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22.08.12
11:32 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 2: Schleswig-Holstein soll Vorzeigeland für die Energiewende werden

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 22. August 2012



TOP 2, Regierungserklärung zur Umsetzung der Energiewende



Ralf Stegner:
Schleswig-Holstein soll Vorzeigeland für die Energiewende werden

„Die Energiewende: Herausforderung und Chance für Schleswig-Holstein – eine Eröffnungsbilanz“ – lieber Herr Minister Habeck, schon mit dem Titel haben Sie sehr genau beschrieben, worum es bei diesem Thema geht. Sie haben die Dimension der Herausforderung erkannt. Ich beglückwünsche Sie namens meiner Fraktion zu dieser starken Regierungserklärung, die ein deutlicher Ausdruck des Politikwechsels in Schleswig-Holstein ist.
Sie haben völlig recht, wenn Sie unsere Aufgabe beschreiben, die darin besteht, vorhandene Schwierigkeiten zu überwinden und damit das Nichtstun, die Schneckengeschwindigkeit oder - noch schlimmer - den Versuch, Sand ins Getriebe zu werfen, zu beenden. Wir reden über harte Arbeit für den Fortschritt unserer Gesellschaft und einen richtigen Paradigmenwechsel gegenüber der Politik der Vergangenheit.
Ich stimme Ihnen in einem weiteren Punkt zu, nämlich dass es keine Blaupausen für das gibt, was wir zu leisten haben, so dass Fehler und Korrekturen nötig sein werden, Überzeugung zu leisten ist und es viele Widerstände zu überwinden gilt. Da reicht die Palette vom allzu mächtigen Sankt-Florians-Prinzip bis zur Muskelkraft milliardenschwerer Energiekonzerne.
Es muss uns also gelingen, Tempo zu machen für die so dringend nötige Energiewende und das Lieblingsspiel der Vergangenheit: „Schuld sind immer die anderen“, dieses Schwarze-Peter-Spiel 2



der Verantwortungslosigkeit – wie Sie es zu recht nennen - muss abgelöst werden durch Mut, Einfallsreichtum und Konsequenz. Dafür ist diese Regierungserklärung der neuen Schleswig- Holstein-Koalition ein sehr guter Anfang.
Erst letzte Woche, gerade rechtzeitig vor unserer Landtagstagung, hat der Bundesumweltminister Peter Altmaier seinen 10-Punkte-Plan zur Energiewende vorgestellt. Sein ernüchterndes Fazit könnte einem glatt den Morgen verderben, wenn wir nicht gerade die Regierungserklärung von unserem Energieminister Robert Habeck gehört hätten. Lassen Sie mich mal die Quintessenz von Peter Altmaier zusammenfassen:
1. Für den normalen Bürger wird die Energiewende eigentlich viel zu teuer, dagegen könne er aber leider nichts tun.
2. Eigentlich müsste alles viel schneller gehen, doch auch dafür könne er nur wenig tun.
Das Fazit von Robert Habeck klingt ganz anders:
1. Es gibt viele Möglichkeiten, die Energiewende zu beschleunigen, man muss sie nur ergreifen und durchsetzen.
2. Wenn wir es richtig machen, wird die Energiewende auch für alle bezahlbar.
Warum gibt es diese Differenz, wo doch angeblich alle die Energiewende wollen? Missverstehen Sie mich nicht, ich werfe Ihnen weder bei diesem noch bei anderen Themen vor, dass Sie heute das für richtig erklären, was Sie gestern noch entschieden bekämpft haben. Im Gegenteil: Die Vernunftbegabtheit der Menschen ist unerschöpflich und jeder, der dazu lernt, verdient Lob, nicht Kritik.
Warum also der Unterschied? Ich kann es für Sie auf der rechten Seite dieses Hauses ganz kurz zusammenfassen: Wir wollen das und wir können das auch! Bei Schwarz-Gelb habe ich da in beiden Fragen starke Zweifel. Zumindest für die FDP und ihren famosen Bundeswirtschaftsminister und Parteivorsitzenden Herrn Rösler ist es auf Bundesebene recht eindeutig. Unter dem ordnungspolitischen Deckmäntelchen hat er die selbsternannte Marktwirtschaftspartei FDP nicht davon abgehalten, Steuerausnahmen für die Hoteliers durchzusetzen und jetzt kritisiert er uns auch noch, wenn wir das zurücknehmen wollen. 3



Und er verhindert die auf dem Energiesektor dringend notwendigen und wirksamen ordnungspolitischen Maßnahmen. Da wären zum einen die Verzögerungen bei der europäischen Energieeffizienzrichtlinie und zum anderen die Tatenlosigkeit bei der energetischen Gebäudesanierung. Die großen traditionellen Energiekonzerne freut das bestimmt; die wollen ja auch Energie verkaufen – möglichst teuer und möglichst viel. Stattdessen wird lieber am bisher besten funktionierenden Instrument der Energiewende herumgepfuscht: dem EEG. Dieses EEG war auch deshalb ein internationaler Erfolgsschlager, weil es erstmals den Weg von der theoretischen Erkenntnis, dass die Zukunft bei den erneuerbaren Energie liegt, zur praktischen Tat bewirkt hat. Hier hat sich der leider viel zu früh verstorbene sozialdemokratische Kollege und Freund Hermann Scheer große Verdienste erworben. Ich empfehle Ihnen dessen posthum veröffentlichtes Buch „Der energethische Imperativ“ sehr zur Lektüre, wenn Sie wirklich etwas über die Energiewende lernen wollen.
Klar wird die im EEG angelegte Umlage teurer, wenn ich immer mehr Stromverbraucher davon befreie. Dafür profitieren dieselben Unternehmen dann gleich doppelt von den an der Strombörse gefallenen Strompreisen. Herr Rösler war am Montag bei seinem Besuch in Kiel wohl sehr deutlich. Er redete vom „süßen Gift“, ohne das die Nischenprodukte „erneuerbare Energien ja gar nicht aus der Nische herausgekommen wären. Wo sie eigentlich hingehörten – oder was will uns der Künstler damit sagen? Er trifft damit ausnahmsweise mal den Kern, wenn auch mit den völlig falschen Schlussfolgerungen. Reform beim EEG wo nötig, Ja, aber ohne das EEG, ohne ordnungspolitische Rahmensetzungen gibt es keine Energiewende. Will die FDP das alles nicht, will sie auch keine Energiewende. Das muss hier klar gesagt werden.
Und für dieses Ziel wird dann halt blockiert und das Credo der angeblich funktionierenden Märkte propagiert. Klar wird der Strom auch teurer bzw. die Energiekosten für den einzelnen teurer, wenn wir es nicht schaffen, die beiden Hauptenergiequellen, nämlich Energiesparen und Energieeffizienz, mit aller Konsequenz in die Tat umzusetzen. Statt aber endlich ein vernünftiges Angebot an die Länder für die energetische Gebäudesanierung zu machen, will die Bundesregierung den Ländern in die Tasche greifen und der zweifellos sehr sympathische neue Umweltminister Altmaier verweist lakonisch auf die Energieberatung, die im übrigen Ländersache ist. Das ist alles eher ein Eingeständnis des Scheiterns als ein Plan der Bundesregierung für die notwendige Energiewende. 4



Ich sehe die Schuld also keineswegs nur bei der FDP. Solange unser Supermann aus Schleswig-Holstein nicht im Bundestag ist - nein, Herr Kollege Callsen, ich meine nicht Ihren CDU-Kollegen, sondern den selbsternannten Ampel-Finanzminister in spe - bleibt die Koch- und Kellner-Verteilung in der Bundesregierung doch recht eindeutig. Die Union ist die stärkste Kraft in der Bundesregierung, stellt den Umweltminister, dem fällt aber außer dieser Beratung wenig ein und die FDP steht auf der Bremse. Halb zog es sie, halb sank sie hin, könnte man die Politik der Union bei der Energiewende beschreiben. Und das Mantra „wir wollen die Energiewende“ wirklich, erinnert mich immer ein wenig an die Beteuerungen in der Fußballbundesliga, dass man wirklich hinter dem Trainer stehe – meistens erfolgen solche Bekenntnisse kurz vor der Entlassung.
Ein zentraler Eckpfeiler für die Energiewende ist und bleibt die Erzeugung von Strom mit regenerativen Energien. Da haben wir von 1988 bis 2005 unter sozialdemokratischer Führung in Schleswig-Holstein Mustergültiges geleistet, als wir den Anteil erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung von 0,05 % in Richtung 40 % gesteigert haben. Sie sehen also, mit politischer Kompetenz und entschlossenem Handeln ist diese Energiewende möglich. Auch wenn die Herausforderungen heute sicher noch anspruchsvoller geworden sind, gibt es keinen Grund zu verzagen. Dennoch schafft es die gesamte Bundesregierung bei diesem Thema doch tatsächlich, mit dem Verwirrspiel um die Solarförderung und mit der Diskussion um das EEG ausschließlich negative Zeichen zu setzen.
Daneben gelingt es ihr augenscheinlich nicht, bei dem notwendigen Pendant zur Erzeugung von erneuerbaren Energien, dem Ausbau der Netze, einen vernünftigen Rahmen vorzugeben. Im Gegenteil. Statt diesen Ausbau der Netze voranzubringen, will Herr Altmaier lieber den Ausbau der erneuerbaren Energien dort stoppen, wo er am günstigsten ist. Hier im Norden. Das ist doch gaga. Aber: Wer legt sich schon gerne mit dem Süden an?
Die Regierungserklärung von Robert Habeck weist dagegen den Weg, den wir gehen können und gehen sollten, nein, gehen müssen – und es wäre wahrer Patriotismus, wenn dieses Haus ihn bei diesem Weg entschlossen und geschlossen unterstützen würde. Ich bin da aber nicht sehr optimistisch und da ja unsere neue Landesregierung schlechterdings die Berliner Geschäfte nicht einfach auch noch übernehmen kann, müssen wir wohl darauf setzen, dass die 5



Bürgerinnen und Bürger den Politikwechsel auch auf Bundesebene herbeiführen und die schwarzgelbe Abwahlserie über Hannover nach Berlin verlängert wird.
Vielleicht könnten wir uns hier in Schleswig-Holstein wenigstens auf eine Erkenntnis verständigen. Von alleine kommt die Energiewende nicht. Wir haben uns in unserem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, bis 2020 in Schleswig-Holstein 300% des erneuerbaren Stroms des theoretischen Verbrauchs zu produzieren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, um dies zu erreichen gilt:
Wir brauchen mehr erneuerbare Energien. Wir brauchen mehr Netze. Wir brauchen mehr Energieeffizienz, Energieeinsparung und Energiespeicherung.
Das stellt der Markt alleine so nicht her. Teilweise tut er genau das Gegenteil. Die derzeitigen Marktverhältnisse führen nicht zu einer rechtzeitigen Energiewende hin zu einer sicheren, in doppelter Bedeutung sicheren, nachhaltigen und bezahlbaren Energiewende. Deswegen haben wir inzwischen alle gemeinsam den Ausstieg aus der Atomenergie festgeschrieben und die unsichersten Atomkraftwerke abgeschaltet. Damit sollte endlich eine höchst gefährliche Ausweichlösung verbaut werden – wer weiter Strom produzieren und verkaufen will, muss sich etwas anderes suchen. Durch den Ausstieg aus dem Ausstieg – dem unseligen Atomdeal von Angela Merkel – haben wir wertvolle Jahre verloren, die uns auch noch teuer zu stehen kommen können. Umso entschlossener muss jetzt vorangegangen werden. Auch bei der Abwicklung der Atomenergie muss das besser und schneller gemacht werden, als schwarz-gelb das will.
Vielleicht könnten wir uns sogar auf eine weitere Grundlage einigen: Schleswig-Holstein kann und muss von der Energiewende profitieren. Wir sollten das Land zwischen den Meeren, das Vorzeigeland, das Musterland, das Vorbild für die Energiewende werden. Wir sind doch, wenn wir es richtig anfangen, der Energieversorger der Republik. Mit sauberer erneuerbarer Energie, mit Wertschöpfung vor Ort, mit innovativen Kleinunternehmen, aber auch durchaus mit neuen Chancen für unsere Werften und ihre hochqualifizierten Belegschaften, mit Speichertechnik auf Weltklasseniveau, mit Bürgerbeteiligung an den Netzen. Kurz: Wir könnten – allerdings ohne die großindustrielle Konnotation – das für die Republik werden, was das Ruhrgebiet nach dem 2. 6



Weltkrieg in Sachen Energieversorgung gewesen ist. Also: Frischer Küstenwind für Schleswig- Holstein statt dem Las-Vegas-Wüstensturm, den Sie bisher für richtig hielten.
Wir Schleswig-Holsteiner waren einmal Vorreiter und wir haben große Potentiale. Leider sind wir in den letzten Jahren deutlich zurückgefallen. Das muss sich wieder ändern, dazu müssen die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und Betriebe, Kommunen und das Land zusammenarbeiten. Offen, vertrauensvoll und solide.
Deswegen fördern wir natürlich die Windenergie mit all den vielen Vorteilen für Windmüller und Kommunen. Deswegen fördern wir natürlich die möglichst dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung, weil wir dringend eine bessere Energieeffizienz brauchen –und weshalb gerade Kohlekraftwerke ökologisch und ökonomisch keinen Sinn machen. Kohle in Brunsbüttel rechnet sich eben nicht, das wissen die Betreiber und da können Sie noch so viele Anträge hier schreiben wie Sie wollen. Gegen die Wirklichkeit lässt sich auf Dauer nicht Politik machen.
Deshalb fördern wir überhaupt dezentrale Energieerzeugung und Verteilung, damit wir mit möglichst vielen Kräften an der Energiewende arbeiten können, effizienter, bürgernäher und um nicht mehr so sehr von irgendwelchen fremddefinierten Konzernzielen großer Energieunternehmen abhängig zu sein. Deshalb fördern wir – wie mit dem Pakt mit dem Wohnungsbauunternehmen geschehen –die Gebäudesanierung als große Chance, die Nebenkosten gerade für Mietwohnungen zu senken. Deshalb fördern wir etwas, was bisher sträflich vernachlässigt worden ist: Die Speichertechnologie, die neben dem Netzausbau ein Schlüssel der Energiewende sein wird.
Da muss Forschung, da muss Unternehmergeist, da muss Wertschöpfung stattfinden. Schleswig-Holstein profitiert von der Energiewende: Wertschöpfung, Gewerbesteuereinnahmen, Arbeitsplätze - all das ist hier entstanden und kann mehr werden, wenn wir es richtig machen, nicht zögern und mit aller Macht vorangehen. Ich appelliere deshalb an die Opposition, bei ihren Parteifreunden in Berlin jedenfalls bis zum Regierungswechsel mitzuhelfen, dass dieser Weg auch tatsächlich funktioniert und wir nicht ein weiteres kostbares Jahr verlieren. Ich appelliere an die Unternehmen, die sich bietenden Chancen beherzt zu ergreifen. Ich appelliere an die Bürgerinnen und Bürger sich einzumischen und mitzureden. 7



Nicht mosern oder meckern – mitmachen und mitgestalten sollte die Devise sein!
Die Koalition von SSW, den Grünen und der SPD ist die Koalition der Energiewende. Wir haben ein Konzept und keine Scheu, die notwendigen Mittel dafür auch einzusetzen. In der Folgeperiode der Strukturfondsförderungen ab 2014 werden wir neben Bildung konsequent den Schwerpunkt auf Energiewende und Klimaschutz legen. Wir wollen bei den Ausgaben für Energiewende und Klimaschutz in den Programmen zur Wirtschaftsförderung (EFRE) und zum ländlichen Raum (ELER) deutlich über die Zielvorgaben der Europäischen Kommission hinausgehen.
Wir haben eine Perspektive für ein lebenswertes, produktives Land, das Vorreiter ist bei den erneuerbaren Energien und von dieser Vorreiterrolle deutlich profitiert. Wir haben Konzepte, wie wir den Strompreis dauerhaft bezahlbar halten können. Und wir Sozialdemokraten sagen, das müssen wir auch, weil wir uns keine Energiepolitik leisten können, die nur die Privilegierten gut finden.
Statt aber Krokodilstränen über das EEG zu vergießen – und auch da hat Robert Habeck wirklich recht –, hätten wir Sie von der Opposition lieber an unserer Seite, wenn es um Mindestlöhne, Spekulationssteuer oder Vermögensabgaben geht, wenn also die endlich mehr in der Tasche haben, die bisher zu Dumpinglöhnen arbeiten, und die mehr zahlen müssen, die es sich leisten können– aber da sind Sie ja leider auf Gegenkurs. Mit einem solchen Konzept könnten wir immer mehr Bürgerinnen und Bürger überzeugen und mitnehmen. Angesichts des aktuellen Benzinpreises ist eines ohnehin klar: Das Schreckgespenst der steigenden Energiekosten spukt wirklich ganz woanders.
Die Politikwende ist bei dieser Landesregierung sehr gut aufgehoben – das gilt von der Bildung bis zur Energiepolitik. Herr Energieminister, bei diesem Kurs werden Sie die SPD- Landtagsfraktion an Ihrer Seite haben.
Die Energiewende ist in der Tat eine Jahrhundertchance für Schleswig-Holstein, wir sollten sie beherzt ergreifen. Das ist die Verantwortung, die wir übernehmen wollen und müssen.