Birte Pauls zu TOP 18: Wollen die Minderheiten dieses Siegel?
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 25. Januar 2013TOP 18: Europäisches Kulturerbe-Siegel Schleswig-Holstein/Süddänemark (Drucksache 18/433)Birte Pauls:Wollen die Minderheiten dieses Siegel?Die Europäische Kommission hat 2012 eine Initiative des Rates aufgegriffen, die zunächst von einer Reihe von Einzelmitgliedern der Europäischen Union sowie der Schweiz getragen wurde. Es geht darum, „Stätten, die in der Geschichte und beim Aufbau der Europäischen Union eine wesentliche Rolle gespielt haben“, besser bekannt zu machen und aufzuwerten. Es gibt derzeit 68 Träger dieses Siegels in insgesamt 19 Ländern.Deutschland hat darauf verzichtet, Ausgrabungszentren aus Antike und Mittelalter, deren Bezug zum europäischen Einigungsprozess nur schwer argumentierbar ist, anzumelden, und hat sich auf zwei thematische Netzwerke konzentriert, die „Stätten der Reformation“ und den „Eisernen Vorhang“.Als ich neulich in den Schleswiger Nachrichten von dieser Idee der CDU las, wusste ich nicht recht, ob ich weinen oder lachen sollte. Was bewegt die CDU, einen solchen Antrag zu stellen: Doppelmoral oder partielle Amnesie? Zur Erinnerung noch einmal ein Blick zurück: Es ist mal gerade 8 Monate her, da hat die CDU und besonders die CDU im Kreis Schleswig-Flensburg, deren Vorsitzender Herr Callsen ist, also der Antragsteller, keine Mühen und Kosten gescheut, vor der ach so großen Gefahr zu warnen, die von der dänischen Minderheit ausgeht.Der Kreis war überschwemmt mit diesen Plakaten und mit halbseitigen teuren Anzeigen, die von allen drei CDU-KollegInnen Callsen, Franzen und Nikolaisen namentlich unterschrieben waren. 2Mich hat es damals echt geschüttelt, dass Sie es nötig hatten, am rechten Rand zu fischen und alte Vorurteile zu schüren!Und damit nicht genug: Auch zum Haushalt 2013 forderte die CDU ursprünglich, die Zuschüsse für die dänischen Schulen um fast 3 Millionen Euro zu kürzen, und wollte auch noch die kulturelle Tätigkeit der dänischen Minderheit um 30.000 Euro reduzieren. Okay, da haben Sie sich ja zwischenzeitlich eines Besseren besonnen.Und dann so ein Antrag! Das ist doch so, als wollte sich der Betreiber einer Großschlachterei um einen Ehrenpreis des Deutschen Vegetarierbundes bewerben! Tut mir leid, aber das kriege ich nicht zusammen.Die neue Landesregierung hat alle Hände voll damit zu tun, den Scherbenhaufen aufzuräumen, den ihre Vorgängerin im Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit und damit auch in den Beziehungen zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark angerichtet hat.Aber wir haben auch immer wieder dafür geworben, dass wir zurückkehren zu einer fraktionsübergreifenden Minderheitenpolitik, und ich freue mich, wenn Sie diesen Pfad wieder beschreiten wollen. Und deshalb wollen wir uns natürlich gerne in anständiger Form mit diesem Antrag beschäftigen. Dann muss ich aber leider folgendes feststellen: Wenn wir eine Minderheitenpolitik anstreben, die auf Augenhöhe miteinander agiert, dann sollte man vielleicht, bevor man so einen Antrag stellt, mit den Minderheiten reden. Haben Sie das gemacht? Nö!Dass Sie Dialog nicht können oder wollen, ist mir klar, aber vielleicht wollen die Minderheiten ja gar nicht mit einem Siegel abgespeist werden, sondern wünschen sich eine Minderheitenpolitik, die auf Vertrauen, gegenseitigem Respekt und Gleichstellung beruht. Und warum nur die deutsche und dänische Minderheit, wo sind die Friesen in Ihrer Planung, was ist den mit Sinti und Roma?Natürlich ist es richtig, dass wir an die leider gescheiterte Bewerbung Sønderborgs als „Kulturhauptstadt 2017“ anknüpfen sollten. Das Verfahren hat Energien freigesetzt, zu viel ehrenamtlichem Engagement ermutigt und hat die Grenze in den Köpfen der Menschen kleiner werden lassen.Bevor wir also hier in Richtung Siegel weitergehen, sollten wir erst einmal die Minderheiten dazu befragen, ob sie es überhaupt wollen. Wenn ja, dann sollte die Landesregierung ausloten, ob 3zusätzlich zu den beiden von Deutschland bereits umgesetzten Projekten in nächster Zeit überhaupt mit weiteren Anmeldungen zu rechnen ist. Wenn wir von vornherein davon ausgehen müssen, dass Deutschland kein drittes Projekt mit dem Kulturerbe-Siegel zertifizieren kann, sollten wir unsere Region nicht in eine neue, dieses Mal kalkulierte Niederlage laufen lassen und erst Recht sollten wir tunlichst eine mögliche negative Überschneidung mit der Bewerbung Haithabu und Danewerk für das UNESCO-Weltkulturerbe umgehen.Ich beantrage deshalb, den Antrag federführend in den Europaausschuss und mitberatend in den Bildungsausschuss zu überweisen.