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14.12.12
13:47 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 11 - Gesetzentwurf zur Abschaffung der fünf-Prozent-Sperrklausel bei Landtagswahlen

Presseinformation Kiel, den 14.12.2012 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms


TOP 11 Gesetzentwurf zur Abschaffung der fünf-Prozent-Sperrklausel bei Landtagswahlen Drs. 18/385

Mit ihrem Gesetzentwurf verfolgt die Fraktion der Piraten das Ziel einer Abschaffung der 5%-
Hürde bei den Wahlen zum schleswig-holsteinischen Landtag. Die 5%-Hürde, die Sperrklausel
für kleinere Parteien gegen den Eintritt in die deutschen Parlamente, ist schon bei der
Gründung der Bundesrepublik und seitdem durchgängig umstritten gewesen. Der Versuch der
Einführung einer solchen Sperrklausel in das Grundgesetz scheiterte 1948 im Hauptausschuss
des Parlamentarischen Rates. Gleichwohl sind Anfang der fünfziger Jahre verschiedene Formen
von Sperrklauseln in die Wahlgesetze des Bundes und einiger Länder eingeführt worden. In
Schleswig-Holstein wurde 1951 eine 7,5%-Klausel eingeführt, um den SSW aus dem Landtag
fern zu halten. Diese Klausel wurde in einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 5. April 1952 für verfassungswidrig erklärt. In der gleichen Entscheidung deutete das
Bundesverfassungsgericht an, eine Quorum bis zu einer Höhe von 5% für zulässig zu halten.
Diese Beschränkung im Wahlrecht gilt seit der Wahlrechtsänderung von 1955 in Schleswig-
Holstein, einschließlich einer Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von diesem
Wahlrechtseingriff. 2



Aus Sicht des SSW ist die Sperrklausel in der Tat kritisch zu sehen; dies gilt erst Recht, wenn
man die neueren Entwicklungen, namentlich die Entscheidungen des schleswig-holsteinischen
Landesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2010 zur Mandatsberechnung im Landtag sowie des
Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2008 zu Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht und
2011 zur Sperrklausel bei den Wahlen zum Europaparlament berücksichtigt. Der SSW hat in
Zusammenhang mit den Entscheidungen der Verfassungsgerichte immer grundsätzlich
Initiativen zur Abschaffung der Sperrklausel ebenso wie eine deutliche Herabsetzung des
Quorums nach dänischem Vorbild begrüßt.


Die vom Landesverfassungsgericht geforderte strenge Wahlrechtsgleichheit kann unstreitig
am besten erreicht werden, wenn die Sperrklausel vollständig abgeschafft würde; das hat auch
noch einmal das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. November 2011
bestätigt. Auch eine deutliche Herabsenkung - in Dänemark gibt es beispielsweise eine 2%-
Klausel - würde dem Gesichtspunkt der Wahlrechtsgleichheit dienen. Das
Bundesverfassungsgericht hat von Anfang an gesehen, dass derartige Klauseln in einer
Konfliktlage zum Grundsatz der Gleichheit der Wahl stehen, und zwar sowohl, was den
einzelnen Wähler als auch was die Parteien angeht. Wählerstimmen werden bei Anwendung
einer solchen Klausel hinsichtlich ihres Erfolgswerts ungleich behandelt. Dennoch hat das
Bundesverfassungsgericht über viele Jahre Fünf-Prozent-Klauseln sowohl für die Wahlen zum
Bundestag, zu den Landtagen, im Kommunalwahlrecht und hinsichtlich der Wahl zum
Europaparlament gebilligt.


Die Anordnung einer Sperrklausel durch den Gesetzgeber bedarf nach ständiger
verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu ihrer Rechtfertigung eines zwingenden Grundes.
Das wäre die Funktionsfähigkeit des Parlamentes oder auch das Ermöglichen einer stabilen
Regierungsmehrheit. Kein zwingender Grund ist der Wunsch bestimmten Parteien den Einzug
in die Parlamente zu erschweren. Extremistische Parteien können nicht über das Wahlrecht 3
bekämpft werden. Oft werden aber trotzdem noch die so genannten Weimarer Verhältnisse
angeführt, um die 5%-Sperrklausel zu rechtfertigen. Aber ich glaube, dieser Vergleich hinkt.
Erstens ist die Demokratie in unserem Land wesentlich gefestigter als noch vor 80 oder 90
Jahren und zweitens zeigen auch gerade andere europäische Staaten mit einem bunteren
Parteienspektrum als bei uns - auch hier sei das Beispiel Dänemark mit 8 dänischen Parteien
und weiteren 4 Parteien von den Färöern und Grönland im Folketing genannt - dass bei ihnen
die Parlamente funktionsfähig sind. Und sehen wir uns unsere Kreistage an, so hat auch da die
Abschaffung der 5%-Klausel nicht die Funktionsfähigkeit der Vertretungen beeinträchtigt.


In die Auseinandersetzung über Sperrklauseln ist in den letzten Jahren, nachdem die
Diskussion um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sperrklauseln nie verstummt ist,
Bewegung gekommen. Im Jahre 2008 hat das Bundesverfassungsgericht aufgrund eines
Antrages der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag die Fünf-Prozent-Klausel bei
Kommunalwahl für unzulässig erklärt. Im Jahre 2011 entschied es, dass der mit der 5-Prozent-
Sperrklausel im Europawahlgesetz verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der
Wahlgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien unter den gegebenen
rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen sei. Und somit kann man
sich auch vorstellen, dass in Zukunft die Einschätzung von Verfassungsrichtern in Bezug auf
Landtagswahlgesetze ähnlich sein könnten.


Die Frage, wie weit eine Sperrklausel für die Wahlen zu einem Landesparlament und ganz
konkret zum Landtag in Schleswig-Holstein unter den gegebenen tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnissen noch zu rechtfertigen ist und zwar sowohl dem Grundsatz als auch
der Höhe nach, ist auch und gerade im Lichte der Rechtsprechung sowohl des
Landesverfassungsgerichts als auch des Bundesverfassungsgerichts durchaus ernsthaft zu
stellen. Und vor diesem Hintergrund erwarten wir spannende und ergebnisoffene
Ausschussberatungen.