Flemming Meyer zu TOP 33 u. 34 - Kosten der EHEC-Krise übernehmen/Saisonale Impfstoffe
PresseinformationKiel, den 16. November 2012Es gilt das gesprochene WortFlemming MeyerTOP 33 u. 34 Kosten der EHEC-Krise übernehmen/Saisonale Impfstoffe Drs. 18/287; Dr.s 18/295Immer neue Sparrunden werden auf dem Rücken von Patienten und Beitragszahlern imGesundheitswesen durchgeführt. Die Pharmaindustrie kam dabei manches Mal ungeschorendavon. Jeder kann sich per Google einen Überblick darüber verschaffen, was Medikamente oderImpfdosen in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland kosten. Das Gutachten desBundesgesundheitsministeriums zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Impfstoffen inDeutschland zeigte noch 2010, dass Deutschland das einzige Land ohne Preisbindung bei nicht-pandemischen Impfstoffen ist. Dementsprechend teurer sind die Impfungen, bis zu 70% höherals im Nachbarland, so bei der Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs. Deutschland ist also eineGoldgrube. Die Pharmariesen lassen sich dabei einiges einfallen, damit diese Goldgrube nichtversiegt.Der Verdacht stand im Raum, dass sich Novartis die Rabattverhandlungen der Krankenkassen imNorden nicht bieten lassen wollte und darum den absehbaren Lieferproblemen nicht rechtzeitigentgegengewirkt hatte. Es passt dem Produzenten nämlich gut in den Kram, dass Patienten indiesem Jahr in Schleswig-Holstein keinen Impfschutz bekamen. Die Kassen überlegen sichnächsten Jahr sicherlich genau, ob und wie sie in die Rabattverhandlungen einsteigen werden. 2Diese Konsequenz ist nicht vom Tisch zu wischen. Ansonsten tappen wir immer noch ziemlich imDunkeln, warum es zu den Lieferengpässen kam.Wie so häufig im Gesundheitswesen fehlt die systematische Ergebnisbetrachtung. Das ist einSystemfehler vieler Gesundheits-Reformen: es ist einfach keine Zeit, genau hinzuschauen, obeine Maßnahme wirklich den gewünschten Erfolg zeigt. Hektisch wird eine Sparmaßnahme nachder nächsten durchs System gejagt, ohne zu prüfen, ob die letzten Maßnahmen überhauptangeschlagen hatten. Der vorliegende Antrag will genau vor diesem Hintergrund die genaue,systematische und unabhängige Evaluierung der Praxis zur Beschaffung der Impfstoffe bzw. dieRabattverhandlungen bei saisonalen Impfstoffen anstoßen. Ich freue mich dabei sehr, dass wirhier im Landtag über diesen Antrag einen Konsens erzielen konnten.Der SSW würde aber gerne noch weitergehen und nicht nur die Lieferpraxis von unabhängigerSeite evaluieren zu lassen, sondern auch die Impfpraxis. Seit 1990 hat sich nach einerUntersuchung des Hessischen Rundfunks die Zahl der Grippeimpfungen in Deutschlandverachtfacht, die Zahl der Krankenhaustage mit Grippe und Lungenentzündung ist aberebenfalls gestiegen, und zwar um 40 Prozent. Die Frage drängt sich doch auf, ob die Impfungenwirklich das gewünschte Ziel erreichen? Tatsächlich wurde das noch nie systematischuntersucht; und dabei wird jedes Jahr fast jeder vierte Deutsche gegen Grippe geimpft. Immermehr Menschen werden geimpft, ohne dass sich die Mortalitätsraten verbessern. Bislang gibt esnoch keine relevanten Studien zur Grippeschutzimpfung in Deutschland, wie Dr. Gert Antes,Direktor der deutschen Cochrane-Gesellschaft, beklagt. Die Cochrane-Gesellschaft ist fürWirksamkeitsstudien zuständig.Ohne Evaluierung droht aber genau das, was eigentlich alle vermeiden wollen: dieKostenexplosion. Das Ganze wird ohne Wirksamkeitsuntersuchung viel teurer. So hat es viel zulange gedauert, die Praxisgebühr abzuschaffen. Das Gesundheitsministerium hatte nämlich garnicht evaluiert, ob die 10 Euro pro Quartal das Ziel der Reduzierung der Arztbesuche umsetzen.Inzwischen wissen wir, dass die Praxisgebühr dieses Ziel nicht nur nicht erreicht hat, sondern dieZahl sogar noch erhöht hat. Jeder Arzt, der solch gravierende Symptome außer Acht lässt, muss 3um seine Approbation bangen. Im Gesundheitswesen wird lustig weiter optimiert. Der Patientwird es schon bezahlen!Das ist der falsche Weg und ruft nicht zuletzt Korruptionsexperten auf den Plan, die ohnewirksame Kontrolle um die Kostengerechtigkeit im deutschen Gesundheitssystem fürchten.Darum ging es letzte Woche Ausschuss genau darum: um Versorgungslücken bei saisonalenImpfdosen im Zuge der Rabattverhandlungen. Denn in den Bundesländern ohne Rabattdruckklappten die rechtzeitigen Lieferungen ohne Probleme. Anders in Schleswig-Holstein. Darumhaben wir versucht, die Entscheidungen der letzten Wochen zu rekonstruieren; leider ohneBeteiligung von Novartis.Trotzdem war die Sitzung ein wichtiger Schritt zur Aufklärung. Aber der enthebt diegesundheitspolitischen Akteure nicht der Pflicht einer tiefergehenden Überprüfung undEvaluierung. Diese muss sorgfältig und abseits aufgeregter Medienhysterie durchgeführtwerden.Denn die nächste Grippewelle kommt bestimmt.