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26.04.12
12:28 Uhr
SPD

Dr. Ralf Stegner zu TOP 50: Kinderbetreuung ausbauen statt Fernhalteprämie zahlen!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 26. April 2012



TOP 50, Betreuungsgeld stoppen (Drucksache 17/2273)



Dr. Ralf Stegner:
Kinderbetreuung ausbauen statt Fernhalteprämie zahlen!


Es gab in den letzten Tagen und Wochen viele gute Argumente gegen das sogenannte Betreuungsgeld zu lesen. Anfang April berichtet die TAZ über die jüngste Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Darin wurde das „Erziehungsgeld“ untersucht, das Thüringen seit 2006 an Familien zahlt, die ihre Kinder nicht in der Kita betreuen lassen. Die Folge dieser Politik: Die Zahl der zu Hause betreuten Kinder stieg um 20 Prozent, ihre Mütter gaben meist ihren Beruf auf. Dieser Effekt war umso stärker, je geringer die Qualifikation und/oder das Einkommen der Eltern waren. Die Kinder profitierten aber nicht von dieser Betreuungsform. Insbesondere die Mädchen entwickelten ihre motorischen und sozialen Fähigkeiten weniger als die Kita-Kinder.
Am letzten Wochenende findet sich im Dossierteil des Abendblatts die Überschrift: „Kinder in der Kita: Je früher desto schlauer“. Die Süddeutsche schreibt am 20. April über eine Studie der Ebert-Stiftung über die Erfahrungen in Norwegen, Finnland und Schweden. Danach wirkt sich deren Betreuungsgeld negativ auf die Gleichberechtigung der Geschlechter aus und schwächt die Position von Frauen in der Gesellschaft. Das Gegenteil von dem, was wir brauchen. 2



Und in den Blättern des SHZ von gestern wird über eine Untersuchung des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein informiert, nach der Deutsch bei weniger als der Hälfte der Kinder ausländischer Herkunft vorrangige Sprache in der Familie ist.
Kindertagesstätten sind ein Ort der Bildung. Also müssen wir doch so viel wie möglich dafür tun, Kinder daran teilhaben zu lassen. Wir wollen niemanden bestrafen, der diese Chance nicht wahrnimmt, aber wir dürfen diejenigen nicht auch noch belohnen. Hinzu kommt, dass man sein Geld nur einmal ausgeben kann: Entweder zwei Milliarden Euro für die Fernhalteprämie oder für die Abschaffung der Kitagebühren und den Ausbau der Kinderbetreuung.
Als ob die Idee des Betreuungsgeldes nicht schon absurd genug wäre, schafft es die CDU hier wie im Bund noch, dort einen draufzusetzen. Herr de Jager fordert eine bessere Anrechnung der Erziehungszeiten bei der Rente. Wenn ich mich nicht sehr täusche, führte sein Vorschlag zu Rentensteigerungen, die die Dimension eines Kinderriegels nicht überschreiten. Herr Kauder schlägt nun vor, den Unsinn mit Eltern und Kindern ab 2013 mit Rentensteigerungen für jene, die Kinder vor 1992 erzogen haben, zu kompensieren. Nun mag einiges dafür sprechen, die Ungleichbehandlung der Eltern vor und nach 1992 zu beenden. Mit dem Betreuungsgeld hat das aber überhaupt nichts zu tun. Zu den 2 Mrd. €, die das Betreuungsgeld kostet, kämen dann noch etwa 7 Mrd. € für die Rentenerhöhung hinzu.
So dünn wie Ihre Argumente für das Betreuungsgeld ist auch Ihr Deckmäntelchen der angeblichen Sparsamkeit. Geld kann man nur einmal ausgeben. Mit dem schleswig- holsteinischen Anteil am Betreuungsgeld könnte man mühelos zwei kostenlose Kita-Jahre finanzieren.
Nun soll es einen Kompromiss geben, der die Hartz IV-Empfänger vom Betreuungsgeld ausschließt. Welches Signal senden Sie damit in die Republik? Der Staat zahlt jenen was, die mehr haben, und die Armen gehen mal wieder leer aus. Ihre Erziehungsleistung wird nicht anerkannt? Mit jedem dieser Vorschläge machen Sie es schlimmer. Als nächstes schließen Sie vielleicht noch Familien mit Migrationshintergrund aus? Oder Eltern, die nicht studiert haben, oder jene, die an ungraden Tagen geheiratet haben? 3



Wann begreifen Sie endlich, dass wir die Infrastruktur ausbauen und positive Anreize schaffen müssen! Wenn es Ihren Interessen dient, haben Sie keine Probleme, Geld aus dem Fenster hinauszuwerfen. Wenn es Ihren Interessen dient, ist es Ihnen im Übrigen auch egal, dass die EU-Kommission Ihr Vorhaben sehr kritisch beäugt und wohl mit der beschlossenen Haushaltsdisziplin für nicht vereinbar hält.
Was ist aber Ihr Interesse an dem Betreuungsgeld? Koalitionsfrieden? Der interessiert Sie sonst auch nicht! Ein altbackenes, überholtes Familienbild? Mit Sicherheit. Frau Schröder ist als Frauenministerin offenkundig ungeeignet. Vielleicht sollte die Bundesregierung lieber ein Gesetz vorlegen, das die Hartz IV-Regelsätze verfassungskonform ausgestaltet.
An der Frage der Kita-Fernhalteprämie zeigt sich der große Unterschied zwischen Ihnen und uns. Sie möchten in Wahrheit keine Integration, Sie kämpfen nach wie vor gegen gemeinsame Bildung, Sie kämpfen gegen Chancengleichheit. Das erklärt Ihre Kürzungen bei den Gemeinschaftsschulen, es erklärt die Abschaffung des kostenfreien Kita-Jahres, obwohl Sie vor der Wahl das Gegenteil versprochen hatten, es erklärt die Zwangseinführung der Kostenbeteiligung für die Schülerbeförderung.
Es gibt einen beispiellosen Schulterschluss gegen das Betreuungsgeld: Arbeitgeber und Gewerkschaften sprechen deutlich gegen Ihre Pläne: Das Betreuungsgeld gefährde wichtige Ziele der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Familienpolitik.
Ich glaube, es gibt nur einen Weg, diesen Unfug zu verhindern. Die kommenden Wahlen sind auch eine Abstimmung darüber, ob wir mit Ihrem Konzept der Kita-Fernhalteprämie zurück wollen in die 50er Jahre. Die Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW führen zu rot-grünen Mehrheiten und leiten das Ende von schwarz-gelb auch im Bund ein. Die Wählerinnen und Wähler werden ein deutliches Zeichen für eine Politik setzen, die Bildung für alle Kinder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur in Sonntagsreden einfordert, sondern – mit geeigneten Personen – auch tatsächlich verwirklicht.
Ich beantrage für meine Fraktion namentliche Abstimmung.