Wolfgang Kubicki: Versammlungsrecht als Chance der demokratischen, offenen und pluralen Gesellschaft begreifen
FDP-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1Presseinformation Es gilt das gesprochene Wort.Nr. 374 / 2012 Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Christopher Vogt, MdL Kiel, Donnerstag, 27. September 2012 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Parlamentarischer GeschäftsführerInnen und Recht / VersammlungsrechtWolfgang Kubicki: Versammlungsrecht als Chance der de- www.fdp-sh.de mokratischen, offenen und pluralen Gesellschaft begreifenIn seiner Rede zu TOP 5 (Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht in Schles- wig-Holstein) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:„An dem Umgang eines Staates mit Versammlungen, Demonstrationen und Kundgebungen kann man die Freiheitlichkeit eines Staates ablesen. Der Um- gang des Staates mit Versammlungen spiegelt wider, wie die Mehrheit mit der Minderheit umgeht. Hierin offenbart sich auch, was die politisch Verantwortli- chen unter Umständen an Gegenwind zu tolerieren bereit sind. Eine demokrati- sche, offene und plurale Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie Pro- test und Widerspruch zulässt und der Versammlungsfreiheit größten Platz ein- räumt.Denn es gilt: Je offener wir mit gesellschaftlichen Konflikten umgehen, umso mehr können wir von diesen Konflikten profitieren. Wenn wir klare Regeln ha- ben, nach denen Rede und Widerrede den selben Stellenwert haben, können wir diese Konflikte viel besser in einen geordneten Prozess einbinden und damit in einen Wettbewerb um die besseren Ideen eintreten. Und im Gegenzug gilt auch: Je mehr dieser Ideenwettstreit eingeschränkt wird, umso unfreier werden zunächst der Diskurs und anschließend auch wir.Deshalb ist nahezu jede Form der Versammlung ein Ausdruck einer lebendigen und funktionierenden Demokratie. Das bedeutet, jeder Demokrat muss ein vita- les Interesse daran haben, dass auch solche Versammlungen geschützt wer- den, deren Zielrichtung wir entschieden ablehnen. Auch wenn wir vollkommen anderer Meinung sind – wir müssen alles dafür tun, dass auch diejenigen Ver- sammlungen einen angemessenen Raum bekommen, die sich im Grenzbereich des weiten Rahmens unserer Meinungsfreiheit bewegen.Ich gebe zu: Das kann für jeden Demokraten hier und da durchaus schmerzhaft sein. Es wird uns viel zugemutet, wenn wir Versammlungen, die aberwitziges Gedankengut propagieren, tolerieren müssen. Es wäre für jeden Demokraten aber sehr viel schmerzhafter, wenn wir solche Versammlungen unterbinden würden, weil wir sie aus moralischen Erwägungen ablehnen. Die Versamm- lungsfreiheit darf nicht eingeschränkt werden, weil uns die Forderungen imSusann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 2 Moment gerade nicht passen. Kurzfristige moralische Erwägungen dürfen bei grundsätzlichen Fragen keine Rolle spielen.Der Gesetzentwurf meiner Fraktion nimmt die grundgesetzlich verankerte Ver- sammlungsfreiheit deshalb sehr ernst. Auch die Mütter und Väter des Grundge- setzes sind davon ausgegangen, dass Versammlungen ein Lebenselixier des demokratischen Fortschritts sind. Wir haben daher ganz besonders darauf ge- achtet, den versammlungsrechtlichen Rahmen, in dem die gesellschaftlichen Konflikte ausgetragen werden können, möglichst weit zu fassen.Ich kann in fünf Minuten nicht alle Aspekte unseres Gesetzentwurfes darlegen. Aber hervorheben möchte ich einen wichtigen Punkt. Im Gegensatz zum Ge- setzentwurf der Grünen aus der vergangenen Wahlperiode ist unser Entwurf nicht von einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber der Polizei und den Ordnungsbehörden geprägt. Ich will aber an dieser Stelle den grünen Entwurf nicht weiter thematisieren – die Grünen haben ihren schweren Fehler erkannt und ihren Entwurf im Frühjahr dieses Jahres im Innenausschuss wieder zu- rückgezogen. Das war auch gut so.Ich hoffe deshalb sehr, dass die grüne Vorarbeit bei dem von der Koalition an- gekündigten Gesetzesentwurf nicht als Grundlage dient.Wir sind der festen Überzeugung, dass Versammlungen in erster Linie friedliche Veranstaltungen sind. Nicht Gefahrenabwehr, sondern die möglichst breite Ge- währung der demokratischen Grundrechte war daher unsere inhaltliche Leitli- nie.Aber wir sind uns auch klar: Gutgläubigkeit sollte nicht mit Blauäugigkeit ein- hergehen. Von einer absoluten Gewaltfreiheit bei jeder Versammlung auszuge- hen, wäre deshalb weltfremd. Es wäre fatal, würden wir der Polizei im Gefah- renfalle ein stumpfes Schwert in die Hand geben. Dennoch setzen wir nicht auf Repression, sondern in erster Linie auf Kooperation. Wir geben den Veranstal- tern die Möglichkeit, potentielle Gefahrenquellen im Vorhinein im Dialog mit der Polizei abzustellen.Die Föderalismusreform aus dem Jahre 2006 hat dem Landesgesetzgeber mit der versammlungsrechtlichen Kompetenz eine bedeutungsvolle Aufgabe über- tragen. Jetzt sind wir – als Landesgesetzgeber – mit der Lösung dieser Aufgabe betraut. Es ist eine Aufgabe, die von uns besonders verantwortliches Handeln erfordert. Wir sollten diese Verantwortung nicht als Last wahrnehmen. Wir soll- ten erkennen, dass wir zugleich eine große Chance bekommen haben.“Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de