Icon Hinweis

Unsere Website befindet sich zurzeit im Umbau. Es kann zu kürzeren Ausfällen oder einer ungewohnten Darstellungsweise kommen.

Wir beeilen uns! Vielen Dank für Ihr Verständnis!

Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
27.04.12
14:49 Uhr
SPD

Siegrid Tenor-Alschausky zu TOP 86: Anregungen umsetzen, Missstände beseitigen!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 27. April 2012



TOP 86, Bericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten für das Jahr 2011 (Drucksache 17/2300)



Siegrid Tenor-Alschausky:
Anregungen umsetzen, Missstände beseitigen!

Sehr geehrte Frau Wille, die SPD-Fraktion dankt Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich für die geleistete hervorragende Arbeit! Auch 2011 stieg die Anzahl der Eingaben zum wiederholten Mal an; über 3.700 Hilfeersuchen zeigen einerseits die hohe Akzeptanz, die dem Amt der Bürgerbeauftragten entgegengebracht wird, andererseits wird aber auch erneut deutlich, dass zahlreiche Bürgerinnen und Bürger Probleme mit Entscheidungen von Behörden und Institutionen haben.
Welche Themen und Probleme haben nun die Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2011 so beschwert, dass sie sich Hilfe suchend an die Bürgerbeauftragte wandten? 38 Prozent der Eingaben betrafen den Bereich rund um das SGB II, die Grundsicherung für Arbeitssuchende, mit, wie Sie kommentieren „seinen vielfältigen Missständen, Problemen und Schwierigkeiten“. Nach wie vor beschweren sich viele Hilfesuchende über die Unübersichtlichkeit und den Sprachstil der oft schwer verständlichen Bescheide. Auch sechs Jahre nach Einführung des SGB II scheine es für die Behörden eine unlösbare Aufgabe zu sein, die Bescheide bürgerfreundlicher, transparenter und selbsterklärend zu gestalten.
Auch überschritten, so der Bericht, die Jobcenter häufig die gesetzliche Rahmenfrist von drei Monaten bei der Bearbeitung von Widersprüchen, so dass zahlreiche Untätigkeitsklagen bei den Sozialgerichten eingereicht wurden. Dieser Zustand ist für uns nicht tragbar, denn viele 2



Hilfesuchende, denen Leistungen zu Unrecht versagt wurden, geraten in wirklich existentielle Not. Wir können nun nur hoffen, dass nach der Reform der Jobcenter ein Klima des Vertrauens und der Verlässlichkeit zwischen Behörden und Bürgerinnen und Bürgern entsteht, die Ämter für ihre Arbeit entsprechend ausgestattet und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter qualifiziert werden und prekäre Arbeitsverhältnisse endlich zur Ausnahme werden!
Zu einem weiteren Schwerpunkt des Berichts macht die Bürgerbeauftragte den Umgang mit dem Bildungs- und Teilhabepaket. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Regelsatzurteil entschieden, dass der die Menschenwürde achtende Sozialstaat nachrangig über das Fürsorgesystem Leistungen erbringen muss, die notwendig sind, damit insbesondere Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten durch Entwicklung und Entfaltung ihrer Fähigkeiten in die Lage versetzt werden, ihren Lebensunterhalt später aus eigenen Kräften zu bestreiten.
Es ließe sich trefflich darüber streiten, ob ein Schulbedarfspaket von 100 Euro jährlich und zusätzlich 10 Euro monatlich für Beiträge für Sportverein oder die berühmten Musikschulen oder Nachhilfe wirklich ausreichen, um dies vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Recht auf Teilhabe umzusetzen. Die SPD hält, wie übrigens viele Fachleute, den Verwaltungsaufwand für zu hoch. Nicht alle Kinder und Jugendliche kommen in den Genuss einer Förderung, denn Anträge müssen von den Eltern gestellt werden, Angebote vor Ort auch verfügbar sein. Was nützt der Anspruch auf einen Zuschuss zum Mittagessen, wenn das Kind eine Schule besucht, in der es ein solches Angebot nicht gibt?
Das Bildungs- und Teilhabepaket sichert die konkreten Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen nur unzureichend. Besser wäre es, eine für die Eltern kostenlose Infrastruktur zur Betreuung und Förderung von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung zu stellen. Nur so wäre auch für Kinder aus einkommensschwachen Familien gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich, hätten sie für ihr weiteres Leben bessere Chancen!
Wie gehen wir als Parlament nun mit dem jährlichen Bericht der Bürgerbeauftragten, aber auch mit ihren von uns erbetenen Stellungnahmen in Anhörungen um? Es soll ja auch 3



einmal das Positive erwähnt werden. Dazu zähle ich, dass der Bericht der Bürgerbeauftragten in dieser Plenartagung als gesetzter Tagesordnungspunkt debattiert und nicht ohne Aussprache überwiesen wird. Wäre ja auch schwierig!
Wer sich allerdings einmal damit beschäftigt, welche Anregungen der Bürgerbeauftragten umgesetzt wurden, kann feststellen, dass Anregungen an Behörden ganz oder zumindest teilweise in Angriff genommen wurden. Wie sieht es aber mit Anregungen und Vorschlägen an den Landtag aus? Deutlich schlechter!
Da ist es denn schon ein großer Erfolg, wenn atypische Bedarfe im SGB II, es handelt sich dabei um die orthopädischen Schuhe und andere Hilfsmittel, endlich anerkannt werden. Seit 2006 fordert die Bürgerbeauftrage die Freistellung von Ansprüchen aus Sterbeversicherungen vom Einsatz als Vermögen in der Sozialhilfe. Umsetzung? Bisher nicht erfolgt. Eine Regelung, die viele Menschen belastet, die nicht verstehen, warum sie nicht für ein würdiges Begräbnis vorsorgen können. Ähnlich die Forderung nach Rücknahme des Verweises auf Eingliederungshilfe, wenn es darum geht, Kindern mit Behinderungen den Schulbesuch zu ermöglichen. Inklusion sieht anders aus.
Wir Sozialdemokraten schätzen auch die klaren Aussagen der Bürgerbeauftragten in ihren Stellungnahmen in Anhörungen. Beispielhaft möchte ich hier eine Anmerkung zur beruflichen Eingliederung Alleinerziehender, die die Bürgerbeauftragte zur Antwort der Landesregierung zu unserer Großen Anfrage abgegeben hat, zitieren: „Offensichtlich hat eine Analyse der Angebote für Alleinerziehende im Hinblick auf Effektivität und Effizienz nicht stattgefunden. Dies muss nachgeholt werden. Ziel einer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik muss die nachhaltige Integration in den ersten Arbeitsmarkt sein. Hiervon kann nach meiner Ansicht nur gesprochen werden, wenn dies zugleich bedeutet, dass keine staatlichen Hilfen mehr benötigt werden. Zu oft geben sich die Behörden zufrieden, wenn es ihnen gelungen ist, Alleinerziehende zum Beispiel einen 400-Euro-Job zu verschaffen. Kurz, knapp und eindeutig!
Liebe Frau Wille, zum Schluss meiner Rede möchte ich Ihnen im Namen meiner Fraktion aber vor allem auch ganz persönlich für Ihre Arbeit, Ihren Sachverstand und Ihr Engagement danken! 4