Lars Harms zu TOP 1A + 55 - Regierungserklärung "Schleswig-Holstein für Europa" und Europabericht der Landesregierung
PresseinformationKiel, den 13.12.2012 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 1A + 55 Regierungserklärung „Schleswig-Holstein für Europa“ und Europabericht der Landesregierung Drs. 18/360Vorweg möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Europaministeriums für diesenausführlichen Bericht danken. Er ist in seinem Umfang mehr als nur die Aufzählung von Fakten.Er beschreibt zum einen die großen Herausforderungen vor denen wir in Europa stehen, zeigtaber gleichermaßen wie Schleswig-Holstein sich zukünftig in Europa einbringen wird.Angesichts der großen Probleme, vor denen wir in Europa stehen, ist es wichtig, dass wir hierim Land genau diese Wege aufzeigen, um den Menschen vor Ort Europa wieder ein Stücknäher zu bringen. Eines ist jedoch klar, nicht Europa ist von den Menschen abgerückt, vielmehrist es die Politik in der Europäische Union.Die die neoliberale Wirtschaftspolitik der Europäischen Union hat dazu beigetragen, dass dieMenschen nicht nur hier im Land ein mehr als gespaltenes Verhältnis zu Europa bekommenhaben. Die Politik der EU ist dominiert von der Finanzmarkt- und Eurokrise. Es wird darumgerungen, Instrumente auf den Weg zu bringen, um wieder Stabilität in den Finanz- undWirtschaftsmarkt zu bekommen oder um die Eurozone zu retten. Ob all die Maßnahmen 2letztendlich ausreichen, wird die Zukunft zeigen. Denn die Krise wird uns auch in den nächstenJahren weiter beschäftigen.Das Spannungsverhältnis zwischen den nationalen Interessen der Mitgliedstaaten und dengemeinschaftlichen Interessen der Europäischen Union haben sich seit der Krise zugespitzt.Auch in den nächsten Jahren wird weiter gerungen, um die EU und die Eurozone zu festigen.All dies muss gelingen, wenn wir das Vertrauen der Menschen nicht verlieren wollen. Es darfsich nicht der Eindruck verfestigen, dass die EU nur für die Rettung von Banken zuständig ist.Denn sie ist viel mehr als das.Angesichts dieser Eindrücke dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, worum es bei der EUwirklich geht. Die Auszeichnung der EU mit dem Friedensnobelpreis öffnet uns hierfür wiederdie Augen. Das friedliche Zusammenwachsen von Europa ist eine große politische Leistung vonJahrzehnten und von vielen Nationen. Zum einen ist sie eine Auszeichnung für die erbrachteLeistung, sie ist aber auch ein Auftrag an die EU, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlierenund sich weiter dafür einzusetzen. Sie ist zugleich eine Mahnung, dass wir den Frieden in derEU und in Europa nur erhalten können, wenn alle füreinander einstehen. Gerade inKrisenzeiten zeigt sich, ob dieser Wille stark genug ist. Daher müssen wir alles dafür tun, dassdiese Auszeichnung auch in Zukunft ihre Berechtigung behält.Das entscheidende Manko der bisherigen EU-Politik, ist die mangelnde Bürgernähe. Mitanderen Worten, es müssen mehr Entscheidungen so nah wie möglich am Bürger dezentralverankert werden. Denn nur vor Ort können die Bürgerinnen und Bürger von derNotwendigkeit europäischer Zusammenarbeit überzeugt werden. Aus diesem Grund ist esrichtig, dass wir den Menschen in Schleswig-Holstein beweisen, dass die EU mehr ist, als nurBankenrettung. Dies sehen wir als ein Auftrag an die Politik hier im Land.Es zu begrüßen, dass die Landesregierung sich künftig stärker als bisher auf eine aktive Rolleals Ideengeber ausrichten wird, wie es auch dem Bericht zu entnehmen ist. Daher muss die 3Landesregierung sich stärker auf europäischer Ebene einbringen und die Zusammenarbeit mitden Partnern in Europa weiterentwickeln. Es bedarf aber auch einer aktiveren Rolle in deneuropäischen Gremien in Brüssel, um die Schleswig-Holsteinischen Interessen besser zuvertreten. Dafür werden wir auch das Hanse-Office neu einbinden und aufstellen. Soll heißen,das Hanse-Office wird als echte Landesvertretung wird künftig stärker in die Zusammenarbeitmit anderen Vertretungen und Gremien gehen, um gezielter an Informationenheranzukommen und um in Brüssel stärker Einfluss auf Kernthemen des Landes zu nehmen.Damit nimmt das Hanse-Office nicht nur die Funktion einer Beratungsinstitution fürschleswig-holsteinische und hamburger Institutionen, vielmehr schaffen wir eine bessereVerzahnung von Politik und wirtschaftlichen Interessen des Landes.Doch wie bereits gesagt, um die europäische Sinnkrise zu bewältigen, bedarf es aktiver Politikvor Ort. Gerade Schleswig-Holstein, als Verbindungsland zwischen Skandinavien und Europa,als Ostsee- und Nordseeanrainer hat hierbei eine wichtige Aufgabe und Funktion. Dies müssenwir mit Leben füllen.Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat seinerzeit einstimmig beschlossen, Sønderborg alsKulturhauptstadt Europas für 2017 zu unterstützen. Nun wissen wir zwar, dass Århus nominiertwurde, aber wir haben in dem gesamten Bewerbungsverfahren erlebt, wie eine Region -diesseits und jenseits der Grenze - geschlossen hinter Sønderborg stand und wie man sichgemeinsam für Sønderborg ausgesprochen hat. Allein deshalb hat sich der Aufwand gelohnt -auch wenn Sønderborg den Zuschlag nicht erhalten hat. Diese Zusammenarbeit und dieserZusammenhalt über Grenzen hinweg sind gelebter europäischer Gedanke. Dies wäre vorwenigen Jahrzehnten so nicht möglich gewesen. Daher ist Sønderborg ein Erfolg für diegesamte Region. Und es ist richtig und wichtig, dass die Landesregierung diesen Erfolg weiterunterstützt, indem die grenzüberschreitende Kulturkooperation mit der Region Süddänemarkmit einem Zuschuss von 50.000 Euro extra gefördert wird. 4Ein weiterer Mosaikstein im europäischen Zusammenhang ist die grenzüberschreitendeZusammenarbeit im Arbeitssektor. Auch hier hat es in Schleswig-Holstein in den letztenJahrzehnten Veränderungen gegeben, die früher einfach nicht denkbar waren. Gerade in dergrenznahen Region ist es mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr, wenn der Nachbar jedenTag rüber fährt, um auf der anderen Seite der Grenze zu arbeiten.Aber auch in einem vereinten Europa müssen wir immer noch akzeptieren, dass wir immerwieder auf Hürden stoßen. Soll heißen, wir haben auf beiden Seiten der Grenzeunterschiedliche Systeme – Steuern, Krankenversicherungen – die nicht kompatibel sind. Wirsind uns alle einig, dass die Zusammenarbeit weiter ausgebaut und die Hürden abgebautwerden müssen. Aber, wir müssen auch akzeptieren, dass es diese unterschiedlichen Systemeund Hürden gibt und diese auch grundsätzlich bleiben. Für alle diejenigen, die heute alsGrenzpendler unterwegs sind, müssen wir die Hürden jedoch so niedrig wie möglich gestalten.Dies ist jedoch auf nationaler Ebene zu lösen. Es gibt jedoch Kooperationen über die Grenzenhinweg, die sich der Problematiken angenommen haben, um Hilfestellung zu leisten. Aberauch dies ist ein Ergebnis langjähriger Erfahrung und Zusammenarbeit. Das Regionskontor inPadborg ist das gemeinsame Sekretariat und Informationsbüro der Region Sønderjylland-Schleswig. Es ist die Anlaufstelle für Politik, Verwaltung, Wirtschaft sowie für Bürgerinnen undBürger die Fragen haben, beziehungsweise um Kontakte zur jeweils anderen Seiteherzustellen. Aber auch, um Anregungen und Vorschläge für Projekte und Aktivitätenaufzunehmen, um sie an entsprechende Stellen weiterzuleiten. Dies ist praktisches Handeln inder Region, um grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erleichtern. Und das ist der richtigeWeg.Wenn wir in Schleswig-Holstein über die Fehmarnbelt-Region sprechen, dann gelten dort diegleichen Voraussetzungen wie an der Landgrenze zu Dänemark. Aber auch dasZusammenwachsen dort wird nur möglich sein, wenn wir entsprechende Anlaufstellen undAnsprechpartner vorhalten. Auch in der Fehmarnbelt-Region wird es Hürden hinsichtlich dergrenzüberschreitenden Zusammenarbeit geben. Darum ist es notwendig, auf beiden Seiten der 5Grenze dafür zu sorgen, das Wissen über den jeweils anderen zu schaffen und dafür ist dasModell des Regionskontors vorbildlich geeignet.Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die Kooperation mit Dänemark so konkret und soergebnisorientiert wie möglich ausgerichtet wird. Ausgehend von den Erfahrungen undErgebnissen der bisherigen grenzüberschreitenden Projekte wird die Landesregierung diegrenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter ausbauen. Hierfür wurde bereits einThesenpapier erstellt, das die Grundlage für gemeinsame Aktivitäten darstellt.In diesem Kontext ist auch der Besuch von Ministerpräsident Albig, der EuropaministerinSpoorendonk und der Minderheitenbeauftragten zu sehen. Dies begrüßen wir ausdrücklich.Im Bericht wird in diesem Zusammenhang explizit darauf hingewiesen, dass dieMinderheitenpolitik als „sehr konstruktiv“ bezeichnet wurde. Dies ist eindeutig ein Verdienstder jetzigen Landesregierung, die sich zu ihren Minderheiten bekennt und die Gleichstellungwieder eingeführt hat. Ich möchte aber deutlich sagen, dass die Kürzungen bei denMinderheiten seinerzeit nicht nur im deutsch-dänischen Zusammenhang gesehen wurden.Vielmehr wurden die Kürzungen auch auf europäischer Ebne wahrgenommen und es hat auchdort für Entrüstung und Unverständnis gesorgt. Daher wurde auch dort die Gleichstellungpositiv aufgenommen. Minderheitenpolitik ist auch Europapolitik. Dies war der schwarz-gelben Landesregierung jedoch völlig egal. Uns ist es aber nicht egal. Wir wollen eine guteEuropapolitik haben und dazu zählt ausdrücklich auch eine moderne Minderheitenpolitik.Wie eingangs bereits erwähnt, kommt dem Land Schleswig-Holstein auch im Zusammenhangmit der Ostsee- und Nordseepolitik eine wichtige Rolle zu. Im Zusammenhang mit derintegrativen europäischen Meerespolitik hat sich Schleswig-Holstein seinerzeit unter MinisterDöring ein Standing erarbeitet. Und ich weiß, dass es eine Herzensangelegenheit vonEuropaministerin Spoorendonk ist, dies wieder neu zu beleben und Schleswig-Holstein neu zuprofilieren. So wird Schleswig-Holstein in Zukunft wieder ein maßgeblicher und verlässlicherZusammenarbeitspartner, wenn es um die die Kooperation im Ostseeraum und um die 6Umsetzung EU-Ostseestrategie geht. Mit anderen Worten, Schleswig-Holstein wird dazubeitragen, dass der Ostseeraum zur maritimen Modellregion Europas wird.Der Bericht macht deutlich, dass die Nordseekooperation zur Zeit noch in den Kinderschuhensteckt. Der Wille von Seiten der Nordseekommission, die Zusammenarbeit voranzubringen istda. Jedoch fehlt es derzeit an politischer Durchschlagskraft. Nichts desto trotz wurde von derNordseekooperation ein Aktionsplan entwickelt, der als Teil einer europäischenNordseestrategie herangezogen werden könnte. Die Zusage Schleswig-Holsteins, sich stärkerin der Nordseekooperation zu engagieren, ist positiv, um die Zusammenarbeit in derNordseeregion praktisch und wirkungsvoll voranzubringen.Für den Bereich der Wattenmeer-Region, entlang der dänischen, deutschen bis einschließlichder niederländischen Küste, lässt sich feststellen, dass es sich hierbei durchaus um einehomogene zusammenhängende Region handelt. Das Wattenmeer, die Inseln und Halligensowie das Festland und die Deiche bilden die einheitlichen Elemente, die für die gesamteKüstenregion prägend sind. Seit Jahrtausenden ist diese Küstenlandschaft gleichermaßen denEinflüssen der Nordsee ausgesetzt. Die Lebensgrundlage für die dort lebende Bevölkerung, istnahezu identisch und hat sich entsprechend entwickelt.Die natürliche Lebensgrundlage ist - wie anderswo auch - die Grundlage für die kulturelleEntwicklung der Bevölkerung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir in der gesamtenWattenmeer-Region so viele kulturelle Gemeinsamkeiten entdecken – trotz der nationalenGrenzen. Vom LancewadPlan gibt es ein Projekt, dessen Strategie der Erhalt dieser Landschaftals gemeinsames Erbe und als lebendige historische Landschaft ist.So ist es einleuchtend für den SSW, darüber hinaus die gesamte Kultur der Wattenmeer-Regionals lebendiges kulturelles Erbe zu erhalten. Als immaterielles Kulturerbe der UNESCO lässt sichdiese einzigartige Wattenmeer-Kultur und damit verbunden die dort vorhandene einmaligesprachliche Vielfalt nicht nur schützen, sondern auch auf die europäische Ebene heben. Dieniederdeutsche Sprachgruppe hat schon diesen Wunsch geäußert und auch die friesischeMinderheit zeigt sich überzeugt von dieser Idee. Übrigens nicht nur hier bei uns, sondern auchin den Niederlanden. Eine solche Initiative könnte somit der Startschuss für eine noch engere 7Zusammenarbeit in der Nordseeregion sein. Wir wollen diese Zusammenarbeit angehen undzwar nicht nur in der Nordsee-, sondern auch in der Ostseeregion und grenzüberschreitendnach Dänemark. Das ist das gelebte Europa der Regionen und das bringt den europäischenGedanken auch näher zu den Menschen.