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24.08.12
15:15 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 25 - Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und -beamte

Presseinformation Kiel, den 24. August 2012 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 25 Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und -beamte Drs. 18/89

Derzeit werden die Pläne zur Umstrukturierung der Polizei im Norden Schleswig-
Holsteins umgesetzt. Die Polizeigewerkschaft mahnt, dass der Überstundenberg – oder
sagen wir besser, das Überstundengebirge endlich verkleinert wird. Neue Personal- und
Führungskonzepte machen die Runde und was sucht sich die CDU-Fraktion als Thema für
ihren Antrag aus? Die Kennzeichnungspflicht der Polizeibeamtinnen und –beamten bei
geschlossenen Einsätzen. Und dieser Antrag kommt sogar, bevor der Innenminister
überhaupt einen Antrag oder eine Verordnung vorgelegt hat. Es genügen offensichtlich
ein Foto in der Zeitung und ein Satz im Koalitionsvertrag, um die CDU auf den Baum zu
jagen und sie vom angeblichen Misstrauensvotum gegenüber der Polizei
schwadronieren zu lassen.
Dabei kann die Kennzeichnungspflicht auch ganz anders verstanden werden, nämlich als
eine Personalisierung bislang anonymer Strukturen. Nach den Auseinandersetzungen in
Berlin, die der dortigen Kennzeichnungspflicht vorangingen, ist offensichtlich so viel Erde 2
verbrannt, dass auch wir hier in Schleswig-Holstein das Thema nur hoch emotional
behandeln können. Ich rate dagegen zur Rückkehr zur Sachlichkeit.
Tatsächlich ist die anonymisierte Kennzeichnung mit Nummern, die erst auf Antrag hin
personalisiert werden, der kleinste gemeinsame Nenner zwischen dem
nachvollziehbaren Schutzbedürfnis der Beamtinnen und Beamten und dem Wunsch
nach völliger Transparenz der Polizei. Ich würde mir wünschen, wir würden in einer Welt
leben, in der jedermann frei seine Identität preis geben kann, ohne negative
Konsequenzen für sich selbst oder seine Familie fürchten zu müssen. Ein Gespräch ohne
die Kenntnis des Namens des Gegenübers kann niemals so vertrauensvoll sein, wie ein
personalisiertes Gespräch. Doch wir leben nun einmal in einer Welt, in der das nicht
geht.
Wir müssen den Tatsachen Rechnung tragen, dass zum Beispiel Neo-Nazis mit Vorliebe
Namen und Adressen der ihnen bekannten Polizeibeamten im Netz veröffentlichen, um
ihre vermeintliche Allmacht zu demonstrieren. Das ist für die Betroffenen unerträglich
und unsäglich.
Doch es geht bei der Kennzeichnungspflicht gar nicht um die tägliche Polizeiarbeit - bei
der übrigens mehr Beamte verletzt werden als bei sogenannten geschlossenen
Einsätzen.
Es geht um Demonstrationen, bei denen es in unübersichtlicher Lage in Einzelfällen zu
Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen kommen kann. Jeder Polizeibeamte ist für sein
Handeln verantwortlich. Doch ohne individuelle Zuordnung wird dieses Prinzip
ausgehebelt. Bei Fehlverhalten kann sich polizeiintern ein enormer Druck unter den
beteiligten Beamtinnen und Beamten entwickeln. Schließlich können nur die
Kolleginnen und Kollegen die beschuldigten Beamten identifizieren, sofern kein
Bildmaterial zur Verfügung steht.. Die anonymisierte Kennzeichnung nimmt diesen 3
Druck weg. Und das ist zumindest ein Argument, das auch wir als in der Vergangenheit
skeptische Partei sehen können.
Prof. Behr von der Hamburger Hochschule der Polizei hat außerdem in seinem Gutachten
für den Bundestag darauf hingewiesen, dass eine schnelle Identifizierung keineswegs
automatisch eine Verurteilung nach sich zieht. Behr schreibt: „Die Tathandlung selbst
muss genauso untersucht und bewertet werden wie ohne Kennzeichnung.“
Entsprechende Ängste der Beamtinnen und Beamten vor Falschaussagen sind also
unbegründet; vor allem, wenn die Klarnamen nicht einfach so herausgegeben werden,
sondern von einer Monitoringstelle verwaltet werden.
Ein weiteres Argument für die Kennzeichnungspflicht in Schleswig-Holstein ist die
Individualisierbarkeit. Ohne Kennzeichen kann allein die Masse der Beamtinnen und
Beamten bedrohlich wirken, weil sie in voller Montur nicht als Individuen zu erkennen
sind. Mit Kennzeichnung werden die Beamten unterscheidbar – und damit
bürgerfreundlicher wahrgenommen.


Es liegen zwar in einigen EU-Ländern Erfahrungen mit der Kennzeichnungspflicht vor,
aber in den meisten Ländern müssen die Beamten und Beamtinnen lediglich ihren
Dienstausweis mit sich führen. Das hat mit der Kennzeichnungspflicht, wie sie
Schleswig-Holstein plant, nichts zu tun. In Großbritannien ist dagegen die
Dienstnummer eines Polizisten an den Schulterklappen befestigt. Dort ist auch für die
Kleinsten erkennbar: das ist nicht nur irgendeine Uniform, mit der sie es zu tun haben,
sondern ein richtiger Polizist. Dort dient die Nummer als Authentifizierung der Polizei.
In Rheinland-Pfalz und Berlin wurde die Kennzeichnungspflicht bereits eingeführt. Aber
belastbare Erfahrungen liegen dort bislang nicht vor. Das ist übrigens als Beleg dafür zu 4
werten, dass die weit überwiegende Mehrheit der Demonstrationen völlig
unproblematisch, gewaltfrei und ohne Straftaten ablaufen.
Vor diesem Hintergrund ist es für uns ein guter Kompromiss, die anonymisierte
Kennzeichnungspflicht bei geschlossenen Einsätzen – also zum Beispiel
Großdemonstationen oder großen Sportereignissen einzuführen. Dies wäre eine auf sehr
begrenzte Einsätze bezogene Kennzeichnungspflicht mit der auch wir als SSW gut leben
können.