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13.12.12
11:01 Uhr
SPD

Regina Poersch zu TOP 1A + 55: Es lohnt sich, die europäische Idee weiterzuentwickeln!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 13. Dezember 2012



TOP 1A + 55: Regierungserklärung „Schleswig-Holstein in Europa“ / Europabericht der Landesregierung (Drucksache 18/360)



Regina Poersch:
Es lohnt sich, die europäische Idee weiterzuentwickeln!

Mit Ihrer heutigen Regierungserklärung, sehr geehrte Frau Ministerin, markieren Sie einen neuen Aufbruch in der schleswig-holsteinischen Europapolitik. Eine Regierungserklärung zu Europa hat es – so lange ich dem Landtag angehöre, und das sind jetzt 7 ½ Jahre – nicht mehr gegeben. Herzlichen Dank dafür und vor allem für Ihr engagiertes und aktives Eintreten für die europäische Idee, das wir uneingeschränkt unterstützen. Sie machen mit dieser Regierungserklärung Mut – Mut und Lust auf Europa. Und beides können wir angesichts der Krise in Europa dringend gebrauchen.
Vor allem aber wird hier eines ganz deutlich: Europa findet wieder statt in Schleswig-Holstein.
Wir haben im Koalitionsvertrag die klare Absicht formuliert, in Europa wieder stärker als bisher eine aktive Rolle als Ideengeber zu spielen. Der Ministerpräsident hat dies in seiner Regierungserklärung am 13. Juni dieses Jahres deutlich gemacht, in der Europa eine zentrale Rolle spielte. Darin hat er die neuen Schwerpunkte der Landesregierung in der Europapolitik formuliert, die Leitbild für die nächsten fünf Jahre und darüber hinaus sein werden.
Der Europabericht und Ihre Regierungserklärung heute vervollständigen das Bild, das diese Regierung von Europa hat und weisen gleichzeitig den Weg, wie Schleswig-Holstein sich in Europa einbringen und von europäischer Politik profitieren kann und wird. 2



Europapolitik ist kein Selbstzweck. Als Land zwischen den Meeren weiß Schleswig-Holstein, was es von und in Europa zu erwarten, aber auch zu leisten hat. Da wäre zunächst die Ostseekooperation: Wir werden die Ostseepolitik neu beleben und profilieren. Handel und Kultur sind seit Jahrhunderten die treibenden Kräfte. In der Wirtschaft gilt aktuell: 34 % der Importe nach Schleswig-Holstein und 25 % der Exporte aus Schleswig-Holstein finden im Ostseeraum statt.
Die Ostseeregion steht Modell für andere europäische Regionen: im Rahmen der EU- Ostseestrategie. Unser Ziel muss es weiterhin sein, den Ostseeraum zu einer maritimen Modellregion Europas zu entwickeln, in der gleichzeitig einerseits wirtschaftlicher Wohlstand und andererseits die Wiederherstellung und der Erhalt des guten ökologischen Zustandes der Ostsee möglich ist. Wir wollen die Umsetzung der EU-Ostseestrategie aktiv begleiten. Die Schwerpunkte – das hat auch die diesjährige Ostseeparlamentarierkonferenz Ende August in St. Petersburg gezeigt – sind Meeresschutz, saubere Schifffahrt und Sicherheit auf der Ostsee.
Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Spoorendonk, dafür, dass Sie sich gleich in den ersten Monaten Ihrer Regierungstätigkeit erfolgreich dafür eingesetzt haben, dass die Bereiche Kultur und regionale Identität in der EU-Ostseestrategie verankert werden. Im Entwurf des neuen Aktionsplans zur Umsetzung der EU-Ostseestrategie bekommen diese Bereiche eine neue Priorität. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Schleswig-Holstein die Koordinierung dafür übernehmen will.
Das zentrale Mittel ist hier das INTERREG-B-Programm für die Ostseeregion. Damit können wir ostseepolitische Ziele und Aktivitäten durch konkrete Projekte untermauern und fördern. Es ist gut, dass sich Schleswig-Holstein für die Umsetzung der EU-Ostseestrategie über die Finanzierung von Projekten im INTERREG-Ostseeprogramm stark macht. Für meine Fraktion spielen dabei die Ostseebüros, über die wir im Europaausschuss noch sprechen werden, eine bedeutende Rolle.
Ein paar Worte zur Nordseekooperation: Der Bericht stellt fest, dass die Nordseekooperation durch die Stellungnahme des AdR vom Oktober 2010 leider nicht die erwarteten Impulse bekommen hat. Dass Impulse von europäischer Seite fehlen, geht auf die ablehnende Haltung der Mitgliedsstaaten zurück, leider auch von deutscher Seite. Vor diesem Hintergrund begrüße 3



ich es sehr, dass Sie, Frau Ministerin, die Landesregierung jetzt im Vorstand der Nordseekommission vertreten und sich für ein verstärktes Engagement Schleswig-Holsteins für die Nordseekooperation aussprechen. Wir haben uns in der Vergangenheit immer wieder stark dafür gemacht, die Nordseekooperation zu entwickeln und eine Nordseestrategie auf den Weg zu bringen und dies auch in unserem Koalitionsvertrag vereinbart. Wir werden die Landesregierung in ihrem Bemühen darum aktiv unterstützen.
Für Schleswig-Holstein nimmt die Zusammenarbeit mit Dänemark einen besonderen Stellenwert ein. Dänemark ist für unser Land der bedeutendste Partner in Skandinavien und im Ostseeraum – sowohl auf politischer wie auf wirtschaftlicher Ebene. Dafür ist bereits der Boden bereitet. Unsere Landesregierung hat in der Minderheitenpolitik das Verhältnis wieder auf eine gegenseitige Vertrauensbasis gestellt. Das war dringend nötig nach der Politik der letzten Jahre! Herr Ministerpräsident und Frau Ministerin: Herzlichen Dank für Ihren Einsatz! Die von Ihnen benannten vielfältigen Vorhaben für eine Weiterentwicklung der Kooperation mit Dänemark werden die Zusammenarbeit weiter stärken, da bin ich mir ganz sicher.
Wie nah uns Europa ist, zeigen zunehmend die Beratungen der Subsidiaritätsfragen. Über die interinstitutionelle Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung hinaus brauchen wir die Mitwirkung jedes und jeder Einzelnen hier im Landtag, um die Vorhaben der Europäischen Kommission einschätzen, bewerten und beurteilen zu können. Das ist innerhalb der gesetzten 8- Wochen-Frist ab Zuleitung an den Mitgliedsstaat Deutschland recht sportlich und nur schwer zu schaffen. Deshalb wollen wir das jährliche Arbeitsprogramm der Kommission bereits zu Beginn eines jeden Jahres hier im Landtag diskutieren, um frühzeitig zu wissen, welche Vorhaben und Themen im Laufe des Jahres auf uns zukommen werden. Dann dürfte eigentlich niemand mehr „kalt erwischt“ werden.
Ich hoffe dabei auch auf einen breiten Konsens zwischen den Fraktionen in der Frage, wie der Landtag zukünftig in Brüssel vertreten sein kann. Das Hanse-Office in Brüssel leistet bereits hervorragende Arbeit als aktive Interessenvertretung des Landes!
Einer der wichtigen Schwerpunkte der Europapolitik wird die Nutzung der EU-Fördermittel in Schleswig-Holstein ab 2014 sein. Angesichts der aktuellen Währungs- und Wirtschaftskrise wird es ganz entscheidend sein, die Struktur- und Förderpolitik als Teil des Wachstums- und 4



Beschäftigungspaktes zu verstehen, auf den sich die europäischen Staats- und Regierungschefs im Juni 2012 geeinigt haben.
Bei den bestehenden Unklarheiten und nicht zuletzt auch Unsicherheiten über den mehrjährigen Finanzrahmen sehe ich die Ministerien – insbesondere was die Abstimmung untereinander und miteinander angeht – sehr gut vorbereitet. Bereits auf der Grundlage der Verordnungsentwürfe wird intensiv an den operationellen Programmen für Schleswig-Holstein gearbeitet. Denn sobald der EU-Haushalt steht und heruntergebrochen auf Schleswig-Holstein der Förderrahmen feststeht, muss es ganz schnell gehen.
Ich bin mir sicher, dass für unser Land Gutes entsteht, denn die Ziele der Europa-2020-Strategie sind auch unsere:
Beschäftigung
Forschung und Entwicklung, Innovation
Wettbewerbsfähigkeit für kleine und mittlere Unternehmen
wirtschaftsnahe Infrastruktur ausbauen und Energieeffizienz steigern
Schulabbrecherquote senken.
Das kommt alles unserem Land zugute. Die Orientierung an diesen Zielen hilft auch, bei den vermutlich sinkenden Fördermitteln die Förderung zu konzentrieren und sie nicht zu verkleckern.
Und wenn wir dann auch noch durch Handlungskonzepte wie „Schule und Arbeitswelt“, die Fachkräfteinitiative und andere Initiativen mehr Jugendliche in Ausbildung und Lohn und Brot bringen, wenn wir es schaffen, älteren Beschäftigten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten (oder auch erst zu schaffen), wenn wir Mobilität organisieren und lebenslanges Lernen – dann bin ich optimistisch. Es ist im Bericht nachzulesen: Das Handlungskonzept „Schule und Arbeitswelt“, das 2005 von Uwe Döring initiiert wurde, hat die Zahl der Schulabgänger ohne Schulabschluss von 9,8 % auf 7,3 % gesenkt.
Auch das sind übrigens Themen der Ostseeparlamentarierkonferenz, die wir in der Resolution beschlossen haben und nun in Schleswig-Holstein konkret umsetzen können. Als „Neuling“ in der Europapolitik sage ich: Das macht ja richtig Spaß! 5



Vor drei Tagen ist der Europäischen Union in Oslo der Friedensnobelpreis verliehen worden. Eine großartige und verdiente Auszeichnung für 6 Jahrzehnte friedlichen Zusammenwachsens von Staaten auf dem europäischen Kontinent und für friedenstiftendes Wirken in Osteuropa. Es ist keine Aufforderung, nun die Hände in den Schoß zu legen und sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Vielmehr brauchen wir eine europäische Idee für die Zeit nach der Krise.
Zurzeit beherrschen ökonomische Betrachtungen die Debatte. Zurzeit diskutieren wir Sanktionsmechanismen für Haushaltssünder und Rettungsschirme für Staaten und Banken. Wir brauchen aber auch eine Debatte über Demokratie und Grundwerte. Die brauchen wir nämlich, damit Europa und der soziale Zusammenhalt nicht aus den Fugen gerät – in diesen Zeiten, in denen – vorgeblich um die Krise zu bekämpfen – bei Sozialleistungen, Bildungsausgaben und Löhnen gekürzt werden soll.
Die Europäische Kommission hat angekündigt, noch vor der nächsten Europawahl ihre Vorstellungen von der künftigen Gestalt der Europäischen Union vorzulegen. In diesen Diskussionsprozess müssen wir uns aktiv einbringen, den europäischen Gedanken vor Ort festigen und gegen aufkommende Ressentiments verteidigen. Es lohnt sich, und dazu soll auch unser Antrag zum Europäischen Jahr für Bürgerinnen und Bürger 2013 beitragen, die europäische Idee weiterzuentwickeln und Europa in die Herzen der Menschen zu bringen.
Nur wenn die Menschen das Gefühl haben, in Europa gut aufgehoben zu sein, von Europa unterstützt zu werden, wenn sie keine Arbeit haben, von Armut bedroht sind, aber auch von Europa in ihrem täglichen Leben zu profitieren, wird es uns gelingen, Europa auch in die Herzen der Menschen zu bringen. Die europäische Idee muss im Alltag der Menschen verwirklicht werden, konkret spürbar. Und dazu gehört eben auch und vor allem Solidarität! Europa, das ist nicht nur Krise. Europa, das ist ein einzigartiges Friedens- und Wohlstandsprojekt.
Wir haben jetzt die Chance, die europäische Integration einen entscheidenden Schritt voranzubringen und endlich auch die politische Integration zu schaffen. Nur so wird Europa gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Das heißt aber auch, dass schwierige Debatten auf uns zukommen werden: Denn hier stehen dann auch heikle Fragen nach der Souveränität der Mitgliedstaaten an. 6



Erste Überlegungen auf EU-Ebene, die Wirtschafts- und Finanzpolitik stärker zu vergemeinschaften, gehen sicher in die richtige Richtung. Wir diskutieren das sehr gründlich im Europaausschuss. Doch wir brauchen endlich auch das soziale Europa! Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die jüngste Initiative der Kommission, den Jugendlichen in Europa eine Jobgarantie zu geben. Eine Initiative, die im Übrigen auf unsere Arbeit in der Ostseeparlamentarierkonferenz zurückgeht! In der aktuellen Resolution haben wir genau dies formuliert. Wir haben in den Regionen Einflussmöglichkeiten auf die europäische Politik – wir müssen sie aber auch wahrnehmen!
Fazit – alles in allem: Der Europabericht und die heutige Regierungserklärung stecken voller Ideen für unser Land zwischen den Meeren, mitten in Europa. Mein Lesetipp an Sie alle: Schauen Sie einmal hinein in den Europabericht. Denn Europapolitik findet in allen Ressorts statt!
Lassen Sie uns all dies in den Ausschüssen, federführend im Europaausschuss, beraten. Ich beantrage die Überweisung des Berichts in alle Ausschüsse.