nationaler Demenzplanung hingewiesen. Wir wollen uns gerade auch hier für Toleranz und ein besseres Miteinander einsetzen. Die Ausgrenzung und Stigmatisierung der Betroffenen muss unterbunden werden, dies setzt auch die Anwendung der UN-Behindertenrechtskonvention voraus.Schon 2011 hat übrigens das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Vorstudie für einen Nationalen Aktionsplan Demenz beim Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft in Auftrag gegeben. Die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft hat Bundeskanzlerin Angela Merkel schon vor zwei Jahren eine konkrete nationale Demenzstrategie vorgeschlagen. Also auch auf nationaler Ebene müssen wir hier endlich weiterkommen. Über die GMK- Konferenz und/oder gar den Bundesrat werden wir auch für eine wirkliche Reform der Pflegepolitik eintreten.Aber zuerst sind wir mit unserem regionalen Beitrag gefragt. Die steigende Anzahl von zurzeit etwa 45.000 demenziell erkrankten Menschen und ihre Angehörigen in Schleswig-Holstein dürfen schlicht nicht vergessen werden. Im Gegenteil, wir werden handeln!