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22.08.12
12:10 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zur Umsetzung der Energiewende

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 2 – Regierungserklärung zur Pressesprecherin Umsetzung der Energiewende Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt die Vorsitzende Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefon: 0431 / 988 - 1503 Eka von Kalben: Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 359.12 / 22.08.2012



Die Energiewende ist eine Riesenchance für Schleswig-Holstein
Die Idee, Energie aus der Kraft der Sonne, des Wassers und des Windes zu gewinnen und auf gefährliche und umweltschädliche Technologien wie Atom und Kohle zu verzichten, ge- hört zu den Gründungsidealen der Grünen Partei.
Und ich muss bekennen, es macht mich stolz, dass wir nach mehr als drei Jahrzenten Kampf auf der Straße und in den Parlamenten nun endlich so weit sind, dass wir nicht mehr über das „Ob“ einer nachhaltigen Energiepolitik diskutieren müssen. Nein, heute ringen wir gemeinsam um den richtigen Weg, über das „Wie“.
Die Energiewende ist eine der größten Infrastrukturmaßnahmen, die die Republik je erlebt hat. Innerhalb weniger Jahre wollen wir unsere Energieerzeugung auf Erneuerbare Energien umstellen. Das ist mittlerweile Konsens quer durch die gesamte Gesellschaft.
Wenn uns diese Umstellung gelingt und wir beweisen, dass eine führende Industrienation wie Deutschland sowohl auf die gefährliche Atomenergie verzichten kann und keine neuen Kohlekraftwerke benötigt, wird dies für andere Länder beispielgebend sein. Wir können so zum Top-Runner werden und – noch mehr als bisher – zum Exportland für Umwelt- und Energietechnologien.



Seite 1 von 6 Und darum bin ich so froh, dass dieses Projekt hier bei uns in den Händen der Grünen, in den Händen von Robert Habeck liegt. Wir werden ihnen beweisen: Wir Grüne können Infra- struktur!
Aber wir gestalten Infrastruktur nicht blind und technokratisch. Gerade wir Grüne sehen uns in drei Bereichen in einer besonderen Scharnierfunktion.
1. Bürgerbeteiligung Dies gilt zum einen für den Netzausbau. Robert Habeck wird jetzt den Netzbauern, die bis- her noch immer nicht in die Puschen gekommen sind, Dampf machen müssen! Können Tennet und Eon den Netzausbau allein stemmen oder geht den Unternehmen die Puste aus? Im Moment ist deutlich geworden, dass die Kapitaldecke vorne und hinten zu kurz ist. Da ist der Bund in der Pflicht. Er trägt hier die Verantwortung.
Als Bürgerrechtspartei sehen wir unsere Scharnierfunktion darin, den Netzausbau in engster Abstimmung mit den Betroffenen anzugehen. Robert Habeck und auch seine Staatssekretä- rin Ingrid Nestle haben bereits vielfältige Gespräche mit Betroffenen geführt, wie auch meine Fraktion mit den Netzbetreibern und in den Regionen Gespräche, Besuche und Veranstal- tungen organisiert.
Wir müssen die Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernstnehmen und vor Ort die besten Lösungen suchen: Wo kann eine Stromtrasse um eine Ortschaft herum geführt werden? Wo können wir Erdkabel einsetzen? Wo können bestehende Eisenbahn- oder Kanaltrassen ge- nutzt werden?
All dies muss sorgfältig, bürgernah und gleichzeitig schnell geschehen. Jahrelange Ge- richtsprozesse bringen uns der Energiewende nicht näher. Wir setzen auf engen Dialog mit den Menschen und die Einsicht, dass wir die beschriebenen Herausforderungen nur ge- meinsam bewältigen können. St. Florian und seine Prinzipien helfen uns nicht weiter.
Dass Netze eigentlich in die öffentliche Hand – in Bürgerhand gehören, gehört ebenfalls zu unserer Grundüberzeugung. Dies gilt zuvorderst für die kommunalen Netze. Das Auslaufen von Konzessionsverträgen soll dazu genutzt werden, um deren Kommunalisierung voranzu- bringen
2. Soziales Die zweite Scharnierfunktion, für die wir Grüne uns in besonderer Verantwortung sehen, be- trifft den sozialen Aspekt. Die Energiewende und die soziale Frage dürfen nicht gegeneinan- der ausgespielt werden.
Es ist doch zynisch, dass diejenigen, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien jahrzehn- telang blockiert haben, nun ihr Herz für die finanziell Schlechtgestellten entdecken und ar- gumentieren, die Energiewende würde allein auf Kosten der Schwächeren gehen.
Das ist mehr als unglaubwürdig. Es ist doch selbstverständlich, dass auch in Haushalten, die staatliche Zuwendungen beziehen, die Lichter nicht ausgehen dürfen. 2 Aber vielleicht werden diese Lichter schon bald gegen hocheffiziente LEDs ausgetauscht, sobald diese so günstig sind, dass sie auch beim Discounter massenhaft über die Ladenthe- ke gehen. Die Energiewende soll die Schere zwischen Arm und Reich nicht vergrößern, da- für werde ich mit vollem Einsatz kämpfen!
Das Verrückte ist doch, dass steigende Heizkosten bei der Berechnung des Lebensunterhal- tes berücksichtigt werden, die Strompreise aber aus dem Regelsatz bezahlt werden müssen.
Gerade auch bei den steigenden Strompreisen zeigt sich auch, dass Energiewende nicht nur einseitig mit dem Umschwenken auf Erneuerbare und dem Bau neuer Netze verbunden werden darf. Wir dürfen die beiden anderen Es, die Energieeffizienz und das Energiesparen nicht vernachlässigen.
Und ich möchte ein viertes E hinzufügen: Ehrgeiz. Den vermissen wir z.B. auch bei Umwelt- minister Altmaier und die Bundesregierung, mit ihrer Weigerung zur Umsetzung der Effi- zienzrichtlinie der EU.
Gegen die Nöte der ärmeren Bevölkerungsteile sollen die von Altmaier vorgeschlagenen Energieberater helfen. Wie er das umsetzen will, steht in den Sternen. Der Vorschlag, den wir skeptisch aber konstruktiv begleiten wollen, hilft jedoch nur begrenzt weiter. Denn was soll bitte ein Hartz IV Empfänger mit der Botschaft anfangen, sein Kühlschrank oder seine Waschmaschine verschlinge zu viel Strom, wenn nicht gleichzeitig eine Möglichkeit gegeben wird, Altgeräte auch in Haushalten mit keinem oder wenig Einkommen auszutauschen?
Wie ist es zu erklären, dass die größten Energiefresser-Unternehmen immer noch mit Steu- ergeschenken belohnt werden? Die Privilegierung der stromintensiven Industrie bei der Stromsteuer, Befreiung von der EEG-Umlage, Befreiung von Netznutzungsentgelten. Das belastet den sog. „kleinen Mann“, den gefangenen Tarifkunden! Nicht die Erzeugungskosten für Erneuerbare! Dem Staat gehen so Steuereinnahmen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro jährlich verloren.
2,3 Milliarden - davon könnte man jedem der 4,5 Mio. sogenannten Hartz IV Empfängern ei- nen Kühlschrank der Energieklasse A+++ schenken! Mit so einer Summe könnte man eine Abwrackprämie finanzieren, die wirklich der Umwelt hilft!
Wenn die Atom-und Kohlefreunde in den Regierungen von Bund und Land die Subventionen nicht so freigiebig ausgeschüttet hätten, und lieber in die Erforschung von Erneuerbaren und in Effizienztechnologie investiert hätten, wären die Erneuerbaren Energien bereits viel weiter und damit kostengünstiger.
Aber wir werden alle Möglichkeiten prüfen, wie die ansteigenden Energiekosten sozial abge- federt werden können. Die Energiewende soll die ohnehin schon schlechter Gestellten nicht überproportional belasten.


3 3. Naturschutz Neben der transparenten Bürgerbeteiligung beim Netzausbau und bei der sozialen Frage sehen wir Grüne uns auch in einem dritten Bereich als Scharnier. Und das ist die Umweltver- träglichkeit des Energieumstiegs.
Die langfristig positiven Effekte der Erneuerbaren Energien sind ja unumstritten – weniger Risiken durch Atomunfälle, weniger Strahlenmüll und weniger klimaschädliches CO2 durch Kohleverstromung. Aber, das gehört zur Ehrlichkeit dazu, auch die Erneuerbaren haben Ri- siken und Nebenwirkungen.
So manches Windrad mag einigen Menschen ein Dorn im Auge sein, die den freien Blick über ihr flaches Land gewohnt waren. Und die drehenden Rotoren haben auch schon Opfer in der Vogelwelt gefordert. Die Zuleitungen zu den Offshorewindanlagen im Wattenmeer sind eine Zumutung für den Nationalpark.
Die Installation der Offshoreanlagen stellt eine Belastung für Schweinswale dar und die auf- gestellten Anlagen sind ein zusätzliches Risiko für die Schifffahrt. Können wir als Grüne das gutheißen? Gutheißen nicht, aber wir werden uns dafür einsetzen, die schädlichen Auswir- kungen zu minimieren.
Marlies Fritzen hat zum Beispiel zum Schutz der Meeresumwelt in der letzten Legislaturperi- ode einen Antrag eingebracht, dass umweltverträgliche Bautechniken als Standard vorge- schrieben werden.
Praktisch jede Energieerzeugung hat negative Effekte – die Atomkraft ihre giftigen Strahlen und ihre tödliche Hinterlassenschaft für Millionen von Jahren, die fossilen Energieträger hei- zen unser Klima auf und auch die Erneuerbaren sind nicht folgenlos, wie schon eben be- schrieben.
Ich bin der Überzeugung, dass jede Generation von uns Menschen für die negativen Folgen ihrer Energieerzeugung selbst gerade stehen muss.
Die Energien von gestern werden die Generationen von morgen belasten. Noch unsere Ur- urur…Enkel werden ihre Gesundheit und ihren Geldbeutel belastet sehen, für unsere kurz- sichtige und überhaupt nicht nachhaltige Energiepolitik der vergangenen Dekaden.
Bei den Erneuerbaren wird es anders sein. Hier werden wir die Kosten und die Einschrän- kungen selber tragen und das halte ich für mehr als fair.
Die Energiewende ist ein gesellschaftliches Gesamtprojekt und muss mit der Ökologisierung der Wirtschaft zusammengehen. Denn wir müssen bei der Umstellung auf Erneuerbare ja nicht nur an den Atomausstieg denken und an Elektrizität. Die steigenden Ölpreise erinnern uns ja ständig schmerzlich daran, dass wir auch dem Ende des Ölzeitalters entgegen gehen und deshalb unser Wirtschaften, unsere Mobilität und unsere Lebensgewohnheiten anders gestalten müssen.

4 Neben Verordnungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen wird es eben auch darauf an- kommen, die Art und Weise zu ändern, wie wir leben. Dazu braucht man einen gesellschaft- lichen Diskurs über die Frage was bestimmt unsere Lebensqualität?
Dies muss nicht mit Einschnitten in die Lebenszufriedenheit gleichgesetzt werden oder mit einem Verbieten allen Genusses. Nein, die Umwelt zu schützen kann auch zu einem Mehr an Lebensqualität führen. Dies kann nicht per order mufti passieren, sondern nur in einem breiten gesellschaftlichen Diskurs entwickelt werden.
Die Energiewende muss kommen, das ist seit vielen Jahren Mehrheitsmeinung in der Bevöl- kerung. Aber warum sind wir nicht schon weiter?
Es bedurfte zweier Atomkatastrophen, einer in Tschernobyl und einer in Fukushima um die CDU zum Umdenken zu bewegen. Die Sünden der Vergangenheit, in der einseitig auf Kohle und Atom gesetzt wurden, holen uns jetzt ein und setzen uns unter diesen enormen zeitli- chen Druck.
Jeder Tag, den die Energiewende länger dauert, ist ein Tag mehr des sogenannten „Restri- sikos“, ist ein Tag mehr an dem verstrahlter Müll den kommenden Generationen vor die Fü- ße gekippt wird und ist ein Tag mehr, der uns von unseren Klimazielen entfernt.
Und es hat mich wirklich gefreut, als von CDU und FDP – nach 30 Jahren immerhin! – die Botschaft ausging: „Wir haben verstanden“. Die politischen Konsequenzen, die daraus in der folgenden Zeit abgeleitet wurden, ließen mich jedoch an der Aussage zweifeln. „Wir haben verstanden?“
Wie ist es dann zu erklären, dass der Solarindustrie, wenige Jahre bevor sie wirklich konkur- renzfähig werden konnte, die Luft abgeschnürt wurde?
Das wäre, als wenn man einen Marathonläufer über die ganze Strecke anfeuert, ihn mit Ba- nanen und Wasser päppelt, um ihm dann – ganz kurz vor dem Ziel – bei Kilometer 39 ein Bein zu stellen!
Ich will nicht abstreiten, dass man über die Deckelung der Solarförderung diskutieren kann, aber doch nicht so, dass damit einer Branche sämtliche Planungssicherheit genommen wird.
Wie ist es zu erklären, dass die FDP, wie am Montag deren hessischer Wirtschaftsminister Rentsch, die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes fordert? Am 28. August fin- det der Energiegipfel im Bundeskanzleramt statt, die Vorstöße aus der FDP zum EEG las- sen uns diesen Tag mit Bangen erwarten.
Schwarz-Gelb hatte jahrzehntelang die Verantwortung für die Energiepolitik in Bund und Land. Und was mich wirklich ärgert, jetzt stellen sie sich hier hin, machen dicke Backen und kritteln bereits an der neuen Landesregierung.


5 Aber was denn ist ihre Leistungsbilanz? Für Sie waren die Erneuerbaren Energien immer nur ein Feigenblatt. Es war Ihnen zu keinem Zeitpunkt ernst mit der Energiewende. Sie wa- ren unfähig zu erkennen, was die Stunde geschlagen hat. Noch heute würden Sie lieber Kohlekraftwerke – mit einer Laufzeit von bis zu 60 Jahren - in die Landschaft setzen als sich ernsthaft mit den Zukunftstechnologien zu beschäftigen. Ein Bisschen mehr Sinn für die Re- alitäten, ein Bisschen mehr Demut wäre wirklich angebracht.
Nachdem kostbare Jahre verschwendet wurden, durch einen überschätzten Umweltminister Röttgen, der mehr an seiner Karriere als an der Energiewende gebastelt hat, versucht sich nun Peter Altmaier an den Projekt. Frau Merkel hat sich wohl gedacht: Der ist Netzpolitiker, dann kann der doch bestimmt auch Stromnetze“. Leider ist sein jüngst vorgelegtes 10- Punkte Papier nicht viel mehr als heiße Luft.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist für ihn eine „Subventionsmaschine“, die Strom teuer macht. Kein Wort darüber, dass in Deutschland Ökostrom dank des EEG inzwischen so preiswert wie nirgends sonst erzeugt wird. Kein Wort davon, dass die EEG-Umlage vor allem steigt, weil Schwarz-Gelb die Industrie zulasten der Verbraucher und kleinen Unter- nehmen großzügig befreit hat. Kein Wort davon, dass seit Jahrzehnten der Atomstrom staat- lich subventioniert wird und die noch völlig unabsehbaren Folgekosten nie zu einem fairen Kostenvergleich geführt haben.
Altmaiers 10-Punkte-Plan fehlen auch klare Ansagen, wie er sich etwa beim Streit um den Ausbau Erneuerbarer Energien, der Energieeffizienz und der Energieeinsparverordnung ge- genüber seinen Ministerkollegen Rösler und Ramsauer durchsetzen will. Auch die Angriffe von Wirtschaftsminister Rösler auf den Naturschutz beim Netzausbau bleiben unerwähnt. So ist die Energiewende nicht zu schaffen.
Wir haben die Herzen der Menschen gewonnen und sie für das große Gemeinschaftswerk der Energiewende begeistert. Das dürfen wir uns nicht von einzelnen Lobbyisten zerstören lassen.
Es ist doch fabelhaft, wie immer wieder neue innovative Produkte auf den Markt kommen. Es ist doch fabelhaft, wie viele Arbeitsplätze gerade in Schleswig-Holstein durch den Stand- ort als Windenergieland entstehen. Wie Deutschland wieder zum Gründerland wird.
Die Energiewende und die Ökowende sind Herausforderung und Riesenchance zugleich. Ich möchte dass wir sie gemeinsam vor allem als letztere sehen – eine Riesenchance für unser Land.
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