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13.12.12
13:14 Uhr
FDP

Dr. Ekkehard Klug zu TOP 1A und 55: Weshalb schweigt die Regierung zu Schwedens Ausstieg aus dem UNESCO-Welterbeprojekt und zur Gefährdung des Ostseejugendsekretariats?

FDP-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Es gilt das gesprochene Wort.

Nr. 490 / 2012 Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Christopher Vogt, MdL Kiel, Donnerstag, 13. Dezember 2012 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer
Europa

Dr. Ekkehard Klug: Weshalb schweigt die Regierung zu



www.fdp-sh.de Schwedens Ausstieg aus dem UNESCO-Welterbeprojekt und zur Gefährdung des Ostseejugendsekretariats?
In seiner Rede zu TOP 1A und 55 (Regierungserklärung „Schleswig-Holstein für Europa“ und Europabericht der Landesregierung) erklärt der europa- politische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Ekkehard Klug:
„In seiner Laudatio zur Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäi- sche Union sagte der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Thorbjörn Jargland: ‚Es ist wahrlich fantastisch, was dieser Kontinent geschafft hat, als er sich von einem Kontinent des Krieges zu einem des Friedens wandelte.‘ Die EU verdiene den Friedensnobelpreis, weil sie in diesem Prozess eine herausra- gende Rolle gespielt habe.
Die Auszeichnung gilt dieser historischen Leistung und den Ideen und Prinzi- pien, auf denen sie beruht – nicht der leider oft unzulänglichen Umsetzung im Einzelnen. Kritische Stellungnahmen zum ‚real existierenden EU-Europa‘ der Kommission und der Ministerräte, wie sie auch im Umfeld der Preisverleihung in Oslo abgegeben wurden, dürfen daher nicht als ‚antieuropäisch‘ verstanden oder denunziert werden. Wir Liberale verstehen sie vielmehr als eine Aufforde- rung, die Realität stärker an das Ideal anzunähern. Es geht darum, die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen, von der auch die Europami- nisterin in ihrer Regierungserklärung gesprochen hat.
Die Europäische Einigung ist kein Selbstzweck. Sie dient der Sicherung und Mehrung von Frieden, Freiheit und Wohlstand. ‚Gut‘ sind europäische Lösun- gen nicht an sich, sondern nur insoweit, wie sie diesen Zielen entsprechen.
Dies betrifft zum einen die Europäische Innenpolitik, wo es nicht nur um die Bewältigung der Schuldenkrise und die Sicherung der gemeinsamen europäi- schen Währung, des Euro, geht, sondern auch um institutionelle Reformen für mehr europäische Demokratie – etwa ein Initiativrecht für das Europäische Par- lament. Zur parlamentarischen Demokratie gehört als Kernstück nun einmal das Recht, aus dem Parlament heraus eigene Gesetzesvorschläge einzubringen. Wobei freilich nicht die Menge der Gesetze, sondern eher deren Qualität im Mit- telpunkt stehen sollte. Vor einigen Jahren ließ die niederländische Ratspräsi- dentschaft ein 36-bändiges Sammelwerk mit den bis dahin erlassenen europäi- schen Rechtsvorschriften erstellen – ganze 86.000 Seiten EU-Recht. Die EU- Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 2 Kommission hat daraufhin Besserung gelobt und noch unter Leitung des dama- ligen Kommissionsmitglieds Günter Verheugen eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Aufgabe es war, ein Viertel der die Wirtschaft betreffenden Rechtsvor- schriften bis 2012 zu vereinfachen oder abzuschaffen.
Als der Europaausschuss des Landtages im Oktober in Brüssel war, konnten wir im Gespräch mit mehreren Kabinettschefs von EU-Kommissaren und Ver- tretern von Generaldirektionen erfahren, dass die Frage nach den Ergebnissen dieser lobenswerten Bemühungen eher Verlegenheit und Irritation auslöst. Im- merhin ist der Auftrag der besagten Arbeitsgruppe noch einmal verlängert wor- den. Die grüne Europaabgeordnete Heide Rühle hat im Gespräch mit uns hier- zu kritisch angemerkt, die Kommission habe angesichts der Krise der EU die Tendenz, eher mehr als weniger Gesetzesvorschläge zu produzieren, um auf diese Weise Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Ob das immer hilfreich ist, mag man bezweifeln. Da gibt es auch manches Vorhaben, das eher abträglich ist – etwa die Idee, für die Ausbildung zur Krankenschwester oder für andere Gesundheitsberufe das Abitur vorzuschreiben oder im Rahmen der EU- Vergaberechtsreform europaweite Ausschreibungen auch für Kommunalkredite vorzuschreiben.
Erst vor wenigen Tagen hat die Landespresse darüber berichtet, welche Prob- leme 1.400 Feuerwehren in Schleswig-Holstein mit den neuen EU- Abgasvorschriften für Löschfahrzeuge haben: Wenn die künftig vorgeschriebe- nen Partikelfilter im Kurzstreckenbetrieb verstopfen und Katalysatoren nicht wirksam werden, dann wäre es blanker Unsinn, keine Ausnahmeregelung zu erlassen. In Hessen und Brandenburg haben die Landesregierungen ja auch schon entsprechend reagiert.
Eine Staatengemeinschaft mit 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in 27 Mitgliedsländern zentralistisch bis ins Detail hinein steuern zu wollen, wäre ein grundlegend verfehlter Ansatz. Die Forderung nach ‚mehr Europa‘ bedarf daher einer differenzierten Antwort: Sie ist richtig, wenn es um mehr demokratische Teilhabe der Bürger und der von ihnen gewählten Parlamente geht oder um ei- ne praktikable europäische Bankenaufsicht nach einheitlichen Kriterien oder um den Ausbau transeuropäischer Netze bei Verkehrsverbindungen oder Strom- trassen – um nur einige Beispiele zu nennen – , aber wenn sie als globalgalak- tisches Rezept für alles Mögliche missverstanden wird, dann trägt sie eher zur Abwendung der Bürger von Europa bei.
Zu Recht ist im Vertrag von Lissabon das Prinzip der Subsidiarität gestärkt wor- den: der Grundgedanke, dass europäische Regelungen sich auf solche Berei- che beschränken sollen, in denen angestrebte Ziele nicht ebenso gut oder bes- ser auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene erreicht werden können. Durch den Lissabonner Vertrag haben die nationalen und regionalen Parlamente bei der Subsidiaritätskontrolle neue Rechte und Aufgaben erhalten, und es ist rich- tig und notwendig, dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag diese Aufga- be in enger Zusammenarbeit mit der Landesregierung annimmt. Frau Ministerin Spoorendonk hat in ihrer Regierungserklärung generelle Aussagen zur Zu- sammenarbeit mit dem Landtag getroffen, die die FDP-Fraktion uneinge- schränkt begrüßt. Wir werden uns konstruktiv an der Diskussion über die von der Regierung angekündigten Initiativen beteiligen.
Die FDP-Fraktion befürwortet auch die Einrichtung der Stelle eines Parlaments- referenten im Hanse Office, vorzugsweise in Form einer gemeinsamen Vertre- tung mit der Hamburgischen Bürgerschaft. Um Einflussnahme in Brüssel zu si- chern und zum Beispiel frühzeitig auf Probleme in Sachen Subsidiarität auf-
Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 3 merksam zu werden, muss der politische Informationsfluss verbessert werden. Das ist mehr als nur eine ‚technische‘ Frage der Parlamentsarbeit.
Eines der Probleme der EU, die man mit dem Begriff ‚Demokratiedefizit‘ be- schreiben kann, liegt gar nicht in institutionellen Unzulänglichkeiten begründet, sondern in der unterwickelten Form des politischen Diskurses: Wahlkämpfe vor Europawahlen finden weitgehend auf nationaler Ebene statt (und werden oft durch nationale Themen und Inhalte bestimmt), in den Medien werden europäi- sche Entscheidungsprozesse und Debatten nur sehr eingeschränkt (wenn überhaupt) transportiert, meist beschränkt sich die politische Öffentlichkeit auf eine Zuschauerrolle bei Berichten über Ministerratssitzungen und EU- Gipfeltreffen. Die Berichterstattung aus dem Europäischen Parlament ist eher dürftig – jedenfalls wesentlich geringer als aus dem Bundestag oder aus Lan- desparlamenten. Nationale und regionale Parlamente können und müssen hier als Mittler dienen – ihre Vertreter sind im Zweifelsfall auch vor Ort präsent in der Diskussion mit den Bürgern – so wie der Kollege Voß von der grünen Landtags- fraktion und ich kürzlich bei der Tagung des Verbandes der Europaschulen.
Wenn Öffentlichkeit und Medien tendenziell eher die auf nationaler und regiona- ler Ebene geführten politischen Debatten wahrnehmen bzw. transportieren, dann müssen der Bundestag und die Landtage es eben stärker zu ihrer Aufga- be machen, wichtige europäische Themen zum Gegenstand ihrer Debatten zu machen. Und dazu bedarf es auch einer stärkeren Vernetzung der unterschied- lichen parlamentarischen Ebenen.
Bei dem Gespräch, das wir im Oktober in Brüssel mit schleswig-holsteinischen und anderen norddeutschen Europaabgeordneten geführt haben, haben wir uns daher vorgenommen, diesen Austausch zu verbessern. Dies ist übrigens nicht nur für uns als Landesparlamentarier hilfreich: Aus dem Kreis der Kollegen im Europaparlament wurde festgestellt, dass man oft bei Gesetzesinitiativen der Kommission nicht überblicken könne, welche Auswirkungen sich darauf in der Region ergeben. Daher war auch von ihrer Seite das Interesse an einer enge- ren Zusammenarbeit parteiübergreifend spürbar.
Ein Schwerpunkt des Europaberichts der Landesregierung und der Regierungs- erklärung lag – wie auch in früheren Debatten zu diesem Thema – im Bereich der Ostseezusammenarbeit. Frau Ministerin Spoorendonk hat in diesem Zu- sammenhang einiges zum Bereich Kulturpolitik gesagt; anderes hat sie freilich nicht gesagt. Es gibt eine internationale Initiative zur Anmeldung Archäologi- scher Fundstätten aus der Wikingerzeit als UNESCO-Weltkulturerbe. Schles- wig-Holstein ist bekanntlich mit Haithabu und dem Danewerk an dieser Initiative beteiligt, die sich auf die Ostseeregion und (mit Island) den Nordatlantik er- streckt. Von Bedeutung ist dies nicht nur als regionale Kulturinitiative, sondern auch wegen des touristischen Potenzials – nicht zuletzt auch für unser Bundes- land. Nun ist aber bedauerlicherweise der Teilnehmerstaat Schweden aus die- ser Initiative ausgestiegen – wodurch die Verwirklichung des Vorhabens einen schweren Rückschlag erlitten hat.
Frau Ministerin Spoorendonk hat sich dazu auch öffentlich geäußert, aber in ih- rer Regierungserklärung, die ansonsten viel von kultureller Zusammenarbeit im Ostseeraum die Rede ist, herrscht ausgerechnet über dieses Thema beredtes Schweigen. Das verblüfft umso mehr, als die Ministerin in ihrer vormaligen Funktion als Fraktionsvorsitzende des SSW das Thema Haithabu/Danewerk ausgiebig parlamentarisch ‚bespielt‘ hat.
Deshalb darf man ja wohl hier einmal fragen: Beabsichtigt die Ministerin, beab- sichtigt die Landesregierung eventuell, auf politische Gesprächspartner in Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 4 Schweden zuzugehen, um dort doch noch einen Sinneswandel zu befördern? Und wie vereinbart sie ihr Schweigen eigentlich mit dem in ihrer Regierungser- klärung erhobenen Anspruch, künftig bei der Umsetzung des Themas Kultur in der Ostseestrategie die Rolle eines Koordinators zu übernehmen?
Generell muss man feststellen, dass der abrupte Ausstieg eines der wichtigsten Partner aus diesem Vorhaben den Eindruck erweckt, dass es um die Ostseezu- sammenarbeit nicht so gut bestellt ist, wie dies in Sonntagsreden und Regierungs- erklärungen so gerne beschworen wird. Noch am 13. Juni 2012 proklamierte Herr Ministerpräsident Albig in seiner Regierungserklärung – ich zitiere – ‚Meine Regie- rung ist eine bewusst nordeuropäische‘. Wir haben damals auch gehört, dass wir – Zitat – ‚Teil dieses einen starken und stolzen Schleswig-Holsteins sind‘.
Frage: Was macht denn das ‚starke und stolze Schleswig-Holstein‘ bzw. seine stolze, aber in dieser Frage weniger starke, sondern eher stille Landesregie- rung, um das UNESCO-Welterbeprojekt in seiner angestrebtem Form zu ver- wirklichen? Oder reicht Nordeuropa für diese stolze Landesregierung im Norden nur bis nach Sonderburg und im Süden bis zur Eider?
Auf den ersten Blick könnte man es ja noch als eine Panne ansehen, dass die Ministerin in dieser Landtagsdebatte zu diesem wichtigen Thema der Ostsee- zusammenarbeit geschwiegen hat.
Leider handelt es sich aber nicht um einen Einzelfall. Auch zur drohenden Schließung des 1999 eingerichteten Ostseesekretariats für Jugendangelegen- heiten haben wir hier bedauerlicherweise von der schleswig-holsteinischen Landesregierung nichts gehört. Bekanntlich haben Lettland, Island, Schweden und Litauen ihre Teilnahme an der Konferenz, in der über ein neues Mandat gesprochen werden sollte, abgesagt, und das zuständige Ministerium Norwe- gens hat prinzipiell erklärt, dass es keine Beiträge mehr leisten. Damit droht dem in Kiel beim Landesjugendring angesiedelten Ostseesekretariat für Ju- gendangelegenheiten das Aus. Der Vorsitzende der Deutsch-Nordischen Parlamentariergruppe des Bundestages, Franz Thönnes, MdB, hat sich in die- ser Angelegenheit mit Bitte um Unterstützung an die Bundesjugendministerin, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt sowie an die Parlamentspräsidenten der norddeutschen Bundesländer gewandt. Erstaunlicherweise schreibt er in seinem Brief nichts darüber, ob er sich auch an die stolze schleswig- holsteinische Landesregierung gewandt hat. Deshalb möchte ich selbige an dieser Stelle fragen: Was tut eigentlich die ‚bewusst nordeuropäische‘ Landes- regierung des Ministerpräsidenten Albig, um in den genannten Partnerländern des Ostseeraumes für eine Fortsetzung der Arbeit des Ostseesekretariats für Jugendangelegenheiten zu werben? Und warum hat die Ministerin Frau Spoo- rendonk in ihrer Regierungserklärung auch zu diesem Thema nichts gesagt? Solche Regierungserklärungen sind doch keine stolzen Schönwetterreden, in denen man Probleme und drohende Rückschläge unter den Teppich kehren darf.
Natürlich ist es richtig, wenn Kollege Thönnes die Bundesregierung um Unter- stützung bittet – zumal diese ja hier ja schon viel geleistet hat. Ich zitiere aus Franz Thönnes‘ Schreiben an Staatsministerin Cornelia Pieper: ‚Im Rahmen der erfolgreichen deutschen Präsidentschaft des Ostseerats ist es dem Auswärti- gen Amt gelungen, mit der in Berlin durchgeführten Ostseejugendkonferenz ei- nen wichtigen Markierungsstein für die weitere Entwicklung einer jugendpoliti- schen Kooperation im Ostseeraum zu setzen.‘
Darauf kann man wirklich stolz sein. Auf die bei diesem Thema stolz vor sich hin schweigende schleswig-holsteinische Landesregierung eher nicht.“ Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de