Lars Harms zu TOP 5 - Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein
Presseinformation Kiel, den 27. September 2012 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 5 Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein Drs. 18/119Wir haben schon Ende letzten Jahres zum fast gleichlautenden damaligen grünenGesetzentwurf hier im hohen Hause debattiert. Die Bedenken beziehungsweiseFragestellungen sind seitdem nicht viel anders geworden. Nach derFöderalismusreform fällt das Versammlungsrecht in die Kompetenz der Länder, dieallerdings ohne eigenes Gesetz einfach das Bundesgesetz weiter gelten lassen können.Das halten auch die allermeisten Bundesländer so, weil das Versammlungsgesetz esnämlich in sich hat. Die ersten Länder, die ein eigenes Versammlungsgesetzverabschiedeten, allen voran Bayern, holten sich vor Gericht eine blutige Nase.Das Versammlungsrecht gehört zu den besonders schützenswerten Grundrechten.Darum sollten wir sorgfältig, ohne Zeitdruck und ohne ideologische Scheuklappenvorgehen. Der vorliegende Gesetzentwurf könnte Ausgangspunkt für ein schleswig-holsteinisches Versammlungsrecht sein. Es bedarf aber einer gründlichen Diskussion, 2weil der Schritt, ein eigenes Versammlungsrecht einzuführen, nur dann Sinn macht,wenn man wesentliche Änderungen zum bisher bundesweit geltenden Rechtumsetzen will.Nach unserer Ansicht sollte ein Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht auch denFokus auf dieses Recht richten. Es geht nämlich nicht mehr um den Schutz derVersammlungsfreiheit, sondern, um die Kontrolle der Polizei, der sehr detailliertvorgeschrieben werden soll, wie sie vorzugehen hat. Das widerspricht allenErfahrungen, wonach sich Demonstrationen völlig unvorhersehbar entwickeln können.Mit dem bisherigen Bundesrecht ist man zumindest nicht schlecht gefahren unddeshalb wird für uns ein Hauptkriterium sein, wie die fachliche Einschätzung vonSeiten der Polizei sein wird. Es ist natürlich richtig, dass Neuerungen immer möglichsein müssen. Sie müssen aber auch praktikabel sein und hierzu hatten wir auch schonbei der Beratung zum grünen Original-Gesetzentwurf unsere Bedenken.Ich habe am Anfang schon gesagt, dass ein Abgleich mit dem bestehendenBundesgesetz bei der Entscheidung für oder wider eine Landesregelung notwendig ist.Betrachtet man den Paragrafen 1 der regelt, wer sich versammeln darf, dann fällt schonauf, dass verfassungswidrige Parteien, deren Unterstützer und Vereinigungen, die nachArt 9 Abs. 2 Grundgesetz verboten sind, im Vergleich zur Bundesregelung nichterwähnt sind. Genannt sind dort, Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeitden Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnungoder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Denkbar ist, dass zumBeispiel solche Vereinigungen zu Versammlungen aufrufen können, selbst, wenn sieverboten sind. Auch kann dies durch Repräsentanten der verbotenen Vereinigunggeschehen. Findet sich dann kein Passus im Versammlungsrecht, gibt es auch keine 3Handhabe, eine Versammlung auf diesem Wege zu verbieten. Auch dieses Beispielzeigt, dass es zumindest noch einen Bedarf an Diskussionen gibt.Alles in allem, macht es nach unserer Auffassung durchaus Sinn, über ein modernesVersammlungsrecht nachzudenken. Wichtig wäre für uns, dass man diediesbezüglichen Überlegungen mit dem bundesgesetzlichen Rahmen abgleicht, denwir jetzt schon haben. Deshalb ist es nicht nur wichtig, Demonstrationen undVersammlungen so weitestgehend wie möglich auch in Zukunft zuzulassen, sondernauch den Gedanken der wehrhaften Demokratie nicht aus den Augen zu verlieren.Beides sind in der Tat zwei Seiten derselben Medaille. Wird eine Demokratie vonVerfassungsfeinden in Frage gestellt, ist die Versammlungsfreiheit und die Freiheitallgemein in Gefahr und gewähren wir möglichst viel Freiheit seine Meinung zuäußern, stärkt dies die Demokratie.Wie dieser Spagat am besten zu bewerkstelligen ist, darüber besteht nochBeratungsbedarf.