Tobias von Pein zu TOP 27: Schluss mit der Gängelung durch die Extremismusklausel!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 13. Dezember 2012TOP 27, Abschaffung der Extremismusklausel (Drucksache 18/373)Tobias von Pein:Schluss mit der Gängelung durch die Extremismusklausel!Eigentlich könnte ich heute über Demokratisches Engagement sprechen. Und über Initiativen die sich gegen Intoleranz und Rassismus stellen. Über all die mutigen Menschen, die unsere Gesellschaft stark machen und die demokratische Kultur stärken. Über kluge Ideen, Best- Practice-Beispiele und das alles.Doch leider muss ich heute auf solche Schlagworte wie „Generalverdacht“, „Unterstellungen“, „Hindernisse“, „Steine im Weg“ oder „Verhinderung“ eingehen… Denn all die, die sich für Demokratie einsetzen, Projekte starten und Initiative ergreifen, sehen sich seit knapp 2 Jahren einem großen Hindernis ausgesetzt: Seit 2011 muss jeder, der Geld aus dem Topf „Toleranz fördern, Kompetenz stärken" des Bundes haben will, eine Erklärung unterschreiben. Eine Erklärung, die einen dazu verpflichtet, jedem seiner Projektpartner mit Misstrauen zu begegnen und ihn unter Generalverdacht zu stellen.In der so genannten Demokratieerklärung wird von den Antragsstellern nicht nur ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung verlangt. Sie müssen nicht nur ein Bekenntnis ablegen. Nein, sie müssen dies auch für alle ihre Projektpartner garantieren und sicherstellen. Außerdem sollen sie sich gegen einen vermeintlichen „Extremismus“ stellen. Was soll damit gemeint sein? Wird hier nach alter JU-Manier der menschenverachtende Neonazi mit dem so genannten Linksextremisten in einen Pott geworfen und für gleich böse erklärt? 2Wie irreführend diese stumpfe Anwendung des Begriffes „Extremismus“ ist, kann man ja wunderbar an den neuesten Studien zur „Mitte“ in Deutschland erkennen: Rassistische und antidemokratische Einstellungen entstehen – leider viel zu oft – mitten in der Mehrheitsgesellschaft. Und die neueste Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Zustand der „Mitte“ in Deutschland zeigt uns erschreckende Zahlen auf:Wenn z.B. die Aussage „Die Bundesrepublik sei durch zu viele Ausländer überfremdet“ bei 37,2 Prozent der Bundesbürger Zustimmung findet. Oder bei der Aussage „die Deutschen seien anderen Völkern von Natur aus überlegen“ satte 17,7 Prozent. Dann wird mir – gelinde gesagt – schlecht! Das zeigt doch nur, wie wichtig der Einsatz für Demokratie, Achtung und Respekt in der Gesellschaft ist. Und zwar „mitten“ in der Gesellschaft!Doch zurück zur Extremismusklausel: Die Leute, die aktiv sind, sollen also auch für die Gesinnung von anderen haften, sie sollen also die Störerhaftung für andere übernehmen. Als seien ihre Partner unmündig oder hilfsbedürftig oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit! Und der größte Hammer kommt noch: Wird diese Klausel nicht unterschrieben, gibt es keine Fördermittel. Wird gegen die Klausel verstoßen, müssen die Mittel sogar zurückgezahlt werden.Bundesministerin Schröder wollte mit dieser Klausel die „Demokratie stärken“, doch wir müssen uns fragen: Wie kann eine Klausel Demokratie stärken, wenn sie der Zivilgesellschaft aktiv Steine in den Weg legt? Diese Extremismusklausel stärkt niemanden! Denn in der Praxis führt die Klausel dazu, dass demokratische Initiativen vor Ort, die flexibel agieren müssen, von staatlichen Fördermitteln Abstand nehmen.Dazu gab es schon Beispiele in Berlin und Sachsen. Und auch in Schleswig-Holstein hat sich gezeigt, dass diese Klausel ein Hindernis ist. Also weg damit! Wir unterstützen die Landesregierung in ihrem Weg und fordern: Weg mit dieser unsinnigen Regelung. Sie hilft keinem weiter. Und erst recht nicht der demokratischen Kultur in diesem Land!Die vielen Projekte und Initiativen gegen Rassismus oder Rechtsextremismus zeigen doch schon jetzt, wie hoch die Standards in Sachen Fachlichkeit und Menschenrechte liegen: Da gibt es Runde Tische, die überparteilich agieren, Bündnisse, die im Konsensprinzip entscheiden, und Aktionen, die kreativ, bunt und friedlich vonstatten gehen. 3Für Schleswig-Holstein gilt das für viele Regionen - ob in Kiel, Neumünster oder Mölln oder das breite Bündnis gegen Rechts in Lübeck. Na klar, die Akteure sind hier immer zutiefst unterschiedlich. Ob politisch oder kulturell. Doch egal ob Pastor, Privatmann, Punk oder Politiker – hier wird im demokratischen Konsens entschieden und gemeinsam gehandelt! Und das ist gut so!Wir sollten das alles nicht durch ein Klima des Misstrauens behindern oder sogar unmöglich machen! Denn eins ist klar. Demokratie kann man nicht verordnen. Eine Unterschrift auf einem Blatt Papier, verbunden mit dem Aufruf zum Generalverdacht hilft niemandem weiter.Demokratie braucht Freiraum.Demokratie muss sich entwickeln.Demokratie muss gelebt werden!Also: Schluss mit der Gängelung durch die Extremismusklausel!