Rede von Alterspräsident Wolfgang Kubicki anlässlich der Eröffnungssitzung der 18. Wahlperiode, 5. Juni 2012, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Plenum
67/2012 Kiel, 5. Juni 2012Rede von Alterspräsident Wolfgang Kubicki anlässlich der Eröff- nungssitzung der 18. Wahlperiode, 5. Juni 2012, Schleswig- Holsteinischer Landtag, PlenumMeine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,nach gutem Brauch eröffnet der Alterspräsident die konstituierende Sitzung des neuen Landtages mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen. Dem komme ich sehr gerne nach, verbunden mit dem Hinweis, dass Alterspräsident der- jenige Abgeordnete mit der längsten Dienstzeit, nicht mit dem höchsten Lebensalter ist.Der 18. Schleswig-Holsteinische Landtag begrüßt 16 Abgeordnete, die zum ersten Mal ein Mandat wahrnehmen. Der Wandel gehört zu den Grundfesten einer parlamentari- schen Demokratie und nichts unterstreicht das besser, als viele neuen Kolleginnen und Kollegen hier im Haus.Auf alle Abgeordneten kommen in dieser Wahlperiode große Herausforderungen zu.Die Wahlbeteiligung, die sehr bedenklich gesunken ist, müssen wir als Aufforderung ver- stehen, Politik – unsere Diskussionen und Entscheidungen – den Bürgerinnen und Bür- gern im Land verständlicher zu machen. Das ist vom Anspruch her ein Auftrag, den kein Abgeordneter und keine Fraktion allein bewältigen kann, dazu braucht es jeden Abgeord- neten und jede Fraktion.Ein wichtiger Punkt ist die Betonung der Wahl als der ausschlaggebenden Möglichkeit der wahlberechtigten Bürger, Politik mit zu gestalten. Wie selten zuvor hat gerade die zurück- liegende Wahl gezeigt, dass jede Stimme zählt. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Postfach 7121, 24171 Kiel ▪ Carsten Maltzan, pressesprecher@landtag.ltsh.de, Tel. 0431 988-1120; Fax 0431 988-1130 ▪ www.sh-landtag.de → Presseticker 2Und diejenigen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, die freie und geheime Wahlen für eine Selbstverständlichkeit halten, erinnere ich an die Bilder des arabischen Frühlings oder jüngst aus Syrien, wo Menschen ihr Leben dafür lassen, in ihren Ländern dies fun- damentale Recht der Selbstbestimmung erst zu erkämpfen.In der letzten Zeit ist immer wieder der Ruf nach Transparenz laut geworden. Daraus spricht der berechtigte Wunsch der Menschen, nicht allein die politischen Entscheidungen zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch an ihrem Zustandekommen teilzuhaben.Das aber ist selbstverständlich immer schon möglich gewesen: Die Sitzungen des Schleswig-Holsteinischen Landtages sind öffentlich, jeder kann nach Anmeldung auf der Besuchertribüne Platz nehmen und die Debatten verfolgen.Der Offene Kanal sendet Mitschnitte der Debatten, die Protokolle sind ebenfalls in ihrer zur Veröffentlichung genehmigten Form einsehbar.Transparenz kann jedoch nicht immer der Maßstab aller Dinge und allzumal nicht der Maßstab jeder Form politischer Arbeit sein. Lassen Sie mich das an einem Gegensatz aufzeigen. Der Gegensatz zur Transparenz im politischen Geschäft ist nicht die „Intransparenz“, sondern die Vertraulichkeit. Vertraulichkeit – darin steckt nicht zufällig das Wort „Vertrauen“. Es gibt Prozesse des Meinungsaustausches, der Diskussion, des Streits und vor allem der Konsensfindung, die nur im Vertrauen, in der Vertraulichkeit des Gesprächs, möglich sind. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass jeder Schritt und jeder geäu- ßerte Gedanke eines gewählten Abgeordneten in Echtzeit öffentlich gemacht werden muss.Das hat auch damit zu tun, dass politische Entscheidungen oft das Ergebnis von Ausei- nandersetzungen sind. Hier zählt das Ergebnis, der Konsens, nicht aber jedes Detail der Debatte.Dass zur Demokratie auch Streitkultur gehört, das wiederum wird jedem Bürger die De- batte im Plenum vor Augen führen. Hier möchte ich an alle Kolleginnen und Kollegen ap- pellieren, - den Kollegen Dr. Stegner und mich eingeschlossen - auch in der 18. Wahlpe- riode die sachliche Auseinandersetzung zu suchen. Und wir sollten die Achtung und den Respekt voreinander nicht verlieren. Denn ich un- terstelle, dass jede oder jeder in diesem Hause das Beste für unser Land will, wenn auch auf unterschiedlichen Wegen.Sie wissen, dass ich das offene und direkte Wort niemals gescheut habe. Offenheit, Rich- tungsbestimmung und Einsatz sind notwendig, wenn wir nach Gemeinsamkeiten suchen. Diese Gemeinsamkeiten werden immer wichtiger in einer Zeit rasanter Veränderungen, 3die unsere Gesellschaft nachhaltig verändern, denn Gemeinsamkeiten in einer Demokra- tie – so wie ich sie verstehe – müssen jenseits dieser Veränderungen Bestand haben.So ändert sich mit jeder Wahl die Zusammensetzung dieses Hauses, seine Funktion aber bleibt unverändert. Es ist diese zentrale Aufgabe des Parlaments, dem demokratischen Ringen nach Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen Struktur und Halt zu geben.Das ist keine geringe Aufgabe, das ist ganz im Gegenteil die wichtigste Aufgabe in unse- rem politischen System.Dieser Aufgabe – darum bitte ich Sie alle – müssen wir nicht nur inhaltlich erfolgreich, sondern auch nach außen hin mit Würde und Anstand nachkommen. Die Menschen in Schleswig-Holstein schauen sehr genau darauf, wie wir sie hier im Landtag vertreten. Niemand erwartet von der Politik Wunder, aber die Menschen erwarten zu Recht Ehrlich- keit. Niemand erwartet lückenlose Transparenz, den gläsernen Abgeordneten ohne Ecken und Kanten.Aber: - Die Bürgerinnen und Bürger erwarten mit Recht, dass man Ihnen die für sie weit- reichenden Entscheidungen nachvollziehbar erklärt.Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,der finanzielle Handlungsrahmen der 18. Wahlperiode wurde durch die Schuldenbremse in der letzten Legislaturperiode einvernehmlich festgelegt. Umso mehr werden die Bürge- rinnen und Bürger unsere Debatten und Entscheidungen daran messen, was wir zum Wohle des Landes innerhalb dieses begrenzten Spielraumes werden leisten können.Zukunft lebt von Ideen und diesen sind glücklicherweise keine Bremsen und Grenzen gesetzt. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein erfolgreiches Arbeiten in der 18. Wahlperiode zum Wohle unseres Landes und seiner Menschen.