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15.11.12
15:21 Uhr
SPD

Dr. Kai Dolgner zu TOP 22: Mehr Bürgerbeteiligung als Chance begreifen!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 15. November 2012



TOP 22, Gesetzes für Bürgerbeteiligung und vereinfachte Bürgerbegehren und Bürgerentscheide (Drucksache 18/310)



Dr. Kai Dolgner:
Mehr Bürgerbeteiligung als Chance begreifen!


„Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen.“ So schrieb einer der Väter der kommunalen Selbstverwaltung, Johann Gottfried Frey, vor über 200 Jahren.
In unserem Land engagieren sich in unseren Gemeinde- und Stadträten und Kreistagen 13.000 Frauen und Männer für diese kommunale Selbstverwaltung. Diese Frauen und Männer sind und bleiben für uns der Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Darüber hinaus sollen sich auch die Bürgerinnen und Bürger stärker an der Meinungs- und Entscheidungsfindung beteiligen können, die kein kommunales Mandat wahrnehmen, sich aber zu wichtigen Einzelentscheidungen einbringen wollen. Dazu werden wir einen Katalog von Änderungen auf den Weg bringen, die unter anderem die formalen Hürden absenken, aber auch die Möglichkeiten der Kompromissfindung im Verfahren stärken.
Gleichzeitig wollen wir aber auch, dass die Ratsmehrheiten leichter als bisher die Meinung ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schwierigen Fragen einholen können. Denn nicht immer hat der lautstärkste, der am besten organisierte oder derjenige mit den meisten Zeitungsartikeln die tatsächliche Mehrheit hinter sich. 2



Wir haben Vertrauen darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger auch bei finanzwirksamen Entscheidungen ihre Verantwortung wahrnehmen werden, deshalb verzichten wir zukünftig auf mehr oder weniger überzeugende Kostendeckungsvorschläge. Stattdessen wollen wir einen verpflichtenden Kostenvoranschlag, so dass die Bürgerinnen und Bürger die Folgekosten ermessen und sich selbst ein Urteil bilden können, so wie es Ratsmitglieder auch tun.
Einige Entscheidungen möchten wir allerdings den Gemeinderäten vorbehalten. Das hat aber nichts mit Angst vor Bürgerinnen und Bürgern zu tun und ist schon gar kein Armutszeugnis, sondern ist die Konsequenz gründlicher Überlegungen. Wir möchten bei der Bürgerbeteiligung zusätzliche Rechte nicht bloß vorspiegeln, sondern daraus umsetzbare Konsequenzen erwachsen lassen. Beschlüsse von Bürgerentscheiden, die nachher aus gebühren- oder baurechtlichen Gründen nicht machbar sind, würden Bürgerinnen und Bürger nur frustrieren, statt sie zu motivieren, sich an der Gestaltung ihrer Gemeinde zu beteiligen.
Gebühren müssen vor allem kostendeckend sein und gegebenenfalls auch einer rechtlichen Überprüfung standhalten. Hierfür sind nicht nur sehr detaillierte Kenntnisse des Gemeindehaushaltsrechtes erforderlich, sondern die tatsächlichen echten Entscheidungsspielräume sind auch minimal. Die Hebesätze sind eingebunden in die kommunalen Finanzverteilungsmechanismen u. a. bei dem Anspruch auf Fehlbedarfszuweisungen. Deshalb ist die Entscheidung über die Hebesätze im Kern halt keine einzelne Sachentscheidung, die unabhängig von struktureller Gesamtverantwortung getroffen werden kann. Sie muss nach unserer Auffassung deshalb in der Verantwortung der dafür gewählten Gemeinderäte bleiben.
Direktdemokratische Elemente sollen nach unserer Überzeugung Einzelfragen lösen und entscheiden, sie dürfen die Gesamtverantwortung der gewählten Gemeinderatsvertreter aber nicht aushöhlen.
Bei der Bauleitplanung schränkt das Baugesetzbuch die Möglichkeit für ein Bürgerbegehren fast ausschließlich auf die Frage ein, „ob“ ein Vorhaben stattfinden soll. Die Frage des „wie“ ist durch formelle Beteiligungsverfahren bundesrechtlich geregelt und damit einem landesrechtlichen Bürgerbegehren entzogen. Deshalb finden Bürgerentscheide auch in den Ländern mit komplett freigegebener Bauleitplanung fast ausschließlich zum „ob“, aber nicht zum „wie“ statt. 3



Die SPD-Fraktion hält die in dem vorliegenden Gesetzesentwurf gemachten Vorschläge für eine gut ausgewogene Mischung, um zu mehr Bürgerbeteiligung zu motivieren, ohne dabei die Rechte der Gemeinderäte auszuhöhlen. Und wenn wir dann durchschnittlich alle 15 Jahre wie in Bayern und nicht mehr alle 60 Jahre einen Bürgerentscheid pro Kommune haben, ist das nichts, wovor sich irgendjemand fürchten muss. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Bürgerinnen und Bürger, die im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens merken, dass jede und jeder etwas verändern kann, auch eher bereit sind, ein dauerhaftes Mandat in unseren Gemeinderäten zu übernehmen.