Petra Nicolaisen zu TOP 6: SPD, Grüne und SSW übergehen Bedenken der Betroffenen
InnenpolitikNr. 098/13 vom 21. Februar 2013Petra Nicolaisen zu TOP 6: SPD, Grüne und SSW übergehen Bedenken der BetroffenenEs gilt das gesprochenen Wort Sperrfrist RedebeginnIch möchte zum Einstieg Heinrich Brüning zitieren, der gesagt hat: Demokratie bedeutet ausreden lassen und zuhören können. Und angeblich ist das, was die Regierungskoalition mit Ihrem Gesetzentwurf erreichen will mehr Demokratie. Was sie allerdings nicht getan hat, war ausreden lassen und zuhören.Die Art und Weise, wie auch in diesem Fall das Verfahren nicht in der gebotenen Ruhe und Sorgfalt, sondern im Schnellverfahren ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen wurde, passt zu Ihrer Koalition. Ob Sie zur der Demokratie passt, die Sie stärken wollen, möchte ich mal dahingestellt lassen.Das Thema Bürgerbeteiligung ist von seiner Diskussionsbreite und von seinen Auswirkungen her extrem weit. Daher ist die systematische Zusammenfassung von der Koalition, es gehe um mehr Demokratie ebenso verkürzt, wie irreführend. Es geht hier nicht darum, mehr Demokratie zu schaffen, sondern es geht um eine Verlagerung demokratischer Verantwortung.Hätten Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition Pressesprecher Dirk Hundertmark, Mareike Watolla Landeshaus, 24105 Kiel Telefon: 0431 988-1440 Telefax: 0431-988-1443 E-Mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de Seite 1/3 alle Betroffenen ausreden lassen und hätten Sie ihnen zugehört, dann hätten Sie erkennen müssen, dass Ihr Entwurf die Demokratie möglicherweise nicht fördert, sondern gefährdet.Das System der repräsentativen Demokratie beruht auf der Delegation von Verantwortung auf gewählte Vertreter und ist in dieser Form grundgesetzlich vorgesehen. Repräsentativ getroffene Entscheidungen sind daher der Regelfall.Die CDU-Fraktion stellt sich nicht gegen die Möglichkeit direkter demokratischer Elemente. Allerdings muss die Funktionsfähigkeit der repräsentativen Grundausrichtung erhalten bleiben. Dies bedeutet auch, dass die Verantwortung für Entscheidungen den gewählten Vertreterinnen und Vertretern nicht leichtfertig entzogen werden darf. Die bislang bestehenden Regelungen und Möglichkeiten für Plebiszite berücksichtigen in ausgewogener Weise dieses Prinzip. Für das Funktionieren dieses Systems – ist es entscheidend, dass Menschen bereit sind, Verantwortung ehrenamtlich zu übernehmen. Doch schon heute bestehen in einigen Bereichen Probleme, ausreichend Personen zu finden, die sich dieser Aufgabe stellen. Und eine Ausweitung plebiszitärer Elemente sollte nicht ohne eine genaue Analyse der möglichen Folgen in diesem Bereich geschehen.Hätten Sie bei der Anhörung im Innen und Rechtsausschuss ernsthaft zugehört, hätten Sie diese Bedenken, die gerade von denen kamen, die die Neuregelung betrifft, nämlich von den Kommunen, nicht völlig kommentarlos übergehen können.Meine Damen und Herren, wenn die pauschale Behauptung aufgestellt wird, dass viele Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein sich mehr Möglichkeiten zur unmittelbaren Teilhabe an öffentlichen Entscheidungen wünschen, dann bleiben die regierungstragenden Fraktionen einen Nachweis schuldig.Und ich frage mich, ob die jetzt in der Gemeindeordnung vorgegebenen Einflussmöglichkeiten, z.B. in Bezug auf Bürgerbegehren oder Einwohnerfragestunden sowie Jugend- oder Seniorenbeiräte, diesen Wünschen nicht in hinreichendem Maße Rechnung tragen?Ich erinnere an dieser Stelle auch gern noch einmal an die Stellungnahme des SGK-Schleswig-Holstein, die von unserem jetzigen Innenminister Breidtner verfasst wurde. Hier heißt es zu § 16g, a. Abs. zur Streichung der 2/3 Mehrheit zur Initiierung eines Bürgerentscheids: Zitat: “Wir lehnen den Vorschlag, die 2/3Mehrheit zu streichen, ab. Die gewählten Kommunalvertreter(innen), NICHT die Gemeinde sollen die Verantwortung für von ihnen zu treffende Seite 2/3 Entscheidungen nicht zu leicht auf die Bürger(innen) verlagern können. In der Mehrheit der anderen Bundesländer gilt diese Regelung auch“. Ich kann der Stellungnahme nur zustimmen, die Übertragung der Entscheidungszuständigkeit muss politisch breit getragen werden.Und schauen wir einmal auf die bestehenden Rahmenbedingungen für Bürgerbegehren in den einzelnen Bundesländern, dann befinden wir uns mit unseren jetzigen Regelungen in guter Gesellschaft.Die großen Kritikpunkte an dem vorliegenden Entwurf sind die drastische Absenkung und Staffelung der Zustimmungs- und Unterschriftenquoren, die künftige grundsätzliche Bürgerentscheidsfähigkeit der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen und das Fehlen jeglicher Kalkulationen über die zu erwartenden Kosten. Bürgerinnen und Bürger müssen eingebunden und mitgenommen werden! Dies ist auch heute schon der Fall.Durch Ihren Entwurf jedoch wird die die repräsentative Demokratie in einer bedenklichen Art und Weise geschwächt und dies könnte zu einem weiteren Absinken der Bereitschaft zur Übernahme eines Ehrenamtes führen.Wenn man über das Thema ernsthaft reden will, dann ist nicht blinder Aktionismus gefragt, sondern Besonnenheit. Doch eine solche besteht bei der Regierungskoalition offenbar nicht. Es ist eben nicht überall mehr Demokratie drin, wo mehr Demokratie draufsteht.Deshalb kann ich den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen nur eines mitgeben: Wenn Sie wirklich mehr Demokratie erreichen wollen, lernen Sie ausreden lassen und zuhören!Die CDU-Fraktion wird den Gesetzentwurf und die Änderungsanträge ablehnen. Seite 3/3