Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
27.04.12
12:42 Uhr
SPD

Serpil Midyatli: Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit schaffen!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 27. April 2012


TOP 20, Große Anfrage Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im Bildungssystem Schleswig-Holsteins (Drucksache 17/2295)



Serpil Midyatl‫:וּ‬
Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit schaffen!

Die Antwort der Landesregierung, für die ich mich bei den beteiligten Ministerien und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanke, zeigt sehr deutlich: Trotz aller Fortschritte bleibt noch sehr viel zu tun, wenn wir eine echte Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit in unserem Land erreichen wollen. Darin deckt sich die Antwort der Landesregierung mit dem kürzlich vorgestellten Nationalen Aktionsplan Integration der Bundesregierung.
Aus meiner Sicht sind es drei Handlungsfelder, vor denen wir stehen:
• die Beherrschung der deutschen Sprache,
• die Integration und Inklusion in den Regelunterricht und
• die Gleichstellung bei den Schulabschlüssen.
Dass man Deutsch beherrschen muss, um die Schule mit Erfolg absolvieren zu können und um in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt gleichberechtigt zu sein, gilt nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern für alle. Erzieherinnen und Erzieher sowie Grundschullehrerinnen und -lehrer können ein Lied davon singen, wie schlecht die Sprachfähigkeit auch vieler Kinder aus ethnisch deutschen Familien ist.
Es war deshalb eine richtige Entscheidung, die Feststellung der Sprachfähigkeit in die Kindertagesstätten zu verlagern und diese dazu zu verpflichten, in Zusammenarbeit mit der 2



Schule die nötigen Fördermaßnahmen durchzuführen. Die Voraussetzung dafür allerdings ist, dass wir die Kinder erst einmal in die Betreuungseinrichtungen bekommen. Denn wenn 2011 rund 18 Prozent der Kinder in Kindertagesstätten mindestens ein ausländisches Elternteil hatten und 10,3 Prozent zu Hause nicht vorrangig Deutsch sprachen, bleibt hier eine Menge zu tun.
Sie verweisen darauf, dass die Beteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund an den Kindertagesstätten zwischen 2009 und 2010 sprunghaft von 68,7 auf 84,1 Prozent angestiegen sei. Da muss man sich fragen, wie so etwas zustande kommt, zumal die entsprechende Bewegung in den anderen Bundesländern sehr gering war. Ich kann Ihnen sagen, woran es lag: Es lag an dem richtigen Beschluss der Großen Koalition, das letzte KiTa- Jahr gebührenfrei zu stellen. Und Sie werden es erleben: Wenn die Zahlen für 2011 ausgewertet sind, werden Sie sehen, dass die Wiedereinführung der Gebührenpflicht negative Folgen hat.
Und falls Sie wirklich Ihre Herdprämie alias Betreuungsgeld durchsetzen, wird das ein weiteres Vehikel dafür sein, genau die Kinder aus den KiTas fernzuhalten, die dort unbedingt hingehören. Also setzen Sie sich in Berlin dafür ein, dafür kein Geld rauszuwerfen, sondern damit lieber die Kommunen und die freien Träger beim Ausbau und bei besserer Betreuungsqualität zu unterstützen.
Wir werden uns deshalb darum bemühen, in der nächsten Legislaturperiode die Gebührenfreiheit zumindest für das letzte Jahr vor der Einschulung wieder herzustellen, und wir streben langfristig an, die gesamte Bildung von der Kindertagesstätte bis zum ersten Studienabschluss gebührenfrei zu machen.
Als ehemalige Schülerin mit immer noch aktuellem Migrationshintergrund beunruhigt es mich schon, wenn im Schuljahr 2010/11 42 Prozent aller Schüler auf ein Gymnasium gegangen sind, aber nur 26 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund.
Ich bin davon überzeugt, dass die Möglichkeiten, die die Gemeinschaftsschule auf der Grundlage des längeren gemeinsamen Lernens bietet, für alle Schüler – nicht nur, aber gerade auch für die aus Migrantenfamilien – eine riesige Chance ist. An dieser Schulart war 3



2010/11 die Beteiligung der Schüler mit Migrationshintergrund auch nur unwesentlich höher als die von Schülern ohne ihn.
Was uns im Bildungswesen fehlt, sind junge Menschen aus Migrantenfamilien, die sich dazu entschließen, einen pädagogischen Beruf zu ergreifen, sei es als Erzieherin bzw. Erzieher oder ganz besonders als Lehrerin bzw. Lehrer. Ich weiß, dass das zum Teil ein Mentalitätsproblem ist, besonders bei jungen Männern, von denen viele diese Berufe als typisch weibliche Tätigkeiten ansehen. Aber das war bei den ethnischen Deutschen vor nicht allzu langer Zeit ja noch ähnlich, und der Wandel in den Köpfen dauert eben seine Zeit.
Auch die Bilanz der Abschlüsse ist nicht gut. Der Anteil der Absolventen mit Migrationshintergrund, die gar keinen Abschluss oder nur einen Hauptschulabschluss erreicht haben, ist viel zu hoch, während ihr Anteil bei den Realschulabschlüssen und beim Abitur zu niedrig ist. Bei den berufsbildenden Schulen sind die Chancen besser. Insgesamt 19 Prozent der Berufsschulabsolventen legen das Abitur am beruflichen Gymnasium ab, bei den Absolventen mit Migrationshintergrund sind es knapp 16 Prozent.
Ich bitte darum, dass wir uns die Antwort der Landesregierung auf diese Große Anfrage in der nächsten Legislaturperiode als Arbeitsgrundlage auf Wiedervorlage legen. Es wäre schade, wenn sie mit der Neuwahl in der Schublade verschwinden würde.